Mick Schumacher: Heimrennen lässt auf sich warten
Zuletzt waren die GP-Stars 2020 auf dem Nürburgring in Deutschland unterwegs
Gute 60 Kilometer sind es nur, ein Katzensprung also. Denn Kerpen liegt in Schlagweite des Nürburgrings. Für Mick Schumacher wäre es deshalb ohne Frage ein besonderes Heimrennen, das war es für seinen Vater schon. Auch der Hockenheimring wäre speziell, der Ort, wo Papa Michael 1995 den ersten deutschen Formel-1-Heimsieg feierte. Doch Mick Schumacher muss auf ein Heimrennen noch warten. Wie lange, das ist unklar. Denn obwohl die Motorsport-Königsklasse in der anstehenden Saison mit einem Rekordkalender von 23 Rennen aufwartet, fehlen die deutschen Traditions-Rennstrecken weiterhin.??
Zuletzt fand 2020 in der ersten Corona-Saison ein Rennen auf deutschem Boden statt, der Nürburgring sprang damals spontan ein. Doch die Zeiten, in denen die Formel 1 in jeder Saison auf beiden Strecken fuhr, sind lange vorbei. 2015 fand erstmals seit 55 Jahren gar kein Deutschland-GP statt, auch 2017 und 2021 fehlte ein deutsches Rennen im Kalender. Und das dürfte wohl vorerst so bleiben.
«Wir könnten locker auf 30 verschiedenen Rennstrecken fahren. Und zu sehen, dass aus Deutschland niemand anklingelt, ist bedauerlich», sagte Formel-1-Chef Stefano Domenicali bei «F1-Insider». Er kann es kaum glauben, dass es aus Deutschland «kein wirkliches Interesse» gebe und zeigte sich «enttäuscht und auch traurig. Das ist schade und eigentlich kaum zu glauben. Ich hoffe, dass sich das in Zukunft wieder ändert», so Domenicali.??
Er selbst hat als Ferrari-Teamchef gemeinsam mit Schumacher die Hochzeit der Formel 1 in Deutschland erlebt, als nicht nur bis zu zehn Millionen Fans vor dem Fernseher saßen, sondern auch 100.000 Fans in Hockenheim und 150.000 Menschen am Nürburgring für volle Häuser sorgten. «Die Deutschen sind leidenschaftliche Motorsportfans, die Stimmung am Nürburgring und in Hockenheim war immer fantastisch», sagte Domenicali.
?Das Problem ist aber nicht das mangelnde Interesse der Organisatoren der deutschen Strecken, sondern wie immer das Finanzielle. So konnten die Betreiber des Hockenheimrings aufgrund der hohen Antrittsgelder in den vergangenen Jahren froh sein, wenn sie eine schwarze Null erreichten.
?Wie der «Spiegel» im vergangenen September berichtete, sollen die Gebühren einen zweistelligen Millionenbetrag ausmachen, sie sind aber kaum durch Merchandising und Tickets aufzufangen. Die Betreiber sollen deshalb mit den Formel-1-Verantwortlichen angeblich über eine Risikobeteiligung gesprochen haben. Soll heißen: Ein Minus solle die Königsklasse übernehmen. Auch für die Verantwortlichen des Nürburgrings waren die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen nicht zu stemmen. Unter dem Strich kam es zu keiner Einigung zwischen den Parteien.
?Denn Formel-1-Rennen sind längst keine Selbstläufer mehr. Passend dazu schrieb zum Beispiel das Traditionsrennen in Monza in der vergangenen Saison ein fettes Minus, das bei 15 Millionen Euro lag. Stattdessen trägt die Königsklasse zum Beispiel umstrittene Rennen in Saudi-Arabien und Katar aus, wo hohe Antrittsgelder locker bezahlt werden können.
?Sebastian Vettel kann sich eine zeitnahe Rückkehr eines Rennens in Deutschland deshalb nicht vorstellen. «30 Millionen Dollar mal eben vom Staat, wie das in einigen Ländern üblich ist, wird es nicht geben», sagte der viermalige Weltmeister der «FAZ»: «Die Politik sieht wichtigere Dinge. Eine Förderung erscheint mir im Moment undenkbar.« Eine Haltungsänderung erwarte er nur dann, wenn die Formel 1 «Heilmittel anbieten könnte, Technik, die hilft, den Folgen des Klimawandels zu begegnen».
?Domenicali will es für den Anfang bei Gesprächen belassen, er will «den deutschen Markt wachrütteln» und rät dazu, in deutsche Fahrer zu investieren. Denn das Beispiel Zandvoort in den Niederlanden habe gezeigt, dass es auch ohne staatliche Hilfe gehe – dank Weltmeister Max Verstappen und die Euphorie, die er entfacht.
«Es geht darum, das Interesse zurückzubringen, das Deutschland an der Formel 1 haben sollte», sagte Domenicali: «Auch deshalb möchte ich Anfang 2022 das Gespräch mit den Promotern aber auch anderen interessierten Parteien in Deutschland suchen. Es soll eine offene Diskussion werden, um auszuloten, wie die Formel 1 nach Deutschland zurückkehren kann.» So lange muss Mick Schumacher weiter auf sein Heimrennen warten.