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Ferrari-Debakel: Es kann noch schlimmer kommen

Von Andreas Reiners
Charles Leclerc und Sebastian Vettel

Charles Leclerc und Sebastian Vettel

Ferrari erreicht in Spa einen neuen Tiefpunkt. Das Schlimme: Es kann in den kommenden Rennen noch bitterer kommen. Die Fallhöhe? Ist riesig.

Ferrari ist Mythos, Magie, Legende. Der Stolz Italiens. Kult. Das wohl beliebteste Team in der Geschichte der Formel 1. Auf jeden Fall aber das emotionalste.

Und äußerst emotional geht es derzeit in Italien zu. Denn die Scuderia liegt am Boden, hat einen weiteren Tiefpunkt erreicht. In einer Saison, die so ganz anders werden sollte.

Doch Sebastian Vettel und Charles Leclerc waren beim siebten Saisonrennen in Belgien ebenso chancen- wie ratlos.

Leiden, weinen, lachen

Und das Netz leidet, weint oder lacht mit. Trauer, Mitleid, Schadenfreude - kein Rennstall polarisiert so sehr wie die Roten.
Dass das springende Pferd im Ferrari-Emblem durch eine Schnecke ersetzt wurde oder sich aus dem Staub macht, sind nur zwei der zahlreichen Seitenhiebe in Richtung Maranello.

Die Horror-Bilanz: Die Plätze 13 und 14 für Vettel und Leclerc, aufgerieben in Kämpfen auf Augenhöhe mit AlphaTauri, Alfa Romeo, Haas, ja, sogar mit Williams, und mit über einer Minute Rückstand auf Sieger Lewis Hamilton. Und hinter Kimi Räikkönen im Alfa Romeo.

Zur Erinnerung: Das ist ein Ferrari-Kundenteam.

Eine echte Klatsche. Blamabel.

Sebastian Vettel wahrt weiterhin die Contenance. Und spricht Klartext: «Das Rennen hat viele Erkenntnisse geliefert, der heutige Tag hat unser Schwächen offengelegt, Stärken gibt es im Moment keine.»

Allein auf den langen Geraden verloren Vettel und Leclerc jeweils eine halbe Sekunde, das wurde schon im Qualifying offensichtlich, der Eindruck verfestigte sich im Rennen.

Keine Wunder zu erwarten

«Wir müssen schauen, bis nächste Woche etwas gutzumachen. Wunder sind aber keine zu erwarten», so Vettel.

Die bräuchte Ferrari aber. Und das Schlimme: Es kann noch schlimmer kommen.

Die Saison sollte ja eigentlich eine große Feier werden, nicht umsonst heißt der lahmende Dienstwagen von Vettel und Leclerc SF1000. Denn Ferrari absolviert 2020 den 1000. Grand Prix in der traditionsreichen und einst so erfolgreichen Historie.

Dieser Grand Prix steht vor der Tür. Und damit die Möglichkeit, dass es noch bitterer wird.

Zunächst folgt das erste Heimspiel am 6. September beim Italien-GP in Monza. Im Highspeed-Tempel wird die Ausbeute ähnlich mager sein, weshalb es fast schon von Vorteil ist, dass Tifosi dort nicht zugelassen sind.

Am 13. September steigt dann der Toskana-GP in Mugello. Das Jubiläumsrennen. Auf dem nächsten Hochgeschwindigkeitskurs, es ist auch noch die eigene Hausstrecke.

Heißt: Auf dem Papier wieder ein hoher Blamage-Faktor. «Das ist nicht gut für die Formel 1, wo die herumfahren», sagte Mercedes-Motorsportchef Toto Wolff.

Mitleid von der Konkurrenz? Selten ein gutes Zeichen. Kombiniert mit einer eigenen Form der Schönfärberei.

Denn Ferrari-Teamchef Mattia Binotto erklärte etwas überraschend: «Wir befinden uns nicht in einer Krise.» Man sei frustriert und enttäuscht, aber in einer Krise befinde man sich nicht, so Binotto.

So schlecht wie 1981

Natürlich ist es eine: Vor allem ist es eine Saison zum Vergessen, ein Fiasko. Ohne Aussicht auf eine baldige Besserung.

Vettels Abschiedssaison wird so zur desaströsen Abschiedstour. Er flüchtet sich in Floskeln. «Wir sehen, wo wir sind, und wir versuchen, das Beste herauszuholen. Der Rest wird sich zeigen. Es ist schwer, was Erwartungen angeht. Wir bleiben weiter dran», sagte er.

Im Moment belegt Ferrari in der Konstrukteurswertung mit 61 Punkten Rang fünf. Zwei Zähler vor Renault.

Man muss in den Geschichtsbüchern lange zurückblättern, um eine Saison zu finden, an deren Ende die Scuderia ähnlich schlecht war.
Denn selbst wenn es mal mies lief, wurde Ferrari mindestens Vierter.

Man darf aber auch nicht vergessen: Bei allem Mythos, bei aller Magie - lässt man die fünf Titel durch Michael Schumacher von 2000 bis 2004 mal weg, hat Ferrari in 40 Jahren einen Titel geholt, 2007 durch Kimi Räikkönen.

Davor gelang es zuletzt Jody Scheckter 1979, im Ferrari Weltmeister zu werden.

So schlecht wie jetzt war Ferrari zuletzt 1981, als man mit Gilles Villeneuve und Didier Pironi Gesamtfünfter wurde. 1980 war es mit Villeneuve und Scheckter sogar nur der zehnte Platz. Damals der Tiefpunkt: Scheckter, zu dem Zeitpunkt amtierender Weltmeister, konnte sich für das Rennen in Kanada noch nicht einmal qualifizieren.

Das droht Vettel und Leclerc zwar nicht, dafür aber ein «Sahnehäubchen», ein finaler Schuss ins Herz der Ferrari-Fans.
Denn Weltmeister Lewis Hamilton könnte in Mugello seinen 91. Sieg feiern - und damit den Rekord von Ferrari-Legende Schumacher einstellen. Im Jubiläumsrennen. Beim Heimspiel. Welche bittere Pointe das wäre.

Schlimmer geht eben immer.

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