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Willy Löwinger: Ein liebenswürdiger Gauner

Von Rainer Braun
Mit Willy Löwinger starb vor zehn Jahren ein Unikat, gefürchtet, gehasst, geliebt, verehrt. Erinnerungen an einen Mann, der dem Motorsport in Österreich zu neuer Akzeptanz und Popularität verhalf.

Vor zehn Jahren starb Österreichs umtriebiger Motorsport-Macher Willy Löwinger mit knapp 97. Ohne ihn wäre der Motorsport in Österreich vielleicht nie so populär geworden. Der langjährige Präsident des ÖASC, Architekt der Europa-Bergmeisterschaft, Bauherr des Salzburgrings und Veranstalter der legendären Flugplatzrennen Innsbruck und Wien-Aspern galt in Österreich als ein Motorsport-Denkmal.

Als Funktionär, Organisator und diktatorisch residierender Präsident verhalf er dem brachliegenden Motorsport in der Alpenrepublik zu neuer Akzeptanz und Popularität. Jochen Rindt, Dieter Quester, Niki Lauda, Helmut Marko und viele andere absolvierten ihr Renn-Debüt bei Löwingers Veranstaltungen auf den Flugplätzen oder den Bergrennen Timmelsjoch, Gaisberg und Dobratsch.

Löwinger legte stets Wert darauf, im Land das alleinige Sagen in Sachen Rennsport zu haben. Eifersüchtig wachte er darüber, dass sich möglichst nichts ohne ihn in die eine oder andere Richtung bewegte. Mit Argwohn beäugte er die Entstehung des Österreichrings in Zeltweg, vorangetrieben durch die ihm verhasste «Knittelfeld-Connection» unter Präsident Dr. Tiroch. «Aber ich war schneller als die Steirer Trotteln», posaunte Löwinger im September 1969 bei der Eröffnung seines im Rekordtempo aus dem Boden gestampften Salzburgrings stolz hinaus.

Viele weitere bühnenreife Auftritte begleiteten seine Amtszeit als Präsident, Veranstalter, Macher und Manager über mehr als drei Jahrzehnte. Der «Herr Direktor», wie er sich vorzugsweise ansprechen liess, duldete keine fremden Götter und nahm für sich in Anspruch, fast alles «erfunden» zu haben, was in Österreich rannte und siegte. Rindt, Quester, Lauda, Marko, Helmuth Koinigg, Gerhard Berger und so weiter, sie alle beanspruchte er als seine «Erfindungen».

«Ohne mich und meine Rennen», pflegte er mit ewig qualmender Zigarre und vom Rauch halb zugeschwollenem rechten Auge zu sagen, «wären die doch alle zu nix gekommen. Ich habe sie ja erst berühmt gemacht, weil ich sie bei mir hab‘ starten lassen.» Fest steht zumindest, dass er engagierter Förderer der frühen Formel-V-Bewegung mit ihren berühmten österreichischen Sieg-Piloten Quester, Huber, Pankl, Marko & Co. war.

Auch die besten Rennsport-Journalisten Österreichs nahm er regelmässig ins Visier, «die wären doch ohne mich nichts, gar nichts, was hätten’s denn auch schreiben sollen ohne all meine schönen Rennen?» Dabei hat er sie alle stramm stehen lassen und bei der Akkreditierung oft genug wie Deppen behandelt, die Prüllers, Zwickls, Rottensteiners und Höfers.

Ein typisches Szenario gefällig? «Wer sind Sie, was wollen Sie, für wen schreiben Sie», herrschte Löwinger sogar Reporter an, die ihm bestens bekannt waren. Dabei ging es ihm nur ums Machtgehabe, wie auch beim Ticket für die Begleitung. «Kaufens dem Hasen a Stehplatz-Korten», beschied er barsch diesbezügliche Bitten und liess den nächsten Kandidaten zum Abwatschen vortreten.

Revanche von Niki Lauda

Selbst vor grossen Rennställen und berühmten Piloten schreckte Willy nicht zurück, zwang Teams und Fahrer mit lächerlichen Gagen an den Start und zerrte notfalls auch eigenhändig mal einen Masten Gregory aus dem Auto, weil der als Pole-Mann eines Sportwagen-Rennens ohne gültigen Parkschein ins Fahrerlager des Salzburgrings einfahren wollte.

