Dr. Marko: «Das war der Grundstein für den Sieg»
In Spanien hatte Max Verstappen nicht das schnellste Auto und er fuhr auch nicht von der Pole-Position los, dennoch konnte er den Sieg erringen, und das schaffte er aufgrund des unglaublichen Überholmanövers an George Russell in der dritten Runde. Er konnte dadurch an der Spitze fahren und da hat er wieder einmal bewiesen, welches Gespür er hat und wie gut er das Rennen lesen kann. Das war der Grundstein für den Sieg.
Das schnellste Auto hatte McLaren, denn wir sind am Freitag wieder mit einem nicht ausbalancierten Auto an die Strecke gekommen und brauchten bis zum Qualifying, um es halbwegs konkurrenzfähig zu machen. Das konnte man schon bei den Longruns am Freitag sehen, da war McLaren deutlich schneller als wir. McLaren hat derzeit einfach das Auto, das mit jedem Reifen auf jeder Rennstrecke funktioniert, und das mehr oder weniger auf Anhieb.
Max machte aber wieder einmal den Unterschied, er hat mit einem Auto, das nicht das schnellste war, den Sieg geholt. Er startete auf gebrauchten Reifen, während Lando neue am Auto hatte. Letzterer drängte Max dann mit einem Manöver, das mehr als grenzwertig war, aufs Gras.
Dadurch hat er dann die Tür für Russell geöffnet, der auf dem relativ langen Weg zur ersten Kurve den Windschatten optimal nutzte, um in Führung zu gehen. Ich glaube, wenn Lando beim Start vorne geblieben wäre, dann hätten wir das Rennen nicht gewonnen. Aber durch den Start fiel er auf die dritte Position hinter Russell und Max zurück.
In der dritten Runde war Max dann beim DRS-Messpunkt so nah dran, wie man nur sein konnte, die Reifen waren noch in einem optimalen Zustand und er hatte eine volle Batterie. Zudem konnte er das DRS nutzen, das alles erlaubte es ihm, Russell aussen zu überholen – und dies tat er mit einer unglaublichen Bestimmtheit, es war ein sehr gekonntes Überholmanöver.
Max war da spät auf der Bremse – ähnlich wie später im Rennen Lewis Hamilton, als er an Carlos Sainz vorbeigezogen ist. Der Speed-Unterschied war nicht so gross, denn sonst hätte sich etwa Sergio Pérez nicht so schwer getan, im Mittelfeld nach vorne zu rücken.
Auch die Strategie war optimal, denn es war klar, dass es bei einem halbwegs normalen Rennverlauf eine 2-Stopp-Strategie werden würde. Das haben wir dann auch umgesetzt. Bei Sergio haben wir umgestellt, aber er hatte auch einen ganz anderen Reifenverschleiss, weil er im Verkehr unterwegs gewesen war und lange hinter Nico Hülkenberg festhing.
Das Wichtigste war, vorne zu bleiben und durch die Boxenstopps nicht zu stark in den Verkehr zu geraten. Das ist uns optimal gelungen, auch wenn die Strategie den kleinen Nachteil barg, dass Max am Ende auf älteren Reifen als Norris unterwegs gewesen war. Aber Lando kam nie in den DRS-Bereich und wir haben den Abstand im Auge behalten, das war die Basis für das Renntempo und die Boxenstopp-Entscheidungen von Red Bull Racing.
Auch die Reifenwechsel liefen sehr gut ab, ich kann mich nicht erinnern, wann wir letztmals einen Boxenstopp vermasselt haben. Das Lob geht an Sportchef Jonathan Wheatley und seine motivierte Mechaniker-Crew. Das ist ein eingespieltes und gut trainiertes Team. Auch Hannah Schmitz gebührt ein Lob, sie trifft immer klare Entscheidungen.
In Spielberg erwartet uns eine weitere Herausforderung. Max hat immer Chancen auf den Sieg, aber wir werden dort ein Wochenende im Sprint-Format austragen, und das heisst, dass uns nur eine Session bleibt, um das Auto abzustimmen. Zuletzt hatten wir aber immer alle drei Trainings gebraucht, um das Auto halbwegs in die Balance zu bringen, wenn dieses Problem weiter besteht, dann könnte uns dies das Leben schwer machen.
Und voriges Jahr kam die Auferstehung von McLaren am Red Bull Ring. Dort haben sie ihr Upgrade gebracht und von da an waren sie schnell. Allerdings fährt Max praktisch fehlerfrei, das kann Lando Gottseidank noch nicht, er bleibt aber unser Hauptkonkurrent. Ich hoffe deshalb, dass Mercedes stärker wird und eine Zeit lang zweitstärkste Kraft sein wird, das würde uns mit Blick auf die WM sicher helfen.
Pérez hat mit dem achten Rang das erreicht, was von Startplatz 11 möglich war, denn seine grosse Stärke ist der schonende Umgang mit den Reifen. Diesen Vorteil konnte er aber nicht nutzen, weil er im Verkehr unterwegs war. Wenn du um Platz 10 herum fährst, kannst du nicht mehr die Reifen schonen, du musst alles geben, um nach vorne zu kommen. Zudem haben wir nicht die gleiche Überlegenheit, die wir im Vorjahr hatten, das sind drei oder vier Zehntel unterschied, und das bedeutet dann, dass man nicht von Startplatz 3 oder 4 losfährt, sondern von Position 7 oder 8.
Bei den Racing Bulls funktionierte der neue Heckflügel nicht richtig, deshalb mussten sie den alten einsetzen. Das Problem lässt sich bis zum Rennwochenende in Spielberg beheben. Aber ob das die Ursache dafür war, dass das Upgrade nicht funktioniert hat, wird sich erst zeigen. Sicher ist, dass sie mit dem Auto einen richtigen Performance-Absturz gemacht haben, das war ein echtes Downgrade. Die Fahrer waren damit beschäftigt, das Auto halbwegs auf Touren zu bringen, da war nie die Chance auf Punkte vorhanden.