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Hitze beim Ungarn-GP: So leiden Fahrer und Rennwagen

Von Mathias Brunner
Logan Sargeant nach dem Katar-GP 2023

Logan Sargeant nach dem Katar-GP 2023

​Beim Sommer-GP von Ungarn haben wir schon Temperaturen bis zu 40 Grad erlebt. Der Hungaroring kann sich leicht auf über 60 Grad aufwärmen. Was das für Fahrer und Rennwagen bedeutet.

Silverstone ist in Sachen Wetter eine Wundertüte, der englische Sommer kann da leicht mal 20 Grad und Regen bedeuten. Ganz anders beim kommenden GP-Wochenende ausserhalb von Budapest: Der GP-Klassiker auf dem Hungaroring findet in der Regel bei Hochsommerwetter statt, auch dieses Mal mit Temperaturen von 36, 37 Grad.

In den letzten Jahren wurden auf der ungarischen Rennstrecken Pistentemperaturen gemessen von bis zu 62 Grad. Der dreifache GP-Sieger Johnny Herbert hat dazu erklärt: «Vorne liegen werden jene Fahrer, welche am besten verhindern, dass ihre Reifen überhitzen, vor allem die Hinterreifen leiden hier. Der Grand Prix wird vom Umgang mit den Pirelli-Walzen dominiert.»

So mancher Fan wird sich die Frage stellen: 62 Grad, ist das für die Formel 1 ein Rekord? Möglicherweise kann diese Frage nie schlüssig beantwortet werden, weil zu Beginn der Formel-1-Geschichte keine genauen Messungen vorgenommen wurden und die Zeitungen oder auch Bücher unterschiedliche Werte verewigt haben.

Das Paradebeispiel dafür ist der Argentinien-GP 1955: Die meisten Berichterstatter sprachen damals von 40 Grad im Schatten, anderen Berichten zufolge lag die Temperatur in Buenos Aires bei 37 Grad. Die Pistentemperatur betrug 52 Grad. Fakt jedoch ist: In Zeiten, als Fahrerwechsel noch erlaubt waren, wurden zahlreiche Fahrzeuge von mehreren Piloten bewegt, weil die meisten Piloten mit der enormen Hitze nicht klarkamen – nur die beiden Argentinier Juan Manuel Fangio (Sieger) und Roberto Mieres (Rang 5) schafften es ohne Ablöse ins Ziel. Sie waren diese Temperaturen in ihrer Heimat am besten gewohnt.

Reims in Frankreich galt so sicher als Hitze-GP wie in der Formel-1-Neuzeit ein Rennen in Katar oder auf dem Hungaroring. Im Juli 1959 wurde in Reims die 40-Grad-Marke mindestens gekitzelt, der US-Amerikaner Masten Gregory erlitt einen Hitzschlag. Es war so heiss, dass der Pistenbelag zu schmelzen begann – ein Effekt, den ich Ende der 80er Jahre in Phoenix (Arizona) beobachten konnte. Dort sollte noch heute ein Turnschuh-Abdruck von mir verewigt sein ...

Ich kann mich nicht erinnern, wer für die GP-Premiere von Dallas 1984 die Schnapsidee absegnete, ausgerechnet im Juli nach Texas auszurücken. Wir wissen nur, dass sich auch dort bei Temperaturen um die 40 Grad die Piste aufzulösen begann und in aller Eile und notdürftig repariert werden musste.

Schnellhärtender Beton war nur teilweise die Lösung. Reifentechniker von Goodyear trauten ihren Augen kaum, als sie die Pistentemperatur massen – 66 Grad! Keke Rosberg trotzte der Hitze am Besten und gewann. Es war das Rennen, in dem Nigel Mansells Lotus kurz vor Schluss stehenblieb, der Brite heroisch sein Auto Richtung Ziellinie schob und dann neben seinem Wagen zusammenbrach.

Jahrelang inszenierte sich der Malaysia-GP als «heissester Grand Prix des Jahres», die hohe Luftfeuchtigkeit verstärkte den Eindruck. Diese Rolle hat heute der Singapur-GP übernommen. «Es dauerte jeweils drei bis vier Tage, bis sich dein Körper an die Hitze gewöhnt», erklärt Valtteri Bottas. «Du beginnst mit etwas Training draussen, damit dein Körper richtig ins Schwitzen kommt. Wir können der Hitze nicht wie die Einheimischen widerstehen, aber diese Tage zur Akklimatisierung machen einen Unterschied aus.»

Während eines typischen Hitze-GP erreichte der Herzschlag des Fahrers 200 Schläge pro Minute. Der Verlust von drei bis vier Liter Körperflüssigkeit ist normal.

Im Juli 2014 war es in Hockenheim heiss wie in einer Bratpfanne: Der Formel-1-Tross schwitzte bei 35 Grad Lufttemperatur, die Bahn hat sich im zweiten freien Training auf zwischendurch 58 Grad aufgeheizt, wenn wir der offiziellen FIA-Messung Glauben schenken dürfen.

Der Rennrekord in Sachen Hitze geht wohl an Bahrain 2005: Die Temperatur sank während des gesamten Rennens nie unter 41,9 Grad! Fernando Alonso gewann im Renault, bei einer Pistentemperatur von 56 Grad.

Die Fahrer sind alle austrainiert und kommen in der Regel mit der Hitze klar. Eine Ausnahme war Katar 2023 – da mussten einige Piloten nach dem Einsatz bei feucht-heissem Wetter gestützt werden, siehe unser Bild von Logan Sargeant.

Hitze in Ungarn: Auch das Auto leidet

Ungarn stellt aufgrund der hohen Umgebungstemperaturen sowie der Streckencharakteristik eine andere Herausforderung dar. Der enge, winklige Kurs ist für den Motor nicht das härteste Rennen. Aber das Fehlen von mehr als einer langen Geraden im Zusammenspiel mit dem dichten Verkehr, der durch die mangelnden Überholmöglichkeiten entsteht, bedeutet, dass die Autos nicht die nötige saubere Luft erhalten, die sie zur Kühlung benötigen.

Formel-1-Autos besitzen ein Hauptarbeitsfenster, innerhalb dessen ihre Kühlungskapazitäten an die Umgebungstemperatur angepasst werden können. Sollten sie aus diesem Bereich herausrutschen, summieren sich die Probleme jedoch schnell auf. Flüssigkeiten werden kritisch, Bremsen glühen und sowohl Motor als auch Getriebe werden belastet.

Oberflächlich betrachtet ist die Lösung für Überhitzung einfach. Man öffnet die Verkleidung und vergrössert damit die Durchflussmenge sauberer Luft durch die Kühleinlässe. Im Durchschnitt saugen Formel-1-Autos bei einer Geschwindigkeit von 300 km/h jede Sekunde fünf Kubikmeter an Luft durch die Kühler ein. Jeder Versuch, die Kühlung zu beeinflussen, erfordert einen Verzicht auf aerodynamische Performance.

Die Verkleidung zu öffnen, kostet ungefähr 300 Millisekunden pro 0,5 Kubikmeter an Kühlluft – da die Luft in die Kühler anstatt über den Heckflügel oder unter das Auto und zum Diffusor hingeleitet wird. Die Teams müssen die richtige Balance zwischen Kühlung und aerodynamischer Leistungsfähigkeit finden, besonders bei einem Performance-Verlust, der auf einer aerodynamisch sensiblen Strecke bis zu einer Sekunde pro Runde betragen kann.

Die Anforderungen an die Kühlung werden schon früh im Leben eines neuen Autos festgelegt. Dabei ist das Design der Kühler – sowohl