Vor 50 Jahren: Journalisten-Spaß vor dem Monaco-GP
Anlässlich der am Montag beginnenden Formel-1-Woche mit dem Grossen Preis von Monaco möchte ich den Speedweek-Lesern mal eine ganz besondere Reportage aus dem Jahr 1973 servieren.
Es ist Montag in Monte Carlo, der Formel-1-Tross rückt ein und bereitet sich auf den Grand Prix vor. Im Café des Paris sitzen Piloten einträchtig beieinander, diskutieren mit früh angereisten Fans und genießen noch die Ruhe vor dem Sturm.
An anderer Stelle der Stadt, unten am Hafen, ist derweil bereits Hektik ausgebrochen. Journalisten, Betreuer und Offizielle des AC Monaco wieseln um Tourenwagen im Rallyetrimm herum, man sieht BMW 2002 ti, Alfa GTA, Capri RS, Opel Ascona, GT 1900 und Commodore GSi, die Alpine-Flundern A110 und A310 und so fort. Fast alle Autos kommen aus Werksbeständen.
Die Technische Abnahme der «Monaco Trophée des Journalistes Sportifs» hat begonnen. Ein Rallye-Happening, bei dem die Schlussprüfung 1973 sogar zum ersten und einzigen Mal auf dem heiligen Formel-1-Kurs absolviert werden darf. Rund 30 Journalisten samt frei wählbarer Co-Piloten haben sich im Fürstentum eingefunden, um auf Einladung des AC Monaco eine Mini-Rallye in den Bergen oberhalb Monacos auszutragen.
Einzige Bedingung: Die jeweiligen Fahrer müssen als Wort- oder Bild-Journalisten im Besitz einer bestätigten Akkreditierung für den Formel-1-GP sein.
Die Co-Piloten, darunter übrigens auch der spätere Ferrari-General und FIA-Chef Jean Todt, dürfen hingegen frei ausgewählt werden. Todt startet als Beifahrer des Sportreporters und Lokalfavoriten Stéphane Collard (Radio Monte Carlo) in einem Autodelta-Alfa GTA. Auch Starfotograf Bernard Cahier und Autosprint-Chefredakteur Carlo Massagrande haben sich Profis für die Navigation besorgt.
Dass aber 1973 sogar Formel-1-Chauffeure bei der Abnahme, am Start oder an Service-Punkten in den Seealpen rund um den Col de Turini auftauchen und für befreundete Schreiberlinge Benzin-Vorräte bereit halten, hat es bei vorangegangenen Auflagen noch nie gegeben.
So lässt es sich beispielsweise der amtierende Weltmeister Emerson Fittipaldi nicht nehmen, eigenhändig die Startnummern auf Haube und Türen jenes Röhrl-Irmscher-Opel Ascona zu kleben, mit dem der Autor dieser Geschichte antritt.
Selbst zum Start zur ersten Nachtetappe in La Turbie steht der gute Fittipaldi samt Manager Domingos Piedade mit Getränken, Fahrtipps und Zuspruch bereit. Derweil haben sich Rolf Stommelen und Jochen Mass mit gefüllten Benzinkanistern auf den Weg gemacht. Im Bedarfsfall soll damit der deutschen Journalisten-Abordnung, darunter RTL-Mann Willi Knupp, TV-Nachrichtensprecher Jochen Breiter und die Fachzeitschriften-Redakteure Gerd Hack (ams) und Jürgen Reinke (AZ), unterwegs aus der Verlegenheit geholfen werden, nachts ohne Sprit im Nirwana zu stranden. Auch Infos zum Zwischenstand der Wertung haben die prominenten Service-Männer zur Hand.
Mittwoch am Morgen steht die Schlussprüfung an – erstmals werden drei flotte Zeitrunden auf dem GP-Kurs gefahren.
Bereits hier sickert der Name jenes Glücklichen durch, der abends im «Black Jack Club» des Casinos den dicksten Pokal erhalten sollte. Kollege Delserre vom «Nice Martin» wird tatsächlich wenig später als Gesamtsieger bestätigt. Dabei habe ich samt meiner Profi-Beifahrerin Oda Dencker-Andersson geglaubt, das Ding locker gewonnen zu haben. Aber am Ende fehlen uns rund 30 Sekunden auf den französischen Kollegen.
Dass Delserre mit seinem Triumph 2.5 in der Nacht nicht mit leergefahrenem Tank liegen bleibt, verdankt er ausgerechnet unserem Service-Kumpel Jochen Mass. Der gesteht um Mitternacht an der Bar des Hotels «Hermitage», dass er dem späteren Gesamtsieger mit Benzin ausgeholfen hat. Und schiebt kleinlaut nach: «Ich dachte doch, du liegst haushoch in Führung.» Das dachte ich auch …
Mit einer großen Gala im «Monte Carlo Sporting Club» geht der Journalisten-Spaß zu Ende. Und tags darauf am Donnerstag kehrt in Monaco mit dem ersten Training wieder der hektisch-stressige Formel-1-Alltag ein.
Immerhin findet Fittipaldi noch die Zeit, um im Vorbeigehen in voller Rennmontur nach meinem Ergebnis zu fragen. Ich berichte kurz, er antwortet ebenso knapp: «Well done, but not good enough.»
Zwei Jahre nach der 1973er-Auflage der Monaco-Journalisten-Trophy findet diese wunderbare Tradition ein trauriges Ende. AC Monaco-Mann und Touristik-Chef Joseph Georges Bertelotti, Initiator und Organisator dieser so herrlich unkomplizierten Spaß-Veranstaltung, muss sich aus gesundheitlichen Gründen zurückziehen. Bertellotti gehört zu jenen Schwerverletzten, die 1975 beim Spanien-GP von herumfliegenden Trümmerteilen des verunfallten Stommelen-Lola getroffen werden. Bertellotti hat sich von schweren Kopf- und Augenverletzungen nie erholt und ist Jahre später gestorben.