Formel 1: Ohrfeige für Gegner von Verstappen

WM-Start im Juni: Wohin mit verschobenen Grands Prix?

Von Adam Cooper
So bald werden wir nicht nach Australien zurückkehren

So bald werden wir nicht nach Australien zurückkehren

​Aus für Australien, Bahrain, Vietnam, China, wohl auch für Zandvoort, Barcelona und Monaco. Wenn die WM erst im Juni in Baku beginnen kann, fragt es sich: Wohin mit all den verschobenen GP?

Der Coronavirus stellt die Sportwelt vor grösste Anforderungen. Zahlreiche Meisterschaften weltweit wurden entweder auf Eis gelegt oder gleich beendet, ohne Meister, Aufsteiger oder Absteiger. In der Formel 1 sind die Rennen von Australien, Bahrain, Vietnam und China offiziell alle verschoben. Vor dem Hintergrund der dramatischen Entwicklung in zahlreichen europäischen Ländern ist es heute schwer vorstellbar, dass die Formel 1 in Zandvoort, Barcelona und Monte Carlo antritt.

Wenn wir mal sachte einen WM-Beginn in Baku ins Auge fassen (mit dem Grossen Preis von Aserbaidschan am 7. Juni), dann stellt sich die Frage: Wie will die Formel-1-Führung all die verschobenen Rennen nachholen?

Einfach auf alle besagten Rennen verzichten, das kann sich die Formel 1 wirtschaftlich nicht leisten. Für einen Grand Prix wird eine Antrittsgebühr von durchschnittlich 30 Millionen Dollar erhoben, einige Veranstalter wie etwa in Arabien oder Asien, bezahlen deutlich mehr.

Die offensichtlichste Lösung ist die Formel-1-Sommerpause, die nach dem 2. August (GP Ungarn) geplant war bis zum Grossen Preis von Belgien (30. August). Es wird unvermeidlich sein, am 9., 16. oder 23. August einen Grand Prix zu veranstalten.

Natürlich hätte dies Konsequenzen: Unzählige F1-Zirkusmitglieder haben bereits Urlaube geplant, in der einzigen Lücke im WM-Programm. Dann, wenn in vielen Ländern Schulferien sind.

Europäische Rennen wie Zandvoort und Barcelona nachzuholen, ist nicht schwierig. Ein Sonderfall hingegen ist Monaco, wegen des aufwändigen Aufbaus der ganzen Infrastruktur. Zudem ist dieser Strassen-GP der einzige WM-Lauf, der keine Antrittsgebühr bezahlt. Formel-1-CEO Chase Carey muss jedoch sehen, wie Geld in die Kasse kommt. Monaco wird kein Rennen im Sommer austragen wollen, wenn am meisten Touristen ins Fürstentum kommen. Anders gesagt – wenn dieses Rennen nicht Ende Mai gefahren werden kann, dann wird es 2020 überhaupt keinen Monaco-GP geben.

Die Spanier sollten sich nicht zu viele Hoffnungen machen, dass Barcelona eine zweite Chance erhält. Der Vertrag mit den Katalanen ist nur um ein Jahr verlängert worden, seit Jahren haben sie grosse Schwierigkeiten, die Antrittsgebühr zusammenzukratzen.

Ganz anders Zandvoort. Chase Carey wird alles tun, um das Heimrennen von Max Verstappen durchzuführen, vielleicht als Paket mit Ungarn. Das Datum vom 23. August erscheint unwahrscheinlich, denn dann hätte die Formel 1 drei Grands Prix in Folge, Niederlande, Belgien, Italien. Es ist absehbar, dass nicht alle Fans von Verstappen zu zwei Rennen fahren, wenn sie wie Zandvoort und Spa-Francorchamps innerhalb von acht Tagen stattfänden.

August für Zandvoort, das passt. Früher wurde dieser WM-Lauf oft im August ausgetragen, wenn das Wetter viel angenehmer ist als im Mai. Die Rennstreckenbetreiber hätten somit auch drei Monate mehr Zeit, sich auf das Comeback ihres Grossen Preises vorzubereiten.

Die Logistik hingegen ist eine andere Problematik: Zandvoort liegt am Meer, die Hotels sind mit Sommerferiengästen ausgebucht. Hier noch den kompletten GP-Zirkus und 80.000 Fans unterzubringen – ein Albtraum. Vielleicht wäre der 26. Juli gescheiter, also die Lücke zwischen den WM-Läufen von Grossbritannien und Ungarn.

