Monaco: Charles Leclerc (Ferrari) wird Schauspieler
Am 24. Mai hätte der prestigeträchtigste Grand Prix von allen stattfinden sollen, der Grosse Preis von Monaco. Charles Leclerc wird am kommenden Sonntag tatsächlich durch Monte Carlo wetzen, aber nicht auf abgesperrter, von Leitschienen gesäumter Strecke mit seinem Formel-1-Ferrari, sondern mit einem Strassensportwagen und als Schauspieler – der zweifache GP-Sieger soll Hauptdarsteller im Remake von «C’était un rendez-vous» sein, einem Kult-Kurzfilm aus dem Jahre 1976 von Claude Lelouch.
Der Pariser Filmregisseur, inzwischen 82 Jahre jung, Oscar-Gewinner und auch Träger der Goldenen Palme von Cannes, will seinen legendären, nur rund neun Minuten langen Film neu interpretieren. Im Original staunten die Zuschauer über ein Auto, das mit einem Affenzahn durchs morgendliche Paris gepfeffert wird, an einem Sonntag im August. Top-Gear-Legende Jeremy Clarkson sagte einmal über den Film: «Dagegen sieht die Verfolgungsjagd von Steve McQueen in Bullitt wie ein Kinderfilm aus.»
Um den Film ranken sich zahlreiche Legenden. Eine davon: Am Lenkrad sass nicht etwa Lelouch, sondern ein Rennfahrer. Die Rede war von Jacky Ickx oder Jacques Laffite. Der Regisseur blieb bei der Darstellung, er alleine habe den Wagen gefahren. Von der Porte Dauphine bis zur Kirche Sacré-Coeur auf dem Montmartre brauchte er weniger als acht Minuten.
Eine andere Legende: Der Fahrer habe einen Ferrari 275 GTB gelenkt. Stimmt auch nicht: Lelouch sass in einem Mercedes-Benz 450 SEL 6.9. Er brüstete sich damit, mehr als 200 Sachen gefahren zu sein, was selbst damals der Polizeichef nicht übertrieben amüsant fand – er entzog dem Filmemacher höchstpersönlich den Führerschein; wegen Verstosses gegen ungefähr ein Dutzend Verkehrsregeln.
Lelouch befestigte die Kamera an der vorderen Stossstange. Die zündende Idee zum Film kam ihm, weil er eben «Ein Hauch von Zärtlichkeit» abgedreht hatte und noch eine Filmrolle übrighatte. Für den Mercedes entschloss er sich vor allem deshalb, weil die tolle Federung der Limousine unverwackelte Bilder garantierte – trotz der Schussfahrt über die Pflastersteine.
Später legte der Pariser über die Bilder Motoren-Sound von Ferrari, weil das einfach akustisch ansprechender war. Die Piste wurde nochmals gefahren, aber dieses Mal im Ferrari. Das war der einzige Trick. Lelouch verzichtete auf Spezialeffekte oder das Beschleunigen des Films, um einen stärkeren Eindruck von Speed zu erhalten.
Lelouch wollte den Film nicht als Ermunterung zu einer Karriere als Verkehrs-Rüpel verstanden haben, sondern sprach 2006 in einem Interview angesichts aller Unwägbarkeiten und auf sich genommenen Gefahren des Hauptdarstellers von einer Liebeserklärung der besonderen Art.
Beim Remake wird alles ein wenig anders: Die Strassen von Monaco werden gesperrt, noch steht nicht fest, mit welchem Wagen der junge Leclerc ausrückt, mein Kollege Matteo Nugnes von der italienischen motorsport.com tippt auf den ersten Hybrid-Ferrari, also auf das Modell SF90. Angeblich hatte die Idee für eine Neuverfilmung Fürst Albert, der wegen seines Vaters Rainier mit dem Rennsport in Monte Carlo aufgewachsen ist. Wegen Corona gibt es 2020 leider keinen Grand Prix.
Auf YouTube ist der Original-Film übrigens leicht zu finden. Tipp: Drehen Sie den Ton auf!