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Alex Wurz: «Schlüsselmomente meines Lebens»

Von Werner Jessner
​Exklusiv auf SPEEDWEEK.com beschreibt der Österreicher pünktlich zum 50. Geburtstag Wendepunkte seiner Karriere. Was hat ihn geprägt und zum Hans Dampf in allen Motorsport-Gassen gemacht?

Ein Vormittag in Le Mans im Toyota-Zelt. Wir schreiben das Jahr 2016, die Werksteams von Porsche, Audi und Toyota kämpfen um den Gesamtsieg. Der Österreicher Alex Wurz sitzt erstmals nicht mehr selbst am Steuer, sondern ist für die Japaner in beratender Funktion vor Ort. Plötzlich rollt der führende Porsche mit der Startnummer 1 aus. Applaus brandet auf im Toyota-Zelt.

Da steht Alex Wurz auf, richtet sich zur vollen Größe auf und ergreift das Wort: Ob denn alle völlig deppert geworden seien hier. Ob sie nicht wüssten, wie hart alle für den Sieg arbeiten würden, Freunde und Gegner gleichermaßen. Was es für eine Respektlosigkeit sei, das Pech eines Kontrahenten zu beklatschen.

Betretenes Schweigen, Einsicht, eine Lektion fürs Leben für VIPs, Gäste und Team-Mitglieder gleichermaßen.

Ein klassischer Wurz-Moment: Aufstehen für den Sport, für Fairness, für Racing, für das größere Ganze.

Auf SPEEDWEEK.com schildert er zu seinem 50. Geburtstag höchst private Wegweiser seines Lebens.

Moment 1: Initialzündung

«Ich war noch ein Kind, als mir mein Cousin, der spätere Seitenwagen-Rennfahrer Michi Grabmüller, sein BMX-Rad gezeigt hat. Er hat gemeint, er würde damit bei einem Rennen antreten. So ein BMX musste ich dann auch haben, und als es schließlich da war, hat es mich motiviert wie noch nichts davor in meinem jungen Leben. Mit 12 Jahren bin dann damit Weltmeister geworden. Beim BMX habe ich gelernt, dass man alles geben muss, mehr als alle anderen, um zu gewinnen.»

Moment 2: Le Mans

«Nur durch Glück ergatterte ich 1996 in letzter Minute einen Test im Le Mans-Porsche von Reinhold Joest. Als ich abends auf der Strecke in Paul Ricard ankam, war der 24-Stunden-Test bereits in Gang. Ich kannte weder Strecke noch Auto, doch der Teammanager meinte: ‚Ein Fahrer ist krank geworden, du kannst jetzt schon loslegen.’ Auch mein Einwand, dass ich noch nie in der Nacht gefahren wäre, fruchtete nicht. ‚Egal, vergiss die Zeiten, Hauptsache das Auto fährt die Nacht durch.’ Es war alles sehr improvisiert, wahnsinnig kurzfristig. Ein Kollege erklärte mir die Strecke, dann bin ich halt rausgefahren …»

«Nach fünf Runden war ich schneller als alle anderen Fahrer bisher. Keine Ahnung, wie das ging. Das war ein Schlüsselmoment in meiner sportlichen Karriere, denn Joest war von meiner Leistung bei diesem Test so beeindruckt, dass sie mir das Cockpit für die 24 Stunden von Le Mans gegeben haben. Ohne den Einsatz und den Gesamtsieg dort mit Davy Jones und Manuel Reuter wäre ich vermutlich nie in die Formel 1 gekommen – oder vielleicht überhaupt nie Profi-Rennfahrer geworden.»

Moment 3: Formel-1-Test

«Durch den Sieg bei den 24 Stunden von Le Mans erarbeitete ich mir die Chance auf einen Formel-1-Test bei Benetton. Da war ich gleich schneller als Stammfahrer Jean Alesi. Auch an die Zeit meines Landsmanns Gerhard Berger kam ich auf Anhieb knapp heran. Genau wie bei Joest bekam ich diese eine Chance und nutzte sie. Sportlich waren das die beiden Schlüsselmomente, die mein Leben geprägt haben mit allem, was einher geht: Einblick, Weitblick, Kontakte. Darauf baut mein Leben bis zum heutigen Tag auf.»