Der Ami machte allerdings mit dem Angreifer kurzen Prozess, ging zum Gegenangriff über und würgte den Herrn Direktor solange, bis er grün und blau anlief. Erst die herbeieilende Gendarmerie verhinderte Schlimmeres und beendete das ungleiche Duell gewaltsam. Löwingers geliebte Sonnenbrille ging bei dem peinlichen Gerangel zu Bruch, ausserdem klagte der Herr Direktor über Würgemale am Hals.

Überhaupt das Kapitel Tickets und die Parkscheine, die «Pickerln», ein Schauspiel für sich. Das braune Karten-Köfferchen gab Willy nicht eine Sekunde aus der Hand, er nahm’s mit aufs Klo und nachts stopfte er es unter sein Kopfkissen im Hotelbett – es könnt’ ihm ja jemand was klauen.

Als der junge Formel-V-Debütant Niki Lauda beim Eröffnungsrennen 1969 am Salzburgring sein Ticket verloren hatte und Löwinger kleinlaut um Ersatz bat, beschied Willy dem armen Kerl: «Wannst jetzt niederkniest und sogst, Herr Direktor, i bin a Trottel, weil i mei Korten verlorn hob, dann kriegst a neie.» Worauf Niki notgedrungen tat wie ihm befohlen...

Jahre später revanchierte sich Niki als Formel-1-Pilot von Ferrari und Ehrengast eines Rennens, in dem er einem TV-Team auf die Frage wie ihm denn Salzburgring gefalle antwortete: «Das ist die längste Pissrinne der Welt.» Der Herr Direktor schäumte vor Wut...

Willy war alles in Personalunion – Diktator und Selbstdarsteller von Gottes Gnaden, liebenswürdiger Gauner und krankhafter Geizkragen, eitler Direktor und gnadenloser Pate, knallharter Verhandlungspartner und hilfsbereiter Freund. Er konnte dich wunderbar bescheissen und dir dabei das Gefühl geben, dass du grad den besten Deal der Welt mit ihm gemacht hast. Ich weiss nur zu genau, wovon ich da rede, denn auch ich gehörte zu seinen Opfern.

Willy war einfach ein Phänomen, ein unglaublicher Typ, der letzte seiner Art, gefürchtet, gehasst, geliebt, verehrt. Seinen letzten grossen Auftritt hatte Löwinger, der mit Motorsport-Legenden wie Fangio, Huschke v. Hanstein oder Carlo Abarth per Du war, an seinem 90. Geburtstag. Das Wiener Technik Museum richtete für den Jubilar ein Mega-Fest aus.

Über 100 alte Freunde, Feinde und Weggefährten folgten der Einladung, um mit ihrer Anwesenheit den grossen alten Mann des Austria-Motorsports zu ehren und in einer nicht enden wollenden Menge von Anekdoten und Erinnerungen zu schwelgen. Wenn die hohe Politik und die gesamte Motorsport-Prominenz des Landes, viele wichtige Menschen und sogar ehemalige Starter aus dem Ausland erscheinen, kann man das als Verneigung vor einem erfüllten Motorsport-Leben bezeichnen.

Und wenn die Wiener Star-Journalisten Helmut Zwickl und Heinz Prüller, die selbst oft genug unter wüsten Löwinger-Attacken gelitten haben und obendrein auch selbst nicht die besten Freunde, gemeinsam die Laudatio vortragen, dann ist das mehr als nur eine Pflichtübung, viel mehr. Es ist der Dank an einen Mann, der seinem kleinen Land zu grossem Motorsport-Ruhm verholfen hat. Willy zeigte sich damals sehr berührt und dankte allen Laudatoren und Gästen mit tränenerstickter Stimme. An diesem Abend war er der sanfteste Löwinger, denn man jemals erlebt hatte.

Mit dem «Goldenen Verdienstzeichen der Republik Österreich» und weiteren ranghohen Auszeichnungen versehen, endete sein wildes Leben ein par Monate vor seinem 97. Geburtstag friedlich in einem Pflegeheim. Auch noch zehn Jahre nach dem Tod der Kultfigur erzählen sich Zeitzeugen beim Heurigen herrliche Geschichten, die Willy’s Motorsport-Leben geprägt haben. Geschichten, die es so längst nicht mehr gibt und nie mehr geben wird.

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