Franz Tost (AlphaTauri): «Das sind Wunsch-Szenarien»
AlphaTauri-Teamchef Franz Tost
Der Weg zurück zu Formel-1-WM-Läufen ist steinig und lang: Geschlossene Grenzen, Quarantäne-Vorschriften, Ausgehsperren, Versammlungsverbote – wie sollen vor einem solchen Hintergrund Motorsportveranstaltungen durchgeführt werden?
Der Franzose Jean Todt, Präsident des Autosport-Weltverband FIA, hat von einem WM-Beginn im Juli gesprochen, aber viele Fans fragen sich: Wie will die Königsklasse das auf die Reihe bringen? Wie sollen sieben Rennställe aus Grossbritannien nach Österreich reisen, aus einem Grossbritannien, in welchem derzeit fast 900 Corona-Tote pro Tag gezählt werden? Welches Land will Briten einreisen lassen oder Menschen aus dem von der Krise ebenfalls hart geprüften Italien? Wie sollen die Rennmannschaften Ferrari und AlphaTauri von Italien nach Silverstone gelangen? Oder die Fachkräfte von Pirelli? Dürfen sie nur mit einer Gesundheitsbescheinigung einreisen?
Werden Rennen von einer TV-Rumpfmannschaft übertragen, ohne weitere Medienbeteiligung vor Ort? Welche Fachkräfte sollen ins Fahrerlager gelassen werden und unter welchen Bedingungen sollen sie arbeiten? Zwei Meter Abstand halten ist im Umgang mit einem Rennwagen in einer Box etwas schwierig.
Fragen über Fragen.
Red Bull-Chefberater Dr. Helmut Marko hat zur möglichen Durchführung eines Grossen Preises von Österreich gesagt: «Die Streckenbetreiber haben sich zuletzt an die Bundesregierung gewandt. Dort wird jetzt ein Maßnahmenkatalog ausgearbeitet, unter welchen Voraussetzungen ein Grand Prix – ein Grand Prix ohne Publikum wohlgemerkt, ein so genanntes Geisterrennen – stattfinden könnte. Wir alle hoffen.»
Gemäss Dr. Marko arbeitet die Formel-1-Organisation derzeit an einem Konzept, wie man etwa die Anzahl der Personen vor Ort einschränken könne, so dass nicht der komplette Tross von mehreren tausend Personen anreisen müsse. Zudem könnten Charterflieger aus England, wo die meisten Teams ihre Werke haben, direkt auf dem benachbarten Flughafen Zeltweg landen.
Entscheidend werden die Einreisebestimmungen zu sein. Dr. Helmut Marko: «Das Wahrscheinlichste ist, dass jeder, der zu diesem Event kommt, einen entsprechenden Test absolvieren muss. Wenn dies nicht möglich ist, müssten die Personen mit entsprechender Vorlaufzeit in Österreich in Quarantäne. Auch das wäre bei entsprechender Planung möglich.»
Die FIA und die Formel-1-Führung verstecken sich auf Anfrage hinter wenig Aussagekräftigem: «Die Formel 1 und die FIA arbeiten eng mit den verschiedenen Promotern zusammen. Wir haben das gemeinsame Ziel, so bald als möglich wieder Rennen auszutragen, unter der Bedingung, dass dies auf sichere Art und Weise geschehen kann. Als Ergebnis werden wir eine WM-Kalender haben, der sich markant unterscheiden wird vom ursprünglichen Plan.»
«Die Situation rund um die Corona-Pandemie ist in ständigem Wandel. Die verschiedenen Länder haben ganz unterschiedliche Pläne, wie sie den Ausbruch des Virus bekämpfen. Daher ist es derzeit nicht möglich, auf spezifische Fragen einzugehen. Wir werden weitere Details veröffentlichen, sobald wir dazu in der Lage sind.»
AlphaTauri-Teamchef Franz Tost nimmt den Autosport-Weltverband in Schutz: «Die Formel 1 ist ein ziemlich grosses, nicht ganz einfach zu lenkendes Schiff. Dahinter steht eine enorme Logistik.»
