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Dr. Helmut Marko: Analyse Kollision Verstappen/Norris

Von Dr. Helmut Marko
Max Verstappen gegen Lando Norris

Max Verstappen gegen Lando Norris

​Red Bull-Motorsportberater Dr. Helmut Marko beleuchtet exklusiv für SPEEDWEEK.com das packende Duell zwischen Max Verstappen und Lando Norris im Österreich-GP, leider mit unglücklichem Ausgang.

Max Verstappen gegen Lando Norris auf dem Red Bull Ring, das war ein rundenlanges, intensives Duell, Racing pur. Eine wahre Freude, die sich bei mir allerdings zu trüben begann, als Norris sich am Funk viel zu weinerlich zu beschweren anfing – Max mache dies, Max mache das.

Ich habe Lando Norris bislang sehr geschätzt, aber es ist für mich eine leichte Enttäuschung, bei einem Duell am Funk so zu jammern.

Dazu muss man festhalten: Du bremst Kurve 3 aus über 300 Sachen an, die Oberfläche ist in der Bremszone relativ wellig, dazu kommt die recht markante Steigung. Alles Voraussetzung also, um einen Rennwagen unruhig zu machen.

Wir haben erlebt, wie es dann in Runde 65 an jener Stelle zur Kollision kam. Das kann passieren und ist mir letztlich lieber als ein fades Rennen innerhalb von ohnehin viel zu komplizierten Regeln in der Formel 1. Ich bin ein Anhänger des Mottos: Lasst sie kämpfen.

Letztlich fand die FIA, Verstappen müsse die Schuld für die Kollision auf sich nehmen. Aber man muss auch in Betracht ziehen, was sich zuvor abgespielt hat. Die Leute vergessen vielleicht, dass Norris kein Kind von Traurigkeit ist. Ich erinnere an den Start in Spanien, wo er Max in die Wiese gedrängt hat. Damals gab es weder Aufschrei noch Sanktionen.

Letztlich in Österreich ein tolles Duell, das sogar noch weiter ging, als die beiden mit kaputten Autos und Reifen so schnell es geht zur Box zurückfuhren. Ich fand das tollen Rennsport – leider mit unglücklichem Ausgang.

Wir waren überrascht, dass uns Alonso zum Schluss noch die beste Rennrunde weggeschnappt hat. Das zeigt, dass der Wagen von Max bei der Kollision etwas abbekommen hatte, denn sonst hätte es für die schnellste Runde reichen müssen.

Vielleicht hätte das alles anders enden können. Ich hätte mir zum Beispiel gewünscht, dass die Pistengrenzen-Strafe für Norris schneller ausgesprochen wird, dann wäre es nicht zu dieser Eskalation gekommen. Mit allen Mitteln, welche die Rennleitung zur Verfügung hat, hätte da schneller entschieden werden müssen.

Gleichzeitig hätten wir Max auch sagen können, dass gegen Lando eine Untersuchung laufe und Norris wohl mit grosser Wahrscheinlichkeit eine Strafe erhalten werde, dass Max daher seinen Gegner ziehen lassen solle. Aber so etwas passt nicht zur DNA eines Max Verstappen.

Wir werden nie erfahren, ob Norris versucht hätte, an die Spitze zu gehen und dann um fünf Sekunden wegzufahren, um eine Strafe wettzumachen. Was ihm meiner Ansicht nach gegen Verstappen nicht gelungen wäre. Aber das hat eben auch zu dieser Zuspitzung beigetragen.

Max und Lando waren am, teilweise über dem Limit, aber wir dürfen auch nicht vergessen: Es wird dort auf niedrige Geschwindigkeit heruntergebremst, kein Gegner war in der Nähe, die Auslaufzone ist gross, eine richtige Gefahr bestand nicht. Also wieso die beiden das nicht ausfechten lassen?

Die zehn Sekunden Strafe für Max waren für mich nicht nachvollziehbar, denn meiner Meinung nach hat da eher Lando überzogen. Er war ja nicht aus Zufall zwei Mal jenseits der weissen Linie.

Das Rennen zeigt auch: Wir können uns im WM-Kampf keine Fehler leisten. Max hatte einen Vorsprung von ungefähr sieben Sekunden herausgefahren. Damit war er gegen jede Form von Unter- oder Überschneiden abgesichert, und zu diesem Zeitpunkt sah es für uns sehr gut aus.