Moment 4: Fahrtechnik-Training

«Mein Vater Franz, der dreifache Rallyecross-Europameister, hat nach seiner sportlichen Karriere Fahrtechnik-Kurse quasi von der Pike auf entwickelt und zum globalen Standard gemacht. Das hat mir gezeigt, dass man Dinge neu erfinden kann – eine inspirierende Erfahrung. Ich war als Kind hautnah dabei und habe ihm im Fahrtechnik-Zentrum geholfen.»

«Wichtiger als das Taschengeld, das ich dadurch verdient habe, war, was ich über das Zusammenspiel von Fahrer, Reifen, Auto und Fahrbahn gelernt habe. Das hat mir später sehr viel gebracht. Von den Instruktoren bekam ich mit, wie sie den Teilnehmern erklären, was im Auto passiert. Im Prinzip ist es dasselbe Spiel wie zwischen Rennfahrer und Ingenieuren. Die wissenschaftliche Seite des Autofahrens habe ich schon damals verinnerlicht.»

Moment 5: Diagramme mit Toto

«Toto Wolff und mich verbindet eine lange gemeinsame Geschichte und Freundschaft. Einst waren wir Teamkollegen in der Formel Ford. Jahre später saßen wir in einer Taverne in Barcelona und redeten über unser Leben vom LKW bei Lechner Racing bis jetzt. Wir verglichen unsere Kontostände und unser Einkommen.»

«Wir analysierten einander völlig transparent, und ich begann, Blasen-Diagramme aufzuzeichnen: Wie viele Dinge ich mache im Leben, wie viel Zeit ich dafür aufwende und wie viel Geld dabei rauskommt. Dann machte er dasselbe für sein Business. Als wir die Blasen verglichen, konnten wir die Größe der jeweils anderen Blasen nicht verstehen – bis sich herausstellte, dass Toto seine nach Einkommen oder potenziellem Einkommen gezeichnet hatte, ich nach Zeitaufwand.»

«Auch heute arbeite ich primär nach dem Prinzip des Zeitaufwands. Doch damals wurde mir klar, dass der innere Antrieb bei allen Menschen anders ist. Das ist ja auch voll cool und okay so. Der Tag mit Toto in der Taverne hat mich gelehrt, auch aus der Sicht des Anderen zu denken.»

Moment 6: Training mit Toni

«Toni Mathis kennengelernt zu haben und lange Jahre mit ihm zu trainieren, das hat mich geprägt. Der Vorarlberger ist dabei weit mehr als ein Trainer nur für den Körper. Er hat mir viel gezeigt, das ich mit auf meinen Lebensweg nehmen konnte. Heute weiß ich meine Rennfahrer-Söhne Charlie und Oscar bei ihm in besten Händen. Durch Toni habe ich einst Markus Rainer kennengelernt, einen Südtiroler Mountainbiker. Gemeinsam haben wir Rainer-Wurz gegründet, lange Jahre eines der erfolgreichsten Rennteams im Mountainbike-Weltcup. Es waren Mega-Zeiten in meinem Leben.»

Ewiger Moment: Julia

«Meine Frau Julia, die ich als Rennfahrer bei Benetton in der Formel 1 kennengelernt habe, ist mein Lebensmittelpunkt. Ich bin ein Familienmensch, unsere Familie ist mir unheimlich wertvoll. Worum geht es im Leben? Ich beantworte diese Frage für mich so: Mein Daseinszweck auf dieser Welt ist es, Nachwuchs zu erzeugen und ihm Werte, Ziele und Pflichtbewusstsein weiterzugeben, damit unsere Welt und das Leben weitergehen.»

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