Ob Chase Carey mit dem Gedanken spielt, einen Übersee-GP in die heutige August-Sommerpause zu platzieren? Möglich, aber wenig wahrscheinlich. Realistischer ist es, solche Rennen ins letzte Saisondrittel zu versetzen.

Was also passiert mit den Übersee-GP von Australien, Bahrain und Vietnam?

Einen Australien-GP wird es 2020 nicht mehr geben. Keine Chance, dass die Stadt Melbourne den ganzen Aufwand zum Aufbau der Infrastruktur eines Strassenrennens nochmals auf sich nimmt.

Von den anderen drei – Bahrain, Vietnam und China – ist Hanoi für Chase Carey am wichtigsten. Der Vertrag mit den Vietnamesen war für die Formel-1-Führung enorm wichtig, nicht nur finanziell.

Allerdings handelt es sich auch in Hanoi um einen WM-Lauf, der auf bestehende Strassen zurückgreift. Es ist einfacher, ein Autorennen auf dem Bahrain International Circuit oder dem Shanghai International Circuit nachzuholen als in den Strassen von Hanoi. Bei Shanghai stellt sich das Problem: Je später in der Saison, desto klammer das Wetter. Im November will niemand mehr dort ein GP-Wochenende veranstalten.

Gleichzeitig müssen wir im Kopf behalten: Abu Dhabi lässt es sich viel kosten, das WM-Finale austragen zu dürfen. Es ist allerdings denkbar, dass der letzte Saisonlauf nicht am 29. November stattfindet, sondern bis zu zwei Wochen später, dann könnte ein Rennen den Platz von Abu Dhabi einnehmen.

Geographisch logisch wäre es, Bahrain und Abu Dhabi zu verknüpfen. Bislang wurde dies vermieden, weil die Veranstalter der beiden Rennen sich nicht gegenseitig Besucher wegnehmen wollten.

Ein Rennen zwischen Brasilien (15. November) und Abu Dhabi (29. November) zu platzieren, ist logistisch schwierig. Das Gleiche gilt für die Lücke zwischen Mexiko (1. November) und Brasilien. Überdies will kein Team vier Rennen in Folge bewältigen müssen, schon gar nicht Übersee.

Das Gleiche gilt, sollte ein Rennen für 4. Oktober eingeplant werden (wieder vier GP hintereinander – Singapur, Sotschi, Ersatztermin, Suzuka), oder für die Lücke vom 18. Oktober (Suzuka, Ersatztermin, Austin, Mexiko-Stadt). Wir sehen: Es wird ziemlich eng im Herbst.

Wenn wir diese WM wirklich erst in Baku beginnen können, Zandvoort in den Sommer verlegen und einen der Übersee-GP nachholen, kämen wir auf eine Saison aus 17 Läufen – das ist nicht übel, wenn wir uns vor Augen halten, dass einige Sportanlässe 2020 komplett ausfallen.

Wie viele Rennen brauchen wir eigentlich, damit eine Formel-1-WM zählt? Es steht im Reglement: acht.

Der Formel-1-Kalender 2020

03. Mai: Zandvoort, Circuit Park Zandvoort/NL (fraglich)
10. Mai: Montmeló bei Barcelona, Circuit de Barcelona-Catalunya/E (fraglich)
24. Mai: Monte Carlo, Circuit de Monaco/MC (fraglich)
07. Juni Aserbaidschan, Baku City Circuit/AZ
14. Juni: Montreal, Circuit Gilles Villeneuve/CDN
28. Juni: Le Castellet, Circuit Paul Ricard/F
05. Juli: Spielberg, Red Bull Ring/A
19. Juli: Silverstone, Silverstone Circuit/GB
02. August: Mogyoród bei Budapest, Hungaroring/H
30. August: Francorchamps, Circuit de Spa-Francorchamps/B
06. September: Monza, Autodromo Nazionale/I
20. September: Singapur, Marina Bay Street Circuit/SGP
27. September: Sotschi, Sochi Autodrom/RUS
11. Oktober: Suzuka, Suzuka Circuit/J
25. Oktober: Austin, Circuit of the Americas/USA
1. November: Mexico City, Autódromo Hermanos Rodríguez/MEX
15. November: São Paulo, Autódromo José Carlos Pace/BR
29. November: Abu Dhabi, Yas Marina Circuit/UAE

Ohne neuen Termin
Shanghai, Shanghai International Circuit/RCH
Melbourne, Albert Park Circuit/AUS
Bahrain, Bahrain International Circuit/BRN
Hanoi, Street Circuit Hanoi/VN

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