«Auch mir ist klar, dass dies alles unbefriedigend ist. Wir haben derzeit mehr Fragen als Antworten, weil so Vieles ungewiss ist. Wir wissen nicht, was die einzelnen Regierungen alles entscheiden. Also sind wir dazu gezwungen, verschiedene Szenarien durchzuspielen. Wenn du so viel theoretisierst, hast du logischerweise weniger relevante Antworten. Wir können umreissen, wie eine Rückkehr zum Sport in groben Zügen aussehen könnte, aber ob sich das alles letztlich so machen lässt, das wissen wir einfach nicht.»
Der Tiroler Teamchef steht in ständigem Kontakt mit dem Autosport-Verband und mit Vertretern von Formula One Management und spricht über grobe Skizzen.
Franz Tost: «Was das Reisen angeht, so besteht die Hoffnung, dass bis Juli wieder Strassen benützt werden können. Falls es nicht anders möglich ist, könnten wir mit einem gecharterten Flugzeug anreisen, zusammen mit dem Personal von Ferrari. Aber aufgrund der ganzen heutigen Reiseverbote oder Grenzschliessungen müssen wir abwarten, ob das geht. Das sind ja genau einige der Gründe, wieso wir derzeit so wenig Konkretes präsentieren können. Ich habe die Hoffnung, dass bis Juli genügend Zeit vergeht, dass Grenzen wieder offen sein werden.»
«Was die ganzen Briten angeht, die sich nach Österreich bewegen sollten, so könnten auch sie eine Charter-Maschine nehmen und dann in Zeltweg oder Graz landen. Ich gehe davon aus, dass reisende Fachkräfte eine Gesundheits-Bescheinigung vorweisen müssten.»
«Ich habe intern bei AlphaTauri schon klargemacht, dass wir solche Tests machen werden. Dies jedoch unabhängig davon, ob wir zu Rennen fahren oder nicht. Ich will, dass alle unsere Mitarbeiter auf Corona getestet werden, um das Ansteckungsrisiko in der Firma zu minimieren, wenn wir die Arbeit im Werk wieder aufnehmen.»
«Bei diesen Tests muss man aufpassen, weil es inzwischen sehr viele verschiedene gibt. Ich habe unser Fachpersonal gebeten, Tests zu beschaffen, die anerkannt sind und zuverlässige Ergebnisse ergeben.»
«In Sachen Anzahl Team-Mitglieder vor Ort finden Gespräche statt, ohne uns auf konkrete Zahlen festgelegt zu haben. Wir würden uns auf jene Fachkräfte beschränken, welche für den Einsatz des Autos absolut notwendig sind. Wenn wir keine Gäste haben und keine Berichterstatter vor Ort wären, dann können wir auf Mitarbeiter aus Marketing- und Medienabteilungen verzichten. Bei AlphaTauri kämen wir dann mit 60 bis 65 Leuten aus.»
«Über eine Maximalzahl Fachkräfte im Fahrerlager haben wir bei den Verhandlungen mit FIA und FOM nicht gesprochen. Was wir auch im Auge behalten müssen: Wenn wir die Anzahl Mitarbeiter an der Strecke verringern und dann – nach Wunsch der FIA – im späteren Verlauf des Jahres vielleicht einen forschen Rhythmus an Rennen durchführen, dann halte ich das für unrealistisch, das können wir den Leuten nicht zumuten.»
«In Sachen Catering sieht die Lage so aus: Wenn wir keine Gäste haben, dann besteht auch keine Notwendigkeit für die grosse Energy-Station. Die Rennställe wollen ihr eigenes Catering dabei haben, die Möglichkeit einer gemeinschaftlichen Verpflegung für alle Teams wurde im Detail nicht diskutiert.»
«Die FIA, Formula One Management und die Rennställe erörtern verschiedene Möglichkeiten. Die ganze Situation ist extrem kompliziert, weil wir von Entscheidungen der Regierungen abhängig sind und weil so viele einzelne Faktoren alle eine Rolle spielen. Und weil sich die Situation auch ständig ändert. Natürlich würden FIA und FOM gerne so bald als möglich loslegen, aber man muss schon sehen – das sind Wunsch-Szenarien.»
«Vielleicht werden wir mit Österreich Glück haben, insofern dass sich die Lage so entwickelt hat, dass die Regierung mehr Freiheiten zulässt. Uns kann aber das Gegenteil in England passieren. Das wissen wir alles nicht.»
«Was heute Gültigkeit hat, kann morgen schon wieder über den Haufen geworfen sein. Das macht eine vernünftige Planung so schwierig.»