Ross Brawn über Sebastian Vettel: «Ruhe bewahren»
Nach dem Crash mit Max Verstappen in Grossbritannien und dem undankbaren Sechzehnten Rang fehlen Sebastian Vettel bereits 100 Punkte auf WM-Leader Lewis Hamilton, der in seinem Heimspiel seinen siebten Sieg in diesem Jahr feierte. Auch Vettels Teamkollege Charles Leclerc durfte sich freuen, der Monegasse fuhr zum vierten Mal in Folge aufs GP-Podest – nachdem er im Rennen wieder einmal seine Klasse unter Beweis gestellt hatte.
Der frühere Ferrari-Technikchef und heutige F1-Sportchef Ross Brawn kommt in seiner Silverstone-Analyse deshalb zum Schluss: «Wir haben an diesem Wochenenden zwei Seiten von Ferrari erlebt, einerseits auf der Fahrer- aber auch auf der technischen Seite. Als es um eine schnelle Runde im Qualifying ging, war Leclerc einfach überragend, wenn man bedenkt, dass er nur im letzten Sektor Zeit verloren hat, und das auf einer Strecke, die nicht das beste Pflaster für seinen SF90 ist – speziell bei diesen kühlen Temperaturen.»
«Im Rennen war Ferrari aber weit hinter Mercedes und auch hinter Red Bull Racing nur die drittstärkste Kraft», betont der Brite, der weiss: «Der Reifenabbau ist die Achillesferse des Teams. Das konnte man schon am Freitag sehen, und obwohl sich das Team im Verlauf des Wochenendes verbessern konnte, reichte es nicht, um beim Kampf um den Sieg ein Wörtchen mitzureden. In Maranello muss man nun die Ursache dafür finden und schnell reagieren, wenn man den Titelkampf nicht ganz abschreiben will.»
«Die beiden Fahrer erlebten auch zwei sehr unterschiedliche Tage: Leclerc holte sein fünftes GP-Podest – das Vierte in Folge. Er war nach dem Rennen überwältigt, in dem er sein Talent und seinen Mut in den spannenden Duellen hatte unter Beweis stellen können. Und seinen Kommentaren zufolge war er glücklicher mit dem Ausgang in den Duellen mit Max Verstappen und Pierre Gasly als mit dem Endergebnis. Das zeigt, dass diese Dinge die Formel 1 zu dem machen, was sie ist», lobte Brawn mit Blick auf die junge Ferrari-Hoffnung.
Und was sagt der 64-Jährige zu Vettel? «Vettel konnte hingegen kein Lächeln aufbringen. Seit Kanada scheint Sebastian immer mehr zu kämpfen, und in Silverstone ging das Elend weiter. Im Gegensatz zu Leclerc fühlte er sich im Auto nie wohl, wie man an den Abständen im Qualifying erkennen kann, und dann machte er im Rennen nicht das Beste aus der Safety-Car-Chance, nachdem er sich auf Platz 3 vorgearbeitet hatte.»
«Dann kam der Fehler, als er in das Heck von Verstappens Auto krachte. Er erkannte sofort, dass er einen Fehler gemacht hatte, und nach dem Rennen suchte er Max schnell auf, um sich zu entschuldigen. Es ist ein schwieriger Augenblick für Sebastian, denn er fühlt wahrscheinlich einen anderen Druck als sonst, und er muss sich fragen, in welche Richtung er jetzt gehen soll, da seine Chance, Ferrari wieder an die Spitze zu bringen, in diesem Jahr schwindet», weiss Brawn.
Und der Ingenieur betont: «Sebastian ist ein unglaublich starker Fahrer, wie seine Bilanz zeigt, aber im Moment muss er ruhig bleiben und sich auf die Unterstützung seines Teams verlassen, die er sicherlich auch erhält. Ich denke, es gibt kein besseres Team als Ferrari, wenn es darum geht, seine Fahrer mit Liebe und positiver Energie zu umgeben.»