Exklusiv: Das Protokoll des F1-Neustarts in Spielberg
Daniil Kvijat beim Barcelona-Test in Februar am Steuer des AlphaTauri AT01
Als Red Bull-Motorsport-Berater Dr. Helmut Marko (77) vor einer Woche erstmals durchblicken ließ, dass die Formel-1-WM 2020 am 5. und 12. Juli auf dem Red Bull Ring in Spielberg gestartet werden soll, haben viele Experten dieses ehrgeizige Projekt als Hirngespinst abgetan. Denn bisher steht nicht einmal fest, wann die großen europäischen Fußball-Meisterschaften wieder fortgesetzt werden, obwohl sich dort eventuell nur 160 Personen im Stadion aufhalten müssen. Die Macher der MotoGP-WM wollen es mit maximal 1000 Personen im Paddock versuchen und planten bisher auf einen Re-Start im September oder gar Oktober.
Die Formel 1 will das Paddock-Personal auf 2000 Menschen reduzieren, aber trotzdem bereits am ersten Juli-Wochenende in der Steiermark um die Wette fahren.
Der Tiroler Franz Tost, Teamprinzipal des in Faenza/Italien stationierten AlphaTauri-Formel-1-Teams (vormals Scuderia Toro Rosso), ist überzeugt, dass er den AlphaTauri AT01 mit den Honda RA620H-Motoren und den Piloten Daniil Kvijat und Piere Gasly, in etwas mehr als zwei Monaten wieder auf Punktejagd schicken kann.
Im zweiten Teil des aufschlussreichen Interviews mit SPEEDWEEK.com verrät der Tiroler weitere interessante Neuigkeiten zum zügigen Comeback der Formel-1-WM.
Franz, die Boxen in Spielberg messen 119 Quadratmeter. Wie viele Mitarbeiter werden sich dort gleichzeitig aufhalten?
Wir werden ja zwei oder sogar drei Boxen haben. Darüber mache ich mir wenig Gedanken. Die Mechaniker, die am Auto arbeiten, die sind logischerweise näher zusammen. Aber das sind fünf, sechs Mechaniker pro Auto. Alle anderen können die Abstandsregeln von 1 Meter in Österreich gut einhalten. Die Reifen werden in einer anderen Abteilung vorbereitet. Auch die Elektronik arbeitet in einer eigenen Abteilung, die IT sitzt ebenfalls in einer eigenen Abteilung. Diese Techniker sind von den Mechanikern in der Box sowieso getrennt.
Die IT-Techniker sitzen dann natürlich schon nebeneinander, weil ihre Computer nebeneinander aufgestellt sind. Deshalb rechne ich damit, dass wir von der österreichischen Regierung die Auflage bekommen werden, dass wir eine Maske tragen müssen.
Die Reifenwechsel werden auch klappen, obwohl das die Abstandsregel nicht eingehalten werden kann?
Die Reifenwechsel werden überhaupt kein Problem sein. Denn da hat die ganze Crew sowieso einen Helm auf.
In Spielberg sind zwei Rennen am 5. und 12. Juli vorgesehen. Wir man die 2000-Fahrerlager-Insassen auch zwischen den Rennen auf den SARS-CoV-2-Virus testen lassen.
Das werden wir sehen. Die Leute bleiben ja zusammen. Es werden auch in Spielberg vor Ort noch Tests gemacht, habe ich mir sagen lassen. Wenn notwendig, werden wir vor dem zweiten Rennen auch noch Tests machen.
Besteht nicht die Gefahr, dass man irgendwann nicht genügend Testkits bekommt, weil selbst Regierungen und Alters- und Pflegeheime ihren Bedarf teilweise nicht decken können?
Bis dahin sollten keine Engpässe mehr bestehen.
Wie bringen Ferrari und AlphaTauri das Material von Italien nach Österreich?
Wir transportieren alles mit unseren Trucks in die Steiermark.
Die sieben britischen Teams müssen drei Grenzen überwinden. Nach Frankreich oder Belgien, nach Deutschland und nach Österreich. Ihre «health certificates» dürfen aber an der letzten Grenze maximal vier Tage alt sein.
Ja, da erwarte ich mir, dass sie über die britische Grenze kommen, nach Mitteleuropa einreisen dürfen und nach Österreich kommen. Sie müssen halt früh genug wegfahren…
Ich kann mir nicht vorstellen, dass alle anderen Lkw-Fahrer, die quer durch Europa fahren, momentan auch alle vier Tage einen Covid-19-Test machen.
Es kann auch sein, dass sich die englischen Teams zu einem Konvoi zusammenschließen.
Die Teams könnten die Trucks notfalls in jedem Land von heimischen Chauffeuren übergeben und sie von ihnen pilotieren lassen. Ohne die sieben britischen Teams kann man auf keinen Fall einen Grand Prix fahren.
Nein, natürlich nicht. Aber die englischen Teams werden gemeinsam mit der FIA und der FOM eine Lösung finden, die dann von den verschiedenen Regierungen bewilligt und abgesichert wird.
Es muss dann auf Regierungsebene eine Möglichkeit geschaffen werden, dass die Trucks die Grenzen passieren und in einem Korridor nach Österreich fahren dürfen.
Red Bull Racing und AlphaTauri verwenden Honda-Motoren. Können die japanischen Ingenieure alle anreisen?
Das wird kein Problem sein. Die Formel-1-Abteilung von Honda befindet sich in Milton Keynes in England.
Werden vor Juli in Spielberg auch Formel-1-Testfahrten stattfnden?
Für die Formel 1 ist das eigentlich nicht möglich. Denn unser Team ist bis 30. Mai in Quarantäne, wir haben ja nach der Absage von Melbourne den vorgezogenen Shutdown vereinbart.
Im Juni dürften wir auch keine normalen Testfahrten machen. Jedes Team dürfte höchstens einen Filmtag einlegen, da dürfte man maximal 100 km zurücklegen.
Es waren nach Spielberg zwei Testtage geplant. Aber das sind jetzt sekundäre Themen. Zuerst müssen wir einmal schauen, dass wir dorthin dürfen und das Rennen einnal stattfindet.
Könnten sich Liberty Media, FOM, FIA und die Teams angesichts der außergewöhmlichen Umstände und vier Monate ohne Tests und Rennen nicht auf einen Testtag vor dem Event einigen?
Ja, das wird man dann sehen. Es müssten dann alle Teams etwas früher anreisen, um einen gemeinsamen Test durchführen zu können. das mpüsste in einem Aufwachsen gehen. Ich glaube nicht, dass jedes Team separat testen kann. Das würde keinen Sinn machen. Denn wir müssen der österreichischen Regierung ein akzeptables Angebot machen.
Die Weiterreise nach England, wo Ende Juli in Silverstone wieder zwei Formel-1-Rennen stattfinden sollen, obwohl dort täglich immer noch fast 600 Menschen sterben, macht dir keine Sorgen?
So weit sind wir noch nicht mit unserer Planung von der Logistik-Seite. Vorläufig sind wir primär dabei, für den Österreich-GP alles abzuklären. Dann kommen die Events in England an die Reihe.