Lewis Hamilton: «Nach dem Sieg weinen, das ist neu»
Lewis Hamilton, Sieger des britischen Grand Prix 2024
Lewis Hamilton schämte sich seiner Tränen nicht. Der Mercedes-Superstar musste unfassbare 946 Tage warten, bis er wieder einen Grand-Prix-Sieg feiern durfte, vom 5. Dezember 2021 in Jeddah zum 7. Juli 2024 in Silverstone, ausgerechnet Silverstone, wo er nun zum neunten Mal gewonnen hat, das ist Formel-1-Rekord (Michael Schumacher hat acht Mal in Magny-Cours triumphiert).
Lewis erzählt: «Dieser Sieg ist mit keinem anderen zu vergleichen, vorrangig deshalb, weil ich so lange auf ihn warten musste. Es war 2021 nicht einfach, den Titelverlust zu verkraften. Dann kam 2022 die Umstellung auf die Flügelautos, und wir hatten in den letzten Jahren nur selten ein siegfähiges Auto. Diese Phase war für alle in der Mercedes-Mannschaft eine grosse Herausforderung.»
«Wenn du über einen so langen Zeitraum nicht gewinnst, dann schleichen sich Zweifel ein. Es ist nicht leicht zu verkraften, dass du zwar alles gibst, aber es reicht ein ums andere Mal einfach nicht. Das war mental schwierig, und es gab wirklich Momente, als mir durch den Kopf ging – vielleicht gewinne ich nie wieder einen Grand Prix.»
«Dann begann 2024 mit einer sehr grossen Entscheidung, dass ich nach all diesen Jahren das Team verlassen werde und zu Ferrari gehe. Es folgte der Rückschlag, dass auch der neue Wagen zunächst zu wenig konkurrenzfähig war. Wenn sich dann die ganze Mannschaft so reinhängt, um dir ein schnelles Auto hinzustellen und der erste Sieg nach so langer Zeit ausgerechnet vor dem Heimpublikum in Silverstone kommt, dann ist das kaum zu toppen.»
«Es ist immer ein grandioses Gefühl, auf dieser Bahn zu fahren, aber wenn du dann auf den Tribünen die ganzen Fans siehst, wie sie darauf reagieren, dass du das Rennen anführst, dann ist das nicht zu toppen. Das ist einfach die beste Strecke der Welt für mich.»
Dabei sah es eine ganze Weile nicht nach einem Sieg von Hamilton aus. Zunächst zwei Mercedes vorne, aber dann rückten die McLaren vor.
Lewis fährt fort: «Im ersten Teil des Rennens hat der Wagen für meinen Geschmack ein wenig zu sehr untersteuert. Niemand wusste, wie lange man auf Trockenreifen draussen bleiben würde, bevor der erste Regen kam. Ich versuchte, an George Russell dranzubleiben.»
«Dann sah ich, wie der Regen kommt und ich dachte – das ist meine Chance.» Lewis beginnt zu schmunzeln: «Und was passierte als Erstes? George und ich fuhren beide in Copse geradeaus!»
«Den letzten Wechsel auf die weichen Reifen haben wir perfekt hinbekommen. Das hat die Weiche zum Sieg gestellt, als wir da McLaren unterschnitten haben. Eine strategische Meisterleistung.»
«Der Wechsel von Intermediates zurück auf Slicks, das war eine ganz knifflige Sache. Denn einige Passagen waren noch nass, andere trocken. Die linken Reifen wurden arg hergenommen. Dann ging es nur ums Timing. Hätte Lando vor uns angehalten, dann wäre es für uns sehr schwer geworden, ihn auf der Bahn zu überholen.»
«Aber als ich an die Box kam und sah, dass er auf der Bahn bleibt, da wurde mir sofort klar, dass wir eine Chance haben, die Führung an uns zu reissen.»
«Anschliessend konnte ich Norris gut unter Kontrolle halten. Zwischendurch hat er schnelle Runden gedreht, schneller als ich es konnte. Dann bekam Lando aber das Problem Verstappen, und ich musste nun auf Max achtgeben. Ich gab alles, um den Abstand bei ungefähr drei Sekunden zu halten. Es war für die weichen Reifen an diesem Tag die perfekte Länge eines Einsatzes. Hätte der Grand Prix sagen wir noch fünf Runden länger gedauert, weiss ich nicht, wie das ausgegangen wäre.»
