Sebastian Vettel: Gründe für Ferrari-Niederlage 2018
Da sah alles noch gut aus für Sebastian Vettel: Sieg in Bahrain
Es hat nicht sollen sein mit dem WM-Titel 2018: Im Frühling sah das so gut aus für Sebastian Vettel. Er gewann die ersten beiden Rennen der Saison in Australien und Bahrain, er besiegte Anfang Juli Hamilton in dessen Wohnzimmer Silverstone, aber dann stürzte Vettel tief ab: Crash ausgerechnet beim Heimrennen in Hockenheim, 25 Punkte weggeworfen, Hamilton stürmte von Rang 14 zum Sieg. Als sich Vettel mit einem weiteren Sieg nach der Sommerpause in Belgien aufbäumte, keimte bei den Ferrari-Fans Hoffnung. Wer hätte an jenem Sonntagabend in den Ardennen schon ahnen können, dass Seb in den restlichen acht Saisonläufen leer ausgehen würde? Wer hätte schon vorhergesagt, dass Lewis Hamilton von Erfolgserlebnis zu Erfolgserlebnis eilen würde, mit vier Siegen in Folge von Monza bis Suzuka? In Mexiko machte Hamilton alles klar mit seinem fünften Titel, nur um bei den letzten beiden WM-Läufen des Jahres die Konkurrenz nochmals zu demütigen, in Brasilien und Abu Dhabi.
Wundenlecken in Maranello geht so, dass sich die Italiener lieber auf das Positive konzentrieren. Teamchef Maurizio Arrivabene in Arabien: «In den letzten paar Rennen haben wir erlebt – der echte Vettel ist zurück. Jedes menschliche Wesen durchläuft Höhen und Tiefen. Es ist sinnlos, mit dem Finger auf einen Einzelnen zu zeigen. Denn wir haben alle von uns selber 2018 mehr erwartet. Man gewinnt und verliert gemeinsam, wir haben Fortschritte gemacht, aber letzlich haben wir verloren.»
Arrivabene ist ein Anhänger der Glas-halb-voll-Theorie: «Wir belegen den zweiten und dritten Rang in der Fahrer-WM. Aber in der Formel 1 zählt nur der Sieger. Allerdings, die Plätze 2 und 3 sind mir lieber als Vierter oder Fünfter zu werden.»
Sebastian Vettel ist zur FIA-Preisverleihung nach St. Petersburg gejettet. In Russland sagt der 31jährige Heppenheimer: «Grundsätzlich ist es schön, dass wir überhaupt in der Lage waren, ein Wörtchen mitzureden bei der Titelvergabe. Die Jahre nach meinem letzten Titelgewinn 2013 waren nicht einfach, aber in den letzten zwei Saisons waren wir im Titelrennen dabei; dabei, aber letztlich auch zu weit weg, um das zu einem erfolgreichen Abschluss zu bringen.»
«Zur Mitte der Saison sah es noch recht gut aus, bis einschliesslich Monza, würde ich sagen. Dann sind wir zurückgefallen, was unsere Situation nicht vereinfacht hat. Gleichzeitig hatte Lewis einen ganz starken Lauf, mit vielen Siegen und Spitzenrängen. Der Abstand zu ihm wurde rasch grösser.»
«Ich glaube immer bis ganz zum Schluss, dass sich vielleicht noch eine Chance eröffnet. In Mexiko war mir klar: Jetzt wird es ganz schwierig. Mit dem Überfahren der Ziellinie wusste ich – es ist vorbei. Bis dahin hatte ich nicht zu sehr auf den Punktestand geschielt. Ich wusste auch ohnehin, dass die Dinge nicht zu unseren Gunsten laufen.»
Der schönste Sieg? «Bahrain. Anfangs mochte ich das Rennen nicht, jetzt ist es mir ans Herz gewachsen. Und ich durfte mich über eine wirklich schöne Siegertrophäe freuen. Der andere Sieg, über den ich mich sehr gefreut habe, war Kanada. 40 Jahre nach Gilles Villeneuve für Ferrari zu gewinnen, das war sehr emotional.»