Dann kam leider ein schlechter Boxenstopp, wobei ich betonen möchte: Wir haben davor rund fünfzig Boxenstopps absolviert, alle im Bereich zwischen zwei und drei Sekunden. Dass dann früher oder später auch mal eine Mutter klemmt, darf kein Grund für Vorwürfe sein. Denn wir haben von der Red Bull Racing-Mannschaft viele Reifenwechsel erlebt, die uns den Sieg ermöglicht haben. Die Jungs machen einen tollen Job, so etwas kann passieren.

Aber das hat eben auch dazu beigetragen, dass Max auf einmal in Bedrängnis kam. Zu diesen Faktoren kam ferner ein Verbremser von Max in Kurve 4. Somit kam Norris nahe genug heran, um den Heckflügel seines Autos gegen Verstappen flachstellen zu können.

Ein anderer Faktor: Wir hatten für den letzten Teil des Rennens nur noch einen Satz gebrauchter mittelharter Reifen zur Verfügung. Wir hatten unserem Wetterbericht vertraut, der für Sonntag mehr als 30 Grad und damit eine deutlich höhere Pistentemperatur ankündigte. Daher setzten wir auf die harten Reifen. Doch mit vielen Wolken und weniger warmer Bahn war die harte Mischung nicht das Optimum.

Unsere Idee war die richtige gewesen, aber man kann nicht alles im Detail vorhersehen, so wie der stärkere Wind und die dichtere Bewölkung, so dass die Rennstrecke eben weniger aufgeheizt wurde.

In Sachen Reifenmischungen legt man sich am Freitag fest, und zu diesem Zeitpunkt und basierend auf der Wetterprognose war der harte Reifen die bessere Wahl.

Wir hatten nun erstmals seit China ein durchs Band gutes Wochenende. Danach hatten wir oft an den GP-Wochenenden einige Male das Problem, dass wir mit dem Wagen erst in Q3 eine halbwegs gute Balance gefunden haben. Nun sind wir zum Red Bull Ring gekommen, und das Auto lag vom ersten Training an gut, mit Feinabstimmung wurde es immer besser.

Die Pole-Zeit von Max mit vier Zehntelsekunden Vorsprung auf so einer kurzen Runde, das war eine unglaubliche Machtdemonstration. Das hat uns intern positiv überrascht. Ob wir nun bei der Problemlösung auf dem richtigen Weg sind, das wird sich an den Wochenenden in Silverstone und Budapest zeigen.

Sergio Pérez war auch im Qualifying phasenweise gut unterwegs. Wenn er seine besten Sektorzeiten in eine Runde hätten packen können, dann wäre der fünfte Startplatz herausgesprungen, das wäre bei den engen Abständen in Ordnung gewesen für einen bekannt nicht so guten Qualifyer.

Im Rennen hatte Pérez nach Kurve 1 und einer Berührung mit Leclerc eine massive Beschädigung an der Karosserie, der Wagen untersteuerte in der Folge massiv. Leider handelt es sich um Teile, die sich während eines Rennens nicht wechseln lassen. Aber wir brauchen nun von Sergio Leistung, denn es kann nicht sein, dass er hinter einem Haas-Rennwagen ins Ziel kommt.

Ein Wort zu den Racing Bulls: Die zahlreichen Verbesserungen haben in Österreich besser funktioniert als in Spanien. Mit dem neuen Heckflügel ist das Paket besser geworden, und letztlich hat Daniel Ricciardo einen unerwarteten neunten Platz erobert. Auch die Quali-Ränge 11 und 14 sind ein deutlicher Fortschritt gegenüber Barcelona. Damit waren die Racing Bulls wieder vor Aston Martin, gleichzeitig ist die Steigerung von Alpine erstaunlich.

Was ist fürs kommende GP-Wochenende von Silverstone zu erwarten? Wir bekommen für diese sehr schnelle Strecke ein Update, das sich auf der Stoppuhr deutlich auswirken sollte. Nachdem die Abstimmung schon in Österreich so gut funktioniert hat, hoffen wir natürlich, dass wir zur alten Stärke zurückfinden.

Aber nochmals: Es muss alles stimmen, um den ersten Platz zu erobern. Denn der McLaren hat sich als Auto erwiesen, das – wie bei uns im Vorjahr – auf allen Strecken, mit allen Reifenmischungen und bei jeder Umgebungstemperatur sehr gut funktioniert.


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