Wie geht das nun weiter?
Lewis glaubt: «Ich kann diese Mannschaft nicht ausführlich genug loben, hier an der Strecke und im nahen Rennwagenwerk. Sie haben sich von den ganzen Rückschlägen nie unterkriegen lassen, sie haben immer fest daran geglaubt, dass wir wieder auf die Siegerstrasse zurückkehren würden, und das ist uns endlich gelungen.»
«Schon der Sieg von George in Österreich war der Hammer, aber jeder wusste – vom Speed her hatten wir den nicht verdient. Das ist hier in Silverstone ganz anders. Wir haben beide Autos in die erste Startreihe gebracht, wir haben das Rennen angeführt. Wir sind wieder da.»
Selten hat Lewis Hamilton nach einem Erfolg so emotional gewirkt. Der siebenfache Weltmeister heulte während der Auslaufrunde ungehemmt, das passte, denn auch sein treuer Renningenieur Peter «Bonno» Bonnington schluchzte am Funk.
Lewis, fast ein wenig verlegen: «Nach dem Sieg so zu weinen, als ich die Ziellinie gekreuzt hatte, das ist neu. Es kam einfach über mich und hat sich gut angefühlt.»
«Das liegt gewiss an der langen Dauer seit dem letzten Triumph, das liegt an Silverstone, aber das liegt auch an meiner Familie, die hier ist. Ich finde es fabelhaft, dass mein Vater an so einem wichtigen Tag hier gewesen ist und meine Mutter.»
«Wir reisen so viel, da ist es nicht leicht, Zeit für die Familie zu finden. Und Eltern werden älter. Meine Nichten und Neffen wachsen so schnell. Ich weiss, dass dies mein letztes Silverstone-Wochenende mit Mercedes ist, also wollte ich sie hier dabei haben. Diesen Tag mit ihnen zu teilen, das bedeutet mir sehr viel.»
Grossbritannien-GP, Silverstone Circuit
01. Lewis Hamilton (GB), Mercedes, 1:22:27,095 h
02. Max Verstappen (NL), Red Bull Racing,+1,465 sec
03. Lando Norris (GB), McLaren, +7,547
04. Oscar Piastri (AUS), McLaren, +12,429
05. Carlos Sainz (E), Ferrari, +47,318
06. Nico Hülkenberg (D), Haas, +55,722
07. Lance Stroll (CDN), Aston Martin, +56,569
08. Fernando Alonso (E), Aston Martin, +1:03,577 min
09. Alex Albon (T), Williams, +1:08,387
10. Yuki Tsunoda (J), Racing Bulls, +1:19,303
11. Logan Sargeant (USA), Williams, +1:28,960
12. Kevin Magnussen (DK), Haas, +1:30,153
13. Daniel Ricciardo (AUS), Racing Bulls, +1 Runde
14. Charles Leclerc (MC), Ferrari, +1 Runde
15. Valtteri Bottas (FIN), Sauber, +1 Runde
16. Esteban Ocon (F), Alpine, +1 Runde
17. Sergio Pérez (MEX), Red Bull Racing, +1 Runde
18. Guanyu Zhou (RCH), Sauber, +1 Runde
Out
George Russell (GB), Mercedes, Wasser-Kreislauf
Pierre Gasly (F), Alpine, Getriebe
WM-Stand (nach 12 von 24 Grands Prix und 3 von 6 Sprints)
Fahrer
01. Verstappen 255 Punkte
02. Norris 171
03. Leclerc 150
04. Sainz 146
05. Piastri 124
06. Pérez 118
07. Russell 111
08. Hamilton 110
09. Alonso 45
10. Stroll 23
11. Hülkenberg 22
12. Tsunoda 20
13. Ricciardo 11
14. Oliver Bearman (GB) 6
15. Gasly 6
16. Magnussen 5
14. Albon 4
18. Ocon 3
19. Zhou 0
20. Sargeant 0
21. Bottas 0
Konstrukteurspokal
01. Red Bull Racing 373 Punkte
02. Ferrari 302
03. McLaren 295
04. Mercedes 221
05. Aston Martin 68
06. Racing Bulls 31
07. Haas 27
08. Alpine 9
09. Williams 4
10. Sauber 0