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Helmut Marko: Vor 50 Jahren wurde alles anders

Von Gerhard Kuntschik
Im Frankreich-GP in Clermont-Ferrand fand Helmut Markos Rennfahrer-Karriere 1972 ein jähes Ende

Im Frankreich-GP in Clermont-Ferrand fand Helmut Markos Rennfahrer-Karriere 1972 ein jähes Ende

Heute vor 50 Jahren beendete Helmut Marko mit den 1000 km auf dem Österreichring sein letztes Rennen. Der Grazer erinnert sich daran und an den darauffolgenden GP, der seiner Racing-Karriere ein jähes Ende setzte.

Frühsommer 1972. Österreichs Motorsportfans verfolgten die aufstrebenden Lokalmatadore Helmut Marko (BRM) und Niki Lauda (March) in der ersten vollen Formel-1-Saison. Lauda fuhr neben der Formel 1 auch für das March-Werksteam in der Formel 2, Marko für Alfa Romeos Werkmannschaft Autodelta in der Sportwagen-Weltmeisterschaft.

Und das tat der heutige Red Bull-Motorsportberater höchst erfolgreich inmitten zahlreicher F1-Kollegen: Vierter in Buenos Aires, Dritter in Daytona, Sechster in Brands Hatch, Zweiter in der Targa Florio, Dritter auf dem Nürburgring und nach einem Ausfall in Le Mans (als Vorjahressieger) Zweiter auf dem Österreichring.

Die Targa Florio: Da erlebte der Grazer eine Sternstunde auf dem 72-km-Straßenkurs, auf dem elf Runden mit mehrmaligem Fahrerwechsel zu absolvieren waren. Er raste mit seinem Alfa Tipo 33 bei der Aufholjagd auf den führenden Ferrari von Arturo Merzario in 33:41 Minuten um den Kurs – dieser Rundenrekord wurde bis zur Einstellung des Rennens 1977, das heute ein Oldtimerbewerb ist, nicht mehr unterboten.

Marko erinnert sich: «Obwohl wir damals jung und unerschrocken waren, dachte ich: Das kann es nicht sein, hier zu fahren! Im Training entwickelte ich eine Aversion und war langsam. 72 Kilometer, ungesichert durch die Ortschaften, die Fans alle neben der Strasse. Im Rennen sah ich plötzlich eine Siegchance, da waren alle Bedenken weg, das Renn-Tier brach durch. Wir verpassten den Sieg um wenige Sekunden.»

«Mein Partner Nanni Galli hatte einen schlechten Tag, beim Boxenstopp wurde weiter Zeit verloren. Ich war vor Kurzem in Sizilien eingeladen zu einer Feier und fuhr noch einen Teil der damaligen Strecke ab, unfassbar. Da wurde mir die Absurdität dieses Rennens noch mehr bewusst. Ich hatte keine Angst, aber ich wusste, dass es unvernünftig war. Und dann witterst du die Chance und fährst jenseits von Gut und Böse», ergänzt der Österreicher.

Nach der Targa folgten die 1000 Kilometer auf dem Österreichring. Weil Alfa plötzlich alle Autos zurückzog und bei Ferrari Clay Regazzoni wegen eines beim Fußballspielen erlittenen Handbruchs ausfiel, kam Rennleiter Peter Schetty auf Marko zu. «Ich war mit BMW vor einem Deal mit einem Chevron-BMW, als der Anruf von Schetty kam, mit dem ich schon wegen der Formel 1 im Gespräch war. Ich musste mir die Freigabe von Alfa holen, BMW war ja noch nicht fixiert.»

Eingewöhnen musste sich der damals 29-Jährige offenbar nicht, er stellte den Ferrari im Regen auf die Pole: «Das Rennen verloren wir gegen Jacky Ickx, weil wir anders übersetzt waren. Ich wurde mit Carlos Pace Zweiter, war aber der zweitschnellste der acht Ferrari-Piloten.» Es war der 25. Juni 1972.

Marko brachte die Vorstellung näher an ein F1-Engagement bei Ferrari: «Wir hatten meinen Wechsel für 1973 schon abgesprochen.» Damit wäre die Motorsport-Geschichte anders gelaufen, wäre Marko tatsächlich 1973 zu Ferrari gekommen.

Schicksalhafter GP in Clermont-Ferrand

Doch eine Woche nach dem Sportwagen-WM-Lauf in der Heimat, am 2. Juli 1972, kam der nächste Grand Prix in Clermont-Ferrand. Marko erzielte in der Qualifikation als Sechster seinen bisher besten Startplatz, war auch Schnellster der fünf (!) BRM-Piloten. «Ich bekam im letzten Moment das neue Chassis und ragte ohne Sitzeinstellung weit aus dem Auto heraus. Ich beachtete das nicht weiter, weil ich scharf drauf war, das neue Chassis zu fahren. Mit 1,83 Meter Körpergrösse ragte mein ganzer Kopf aus dem Cockpit heraus», erzählt er.

Marko holt im Gespräch noch einmal Luft: «Dann kam in der neunten Runde der Stein, aufgewirbelt vom March von Ronnie Peterson, traf durch mein Visier mein Auge. Ich brachte den BRM gerade noch zum Stehen und wollte nur raus, weil der Zwölfzylinder mit 250 Litern Sprit ja noch fast vollgetankt war und die Angst vor einem Feuer da war. Hinter mir waren 20 Autos, da hätte eine Kollision fatale Folgen gehabt. Passiert ist das Ganze bergab bei 250 km/h.»

Marko war kurz bewusstlos, wurde aus dem Auto gezogen. «Ich kannte mich überhaupt nicht aus, verspürte nur immense Schmerzen. Ich kam ins Medical Center und dann in eine Klinik. Der zuständige Arzt war an diesem Sonntag auf einer Grillparty und musste erst alarmiert werden. Es gab dann unterschiedliche Meinungen, ob das Auge zu retten gewesen wäre. Aber je länger die sensible Versorgung über die Nervenstränge unterbrochen ist, desto geringer ist die Chance.»

Marko wurde nach wenigen Tagen nach Graz überstellt. «Nach ein paar Wochen mit grossen Schmerzen und beiden Augen verbunden wurde mir klar, dass es vorbei ist mit dem Rennsport, wenn du nur auf einem Auge sehen kannst. Als ich mich damit abgefunden hatte, begann ich, mein Leben neu auszurichten.»

Ob die neun WM-Titel (fünf Fahrer, vier Konstrukteure) mit Red Bull Racing für Marko eine Genugtuung für die unvollendete eigene Fahrerkarriere sind? «Das kann man nicht vergleichen. Die WM-Titel gelangen auf der Management-Ebene. Aber sie sind natürlich eine gewisse Genugtuung. Fahrerisch wäre es etwas ganz Anderes, aber die Erfolge blieben im gleichen Sport.»

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