Streit um Budgetgrenze: Ferrari dementiert Ausstieg
Mattia Binotto
Jede Woche verhandeln die Formel-1-Teamchefs per Videokonferenz mit FIA-Präsident Jean Todt, Formel-1-CEO Chase Carey und F1-Sportdirektor Ross Brawn. Zum grössten Teil geht es um die kommende Budget-Obergrenze.
Zur Erinnerung: Eigentlich war vorgesehen, einen Budgetdeckel von 175 Millionen Dollar pro Saison einzuführen und diese Grenze dann schrittweise zu senken. In diesen 175 Millionen nicht eingeschlossen sind – Aufwand für Marketing, Gehälter der Fahrer, Kosten für kulturelle Posten (etwa den Betrieb alter GP-Rennwagen), Boni, Abschreibungen und Amortisation, Kosten, die mit der Formel 1 nichts zu tun haben, Anmeldegebühr des Teams und Superlizenzgebühr der Fahrer sowie die Gehälter der drei bestbezahlten Angestellten (abgesehen von den Piloten).
Dem US-Amerikaner Zak Brown ging das nicht weit genug. Der McLaren-CEO sagte: «Wir spielen mit Feuer. Wir müssen in dieser Situation wirklich aufpassen, dass wir keine Teams verlieren. Wenn wir nur noch acht Rennställe haben, dann ist das keine Formel 1 mehr. Der Sport lebt davon, dass wir ein volles Startfeld haben. Aber das ist nicht garantiert, wenn wir es nicht schaffen, die Formel 1 in Sachen Budget tragbar zu machen. Kleiner Rennställe könnten sich am Ende die Königsklasse nicht mehr leisten oder sie verlieren das Interesse. Am Ende würden nur die finanziell stabiler aufgestellten Rennställe übrig bleiben, und das funktioniert so nicht.»
175 Millionen sind vor dem Hintergrund der Coronakrise völlig unrealistisch. Ein erster Kompromiss von 150 Millionen geht Zak Brown ebenfalls zu wenig weit. Der Kalifornier hat sogar 100 Millionen vorgeschlagen.
Die drei grossen Teams – Mercedes-Benz, Ferrari und Red Bull Racing – wehren sich gegen diese dramatische Verringerung. Denn sie würde Entlassungen bedeuten.
Der jüngste Vorschlag von FIA und FOM (Formula One Management): Budgetdeckel in Höhe von 145 Millionen für 2021, 2022 dann Senkung auf 130 Millionen. Dies entspricht auch jener Zahl, die Ross Brawn vor zwei Jahren einmal vorgeschlagen hatte.
Der frühere Techniker und Teamchef von Benetton, Ferrari, BrawnGP und Mercedes sagt: «Die Coronakrise hat zur Gelegenheit gezwungen, sich die Budgets nochmals gründlich anzusehen. Wir müssen zu einem realistischen und vernünftigen Kostendeckel kommen.»
Ferrari-Teamchef Mattia Binotto jedoch warnt: «Diese 145 Millionen sind eine neue und anspruchsvolle Forderung, gemessen daran, was wir im Juni 2019 vereinbart hatten. Diese Grenze kann nicht erreicht werden ohne weitere, erhebliche Opfer zu erbringen, vor allem in Sachen Personal. Wenn diese Grenze weiter sinkt, so kommen wir in eine Position, an welcher wir uns überlegen müssen, ob wir unsere Renn-DNA nicht auch in anderen Serien einbringen sollen 1.»
«Wir sind uns wohl bewusst, dass die ganze Welt und auch die Formel 1 wegen der Coronakrise schwierige Zeiten durchlaufen. Aber das sollte nicht Anlass zu übereilten, undurchdachten Entscheidungen sein», so Binotto im Guardian. «Wir haben in der Formel 1 alle möglichen Rennställe mit ganz unterschiedlicher Charakteristik. Sie arbeiten in verschiedenen Ländern, mit unterschiedlicher Gesetzgebung. Strukturelle Änderungen durch Kostenkürzungen sind nicht so einfach umzusetzen.»
«Die Formel 1 muss die Spitze des Motorsports bleiben. Sie muss auch für Hersteller attraktiv bleiben und für Geldgeber, die sich in dieser prestigeträchtigen Serie engagieren wollen. Wenn wir weiter die Kosten übermässig verringern, dann riskieren wir, das Niveau dermassen erheblich zu senken, so dass wir uns niedrigeren Formelklassen annähern.»
Die Aussagen von Binotto führten zum Schluss, dass Ferrari mit einem Ausstieg aus der Königsklasse liebäugle. Ferrari dementiert das entschieden. «Wir wollen die Aussagen von Mattia insofern klären, dass nie die Rede davon war, dass Ferrari die Formel 1 verlässt. Er hat lediglich festgehalten, dass sich Ferrari andere Optionen ansehen könnte, dies aber ausdrücklich parallel zum Engagement in der Formel 1.»