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Vettel: «Was ist eigentlich los mit unserer Welt?»

Von Andreas Reiners
Sebastian Vettel

Sebastian Vettel

Sebastian Vettel hat sich schon während seiner aktiven Formel-1-Zeit für Umweltschutz und den Kampf gegen den Klimawandel eingesetzt. Die F1 nimmt er weiterhin in die Pflicht.

Sebastian Vettel ist nach der Saison 2022 aus der Formel 1 zurückgetreten. Ein Comeback hat er zuletzt in der NZZ nicht ausgeschlossen. Im Interview mit der Zeitung hat er allerdings auch andere interessante Dinge verraten.

Zum Beispiel, wie es bei ihm dazu kam, dass er sich mehr und mehr dem Umweltschutz verschrieben, sich für den Kampf gegen den Klimawandel eingesetzt hat. Oft ist es ja so, dass es ein einschneidendes, prägendes Erlebnis gab, das zu Veränderungen geführt hat.

Bei Vettel gab es nicht den einen Moment, an dem es Klick gemacht hat. «Mit zunehmendem Alter nimmt man Dinge anders, stärker wahr. Wenn in der Formel 1 von Zukunft gesprochen wird, dann ist damit die nächste oder die übernächste Saison gemeint. Alles andere war sehr abstrakt, Zukunft nur eine Definition im Duden. Aber schwups bekommt man Kinder, will für sie da sein und sie möglichst den Rest ihres Lebens beschützen. Leben passiert, so entsteht eine reale Zukunft, das Wort wird plastisch. Und irgendwann habe ich gedacht: Stopp, irgendwas stimmt hier nicht», erklärte Vettel.

Er stellte sich zahlreiche Fragen: «Was ist eigentlich los mit unserer Welt? Gibt es nicht viel Wichtigeres als das, was mir bisher wichtig war? Ich bin ein sehr neugieriger Mensch und stelle dann schnell auch Fragen an mich selber und andere. Und plötzlich hat sich eine riesige Welt vor mir aufgetan – mit riesigen Problemen.»
Bei Vettel verzog sich ein großer Wandel, der viermalige Weltmeister recherchierte zu den Themen, die ihn abseits der Formel 1 interessierten. So fing er zum Beispiel an, aufzuschreiben, wie er sich fortbewegt.

«Und schon beim Sammeln von Daten und Informationen habe ich begonnen, mein Leben umzustellen. Ich bin nicht mehr im Privatjet geflogen, was früher aus Zeitgründen und wegen des Komforts gang und gäbe war. Und siehe da: Es war kein Problem, am Flughafen mit allen anderen in der Schlange zu stehen«, sagte er.

Auch zwölf Stunden im Auto nach Barcelona hätten seiner Rennvorbereitung nicht geschadet, so Vettel, «vielmehr haben wir es genossen, unterwegs haltzumachen und zum Beispiel Avignon zu entdecken. Die Sachen, auf die ich verzichtet habe, waren keine Freiheiten, sondern Gewohnheiten».

Vettel betont, dass er nicht zu denjenigen gehört, die «aufstöhnen und sich krank fühlen», wenn ein Auto an ihnen vorbeifährt. Und er verstehe auch, dass es vielen Menschen Angst mache, wenn sich etwas ändere. «Aber so verpassen sie die Möglichkeit, wie viel besser es auch für sie sein könnte, wenn die Städte lebenswerter, sicherer, sauberer werden.»

Vettel fragt daher: «Wie würden aber unsere Städte aussehen, wenn es durch intelligente Mobilität z. B. keine Parkhäuser mehr brauchte? Es wird radikale Veränderungen auch im Stadtbild geben, wie damals, als die Autos das Pferd ersetzt haben.»

E-Mobilität ist «eine Lösung», so Vettel. Vor allem die Effizienz des Antriebs spreche dafür und Sinn mache das Elektroauto vor allem in den Städten Sinn, und auch sonst werde es eine zentrale Rolle spielen, so der Deutsche. «In dem Thema steckt noch viel Bewegung, auch was die Fragen nach den Rohstoffen, der Entsorgung und dem Energieaufwand bei der Herstellung angeht. Aber auch die Materialien für den Verbrenner kommen ja irgendwoher.»

Dass die Reichweite verbunden mit dem noch nicht gut genug ausgebauten Netz an Ladestationen Menschen von einem E-Auto-Kauf abhält, siegt Vettel locker. «Das mit der Reichweite lässt sich planen, die wenigsten stehen morgens auf und sagen: Heute will ich spontan nach Paris und wieder zurück. Was die angeblich fehlenden Emotionen beim Fahren angeht, kann ich Ihnen sagen: Doch, man spürt etwas. Eigentlich möchte ich nichts mehr anderes fahren, es fährt sich so angenehm. Es gibt noch Herausforderungen, aber die können gelöst werden. Die Frage ist ja: Was wäre die Alternative?»

Vettel hatte in den letzten Jahren seiner aktiven Zeit bei der Formel 1 immer wieder den Finger in die Wunde gelegt und Veränderungen gefordert. Denn er findet, dass sich die Motorsport-Königsklasse dem sich ändernden Zeitgeist nicht verschließen kann.

«Die Formel 1 kann sich nicht mehr vor den grossen Themen unserer Zeit drücken. Ich erinnere mich noch daran, was uns bei den Medienschulungen in den Nachwuchsserien eingetrichtert wurde: zu den Themen Sex, Geld und Politik keine Stellung nehmen, keine Meinung haben, am besten nichts sagen. Das kann sich heute keiner mehr leisten, eine ganze Sportart schon gar nicht. Es gibt da schon Themen, denen sich die Formel 1 stellen muss», so Vettel.

Er sieht dabei den Antrieb als zentralen Punkt, auch wenn der nur einen vergleichsweise geringen Anteil der Emissionen ausmacht. «Aber der Motor prägt das Image. Ich sehe darin eine Riesenchance für die Formel 1, mit gutem Beispiel voranzugehen, statt auf etwas Altem herumzureiten. Sonst sehe ich die grosse Gefahr, dass der Motorsport auf Dauer vom Aussterben bedroht ist, wenn er immer noch Dinge mit sich bringt, die von der Gesellschaft nicht mehr akzeptiert werden», sagte Vettel, der auf Deutschland verweist.

Denn die Formel 1 hat hierzulande einen schweren Stand. «Ist das nur, weil gerade kein Deutscher gewinnt, oder ist das Land in dieser Hinsicht ein bisschen weiter und beschäftigt sich mit anderen Themen?», fragt Vettel, der sich weiter in der Formel 1 engagiert. 2023 hatte er in Suzuka ein Umwelt-Projekt eröffnet, an der Strecke Insektenhotels erbaut. «Der Verlust der Biodiversität ist ein sehr ernstes Thema. Für die neue Saison habe ich auch einige Ideen. Deshalb rede ich auch mit Formel-1-Chef Stefano Domenicali, was man machen kann», sagte er.


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