Formel 1: Max Verstappen – alles für die Katz

Yörn Pugmeister: Journalist, Porsche-Fan und Dichter

Von Günther Wiesinger
Der ehemalige Motorsport-Berichterstatter Yörn Pugmeister bereicherte namhafte Magazine mit seinen Storys, wurde zwischendurch PR-Chef bei Porsche, ist jetzt im Ruhestand und verrät, warum er nicht mehr schreiben kann.

Die Wochenzeitschrift Motorsport aktuell wurde im Frühjahr 1976 in Zürich gegründet. Sie entstand als Nachfolger des Automobilsport-Monatsmagazins «powerslide», dessen Chefredakteur damals Dieter Stappert war. Die Schweizer Powerslide-AG-Teilhaber Manfred Marx und Rico Steinemann sahen sich damals mit ihrem kleinen Verlag mit starker neuer Konkurrenz aus Deutschland konfrontiert – in Form der Neuerscheinungen «rallye racing» und «sport auto», die zwei finanzstarke Verlage im Hintergrund hatten.

Marx und Steinemann entschlossen sich zu einer mutigen Vorwärts-Strategie, sie stellten powerslide auf wöchentliche Erscheinungsweise um. Die Erweiterung um einen Motorradsportteil sollte auch die Anzeigenerlöse erhöhen, doch es fand sich in der Schweiz weit und breit kein Motorrad-GP-Berichterstatter. Der österreichische F1-Reporter Heinz Prüller empfahl seinem österreichischen Landsmann Dieter Stappert einen gewissen Günther Wiesinger, der dann vom ersten Juli-Wochenende 1975 bis April 2008 bei Motorsport aktuell die Motorradberichterstattung prägte und dort im Februar 1979 mit knapp 25 Jahren die Chefredaktion bis Sommer 2008 übernahm.

Die Motor Presse Stuttgart übernahm bald in der Schweiz schrittweise 40, 80 und am Ende 100 Prozent der Powerslide AG und beauftragte den sport-auto-Chefredakteur Yörn Pugmeister im Februar 1977 mit Entwicklungshilfe des vielversprechenden Projekts.

Yörn Pugmeister, der heute seinen 80. Geburtstag feiert, schritt tatkräftig ans Werk. Die Schweizer Mannschaft brachte dem deutschen Entwicklungshelfer «Pug» oder «Pugi» viel Skepsis entgegen. Ich als Österreicher hingegen freute mich aufrichtig über die Unterstützung aus Stuttgart, denn «Pugi» kannte Gott und die Welt, lieferte gute Ideen für attraktive Geschichten und schrieb die besten Storys gleich selbst, ob aus der Formel 1-, DTM-, Sportwagen- oder Rallye-Szene. Und wegen unserer bescheidenen Budgets war wichtig – er lieferte für uns alles honorarfrei!

So brachte Pugi vom DTM-Auftakt in Zolder 1977 gleich einen neuen Kolumnisten in der Person von Marc Surer mit, der damals das neue legendäre BMW-Junior-Team mit Manfred Winkelhock und Eddie Cheever bildete. Alle drei schafften später den Aufstieg in die Formel 1.

Es war ein andere Ära des Journalismus. Es fanden keine Live-TV-Übertragungen statt, es herrschte Steinzeit bei den modernen Kommunikationsmitteln, Festnetz-Telefon und Telex hieß das Gebot der Stunde. In den Wochenzeitschriften waren schwarz-weiß-Fotos an der Tagesordnung, die Filme mussten von den Rennstrecken in aller Welt in die Schweizer Redaktion transportiert werden.

Oft blieben die Filme am Wochenende bei Übersee-Rennen irgendwo bei einer Zwischenlandung im Zoll hängen, in Chicago, New York oder Frankfurt. Doch beim Formel-1-GP in Fuji/Japan 1976 gelang uns ein ganz erstaunlicher Coup. Ein Leser aus Hamburg versprach uns, er werde uns Filme aus Fuji mit einem Direktflug nach Hamburg liefern. Übergabe Montag 7 Uhr früh.

Kollege Mario Rall flog also von Zürich nach Hamburg – und brachte die Filme rechtzeitig ins Zürcher Labor.

Das Telefax löste die klapprigen Telex-Geräte erst vor rund 40 Jahren ab. «Das glaubst du ja selber nicht, dass ein Manuskript, das ich in Belgien in ein Telefax-Gerät lege, dann in Wien als Kopie herauskommt», zeigte sich ein österreichischer Kollege damals skeptisch. Er stand 1997 auch der Mobiltelefonie mit Argwohn gegenüber. «Wie soll das ohne Telefonschnur funktionieren», äußerte er sachkundige Bedenken.

Einst mussten die Texte dreimal geschrieben werden: Zuerst mit einer mechanischen Schreibmaschine, dann von einer Telex-Dompteurin, nachher ein drittes Mal von einem Schriftsetzer in Blei.

Wenn keine blecherne Telex-Kiste bereitstand, wurden in den 1970er-Jahren die Texte telefonisch übermittelt und dann mit analogen Tonbandgeräten aufgenommen. Irgendwann um 2 Uhr nachts lagen dann zehn oder zwölf Tonbänder zum Abschreiben vor jedem Redakteur, mit gelben Klebezetteln beschriftet.