Für 2019 wünscht sich Vettel einfach «ein Auto, das noch konkurrenzfähiger ist. Wir hatten 2018 einen guten Allrounder, aber es gab zu viele Rennen, in welchen wir nicht top waren.»
Vettel hat nun vier Saisons in Rot hinter sich, und er steht wie sein Vorbild und Freund Michael Schumacher mit leeren Händen da, was die Titelausbeute angeht.
Die Gründe, wieso sich Ausnahmekönner wie Schumacher und Vettel bei Ferrari in den ersten vier Jahren schwergetan haben, sind unterschiedlich: Qualität der Konkurrenz, nicht immer ein echtes Siegerauto, Fehler am Kommandostand und im Cockpit, unterschiedliche Anzahl Rennen oder Pech – im Sommer 1999 verletzte sich Michael Schumacher in Silverstone, damit war der WM-Traum geplatzt.
Vielleicht ein gutes Omen für Sebastian Vettel: Im fünften Jahr damals hat es mit Michael Schumacher und Ferrari endlich geklappt. Und dann setzte Schumi zu einem einmaligen Höhenflug an – fünf WM-Titel in Serie.
Hier ein Vergleich zwischen den beiden deutschen Ausnahmerennfahrern.
Ferrari: Jahr 1
Michael Schumacher 1996
15 GP, 4 Pole-Positions, 3 Siege, 2 beste Rennrunden, 8 Podestplätze, WM-Dritter
Sebastian Vettel 2015
19 GP, 1 Pole-Position, 3 Siege, 1 beste Rennrunde, 13 Podestplätze, WM-Dritter
Ferrari: Jahr 2
Michael Schumacher 1997
17 GP, 3 Pole-Positions, 5 Siege, 3 beste Rennrunden, 8 Podestplätze, von WM ausgeschlossen (nach Rammstoss gegen Jacques Villeneuve beim Finale in Jerez)
Sebastian Vettel 2016
20 GP, keine Pole-Position, kein Sieg, 3 beste Rennrunden, 3 Podestplätze, WM-Vierter
Ferrari: Jahr 3
Michael Schumacher 1998
16 GP, 3 Pole-Positions, 6 Siege, 6 beste Rennrunden, 11 Podestplätze, WM-Zweiter
Sebastian Vettel 2017
20 GP, 4 Pole-Positions, 5 Siege, 5 beste Rennrunden, 11 Podestplätze, WM-Zweiter
Ferrari: Jahr 4
Michael Schumacher 1999
10 GP, 3 Pole-Positions, 2 Siege, 5 beste Rennrunden, 6 Podestplätze, WM-Fünfter
Sebastian Vettel 2018
20 GP, 5 Pole-Positions, 5 Siege, 2 beste Rennrunden, 11 Podestplätze, WM-Zweiter
Wenn wir uns das alles zusammenrechnen, kommen wir auf folgende Bilanz:
Grands Prix
Michael Schumacher: 59
Sebastian Vettel: 80
Pole-Positions
Michael Schumacher: 13
Sebastian Vettel: 10
Siege
Michael Schumacher: 15
Sebastian Vettel: 13
Beste Rennrunden
Michael Schumacher: 15
Sebastian Vettel: 11
Podestplätze
Michael Schumacher: 33
Sebastian Vettel: 38
Was passiert aber, wenn die Erfolge in Relation zu den Einsätzen stellen? Welche Erfolgsquote erzielen die beiden Deutschen? Hier die Zahlen.
Grands Prix
Michael Schumacher: 59
Sebastian Vettel: 80
Pole-Positions
Michael Schumacher: 13 (bei 59 GP Erfolgsquote von 22,03%)
Sebastian Vettel: 10 (bei 80 GP Erfolgsquote von 12,5%)
Siege
Michael Schumacher: 15 (Erfolgsquote 25,4%)
Sebastian Vettel: 13 (Erfolgsquote 16,25%)
Beste Rennrunden
Michael Schumacher: 15 (Erfolgsquote 25,4%)
Sebastian Vettel: 11 (Erfolgsquote 13,75%)
Podestplätze
Michael Schumacher: 33 (Erfolgsquote 55,93%)
Sebastian Vettel: 38 (Erfolgsquote 47,5%)