Charles Leclerc in Baku: Wieder Ferrari-Stallorder?
Charles Leclerc wurde in Baku 2018 ausgezeichneter Sechster
Im Winter hat Ferrari-Teamchef Mattia Binotto klargestellt: «Es wird Situationen geben, in welchen wir am Kommandostand gewisse Entscheidungen treffen müssen. Je nach Rennsituation werden wir dabei Sebastian Vettel Vorfahrtsrecht geben.» Wie hat der junge Charles Leclerc damals auf die kommende Stallorder reagiert? «Das war nichts Neues für mich, ich wusste das ein wenig vor euch. Für mich ist das nur logisch und nachvollziehbar. Ich bin der Neue bei Ferrari, es ist klar, dass ein Fahrer bei einer 50:50-Situation bevorzugt wird. Und das ist nun mal Vettel. Aber das heisst ja nicht, dass es immer so sein muss. Mein Job ist es, so schnell zu sein, dass gar keine Stallorder notwendig wird.»
So weit zur Theorie. In der Praxis von drei Rennen wissen wir: Schnell ist Leclerc wirklich, dennoch kam von Ferrari drei Mal Stallorder. In Australien musste er sich im letzten Renndrittel hinter Vettel halten und wurde Fünfter. In Bahrain erhielt er die Anweisung, hinter Vettel zu warten. Aber darauf hatte der Formel-2-Meister von 2017 keine Lust, er ging vorbei, führte überlegen, nur ein Motordefekt kostete ihn den ersten Sieg. In China musste er den dritten Platz an Vettel abgeben. Sebastian schien schneller zu sein, aber als der Deutsche vorne war, konnte er sich nicht von Leclerc absetzen und auf Mercedes-Jagd geben.
In italienischen Zeitungen wurde daraufhin thematisiert: Setzt Ferrari auf den falschen Fahrer? Wieso wird der schnellere Mann ständig zurückgepfiffen?
Durchaus denkbar, dass Ferrari auch in Baku vor einer unbequemen Entscheidung steht. Denn Leclerc ist absoluter Spezialist auf dem Strassenkurs in Aserbaidschan. Der 21jährige Monegasse hat hier vor einem Jahr für Sauber einen feinen sechsten Platz eingefahren, und 2017 hatte er in der Formel 2 die Pole-Position herausgefahren und das Hauptrennen gewonnen.
Trotz Stallorder liegt Leclerc im WM-Zwischenklassement nur einen Punkt hinter Sebastian Vettel, es steht 37:36 für Vettel, davor liegen Lewis Hamilton (68 Punkte), Valtteri Bottas (62) und Max Verstappen (39).
Mattia Binotto beteuert trotz des bisherigen Vorgehens, dass es kein grundsätzliches Vorfahrtsrecht für Vettel gibt: «Beide Piloten dürfen frei fahren und kämpfen. Aber wenn jemand der schnellere Mann ist, dann holen wir ihn nach vorne. Charles hatte in Bahrain die Chance mit der Pole-Position, er hätte gewinnen dürfen, und er war auch der schnellere Mann.»
Charles Leclerc vor seinem zweiten Baku-GP: «Das ist ein Kurs, den ich liebe und auf dem ich immer stark fahre. Ich mag den Teil in der Altstadt. Baku ist einzigartig, so eine Kombination aus engen Passagen und schnellen Geraden gibt es nur hier. Hier gibt es nur ein Rezept: Die Konzentration nie verlieren, denn der kleinste Fehler reicht, und du klebst an einer Mauer. Baku fordert dir alles ab. Ich kann es nicht erwarten, auf die Bahn zu gehen.»