Yörn Pugmeister agierte von 1971 bis 1978 erfolgreich als sport-auto-Chefredakteur. «Nach 1978 wurde ich bis 1990 Auslandschef der Motor Presse; ich wurde also verantwortlicher Leiter für sämtliche ausländischen Magazin-Entwicklungen. Ich war von 1979 bis 1986 Berater des Geschäftsführers bei der Motor Presse. Nachher wurde ich im Februar 1991 zum Mitglied der Geschäftsleitung befördert und zum zweiten Mal zum Auslandschef ernannt.»

Hier kam Yörn Pugmeister auch seine Vielsprachigkeit zugute, denn er beherrschte neben Deutsch auch Spanisch, Französisch und Englisch und konnte sich auch auf Italienisch verständlich machen.

Im Februar 1991 beendete der am 20. September in Berlin-Grünau geborene Pugmeister die Tätigkeit beim Motor Presse Verlag. «Ich bin dann von März 1991 bis März 1992 ein Jahr lang PR-Chef und Unternehmenssprecher bei Porsche gewesen», blickt Pugi auf seine bunte Berufslaufbahn zurück.

Pugmeister: «Noch ein Punkt ist mir wichtig. Es war immer mein Traum, der Firma Porsche zu dienen. Das lag einfach daran, dass ich seit 1972 nie einen anderen Wagen fuhr als einen Porsche 911. Irgendwann habe ich aus Neugier mal einen Mercedes, mal einen Ferrari, einen Land Rover und sogar einen Mini besessen, man muss das im Rückblick als fremdgehen beurteilen. Ich schätze, ich wäre noch heute bei Porsche – oder auch längst in Rente gegangen – wenn der Vorstandsvorsitzende Arno Bohn nicht ein solcher Trottel gewesen wäre, der von Porsche und vom Mythos Porsche überhaupt nichts verstand. Deshalb musste ich halt hinaus auf die Meere…»

Pugmeister weiter: «Ab Januar 1993 habe ich wieder meine Tätigkeit als Berater des Geschäftsführers der Vereinigten Motor Verlage aufgenommen. Nachher wurde ich zum Stellvertretenden Chefredakteur von ‚auto motor und sport‘ ernannt.»

Danach erfüllte sich Pugmeister einen alten Traum. «Ich habe mir ein Boot gekauft und bin damit zwei Jahre lang von 1993 bis 1995 ganz alleine um die Welt gesegelt. Meine Frau Katharina, mit der ich jetzt seit 50 Jahren verheiratet bin, ist manchmal als Besucherin gekommen, irgendwo hin, nach Neu-Kaledonien, auf die Malediven oder nach Neuseeland.»

Den Geburtstag feiert Pugi heute in seinem geliebten Frankreich, allein mit Katharina. «Wenn man so lange verheiratet ist, geht es in erster Linie um Respekt und verzeihen», sagt er.

«Noch heute trauere ich meinem wunderbaren 14 Meter langen Zwei-Master nach. Er war nicht nur schön und hat mich über zwei Jahre durch den Pazifik und den Indischen Ozean gebracht. Das Boot hieß, wie man auf meinem T-Shirt lesen kann, ‚Bremer Wappen‘. Es hieß so, weil es in Bremen geboren wurde, aber sein Riss stammt von einem der berühmtesten Weltumsegler aller Zeiten, von Eric Hiscock. Er nannte sein erstes Schiff, das damals in Holland gebaut wurde, ‚Wanderer I‘. Ich habe den Hiscock immer sehr bewundert, lernte ihn persönlich aber nicht mehr kennen, obwohl er auf seinem Schiff in Neuseeland wohnte, genau in dem Hafen Whangarai, in dem ich sehr oft gelegen habe», schilderte Pugmeister mit spürbarer Wehmut. «Eric starb auf seinem Boot ‚Wanderer V‘ im Jahr 1986, einige Jahre vor meiner Ankunft in Neuseeland.»

Nach dem Rückkehr von den Ozeanen dieser Welt schrieb Pugmeister wieder für auto motor und sport und Motorsport aktuell.

«Ich wollte jedoch mit 60 Jahren keine verantwortliche Position mehr haben, sondern mehr freier Künstler sein.»

Heute wird Pugi 80 Jahre alt. Der Tausendsassa leidet an einem «mächtig demolierten» rechten Arm, ein ärgerliches Gebrechen.

«Ich kann deshalb nicht mehr schreiben und kaum den Computer bedienen. Das ist eine Neurodegeneration. In meinem Gehirn sind irgendwelche Synapsen nicht mehr richtig verbunden. Ich habe deshalb kein richtiges räumliches Gefühl mehr. Ich muss zielen, wenn ich ein Trinkglas in die Hand nehmen. Ich kann es wohl mit der rechten Hand festhalten, aber damit ich es richtig packen kann, muss ich es sorgfältig anpeilen. Genauso geht es mit dem Besteck beim Essen. Ich komme schon klar. Aber es ist ein jämmerliches Dasein, wenn du gewohnt warst, so zu leben wie ich Jahrzehnte lang gelebt habe. Das führt dazu, dass ich nicht mehr richtig schreiben kann. Ich kann nur mehr mit Siri diktieren. Aber ich kann noch völlig klar denken und mich an alles erinnern. Ich kann alle Erlebnisse von früher erzählen. Ich habe meinen letzten Artikel zum 80. Geburtstag von Willy Kauhsen geschrieben. Das war meine Abschiedsvorstellung als Dichter.»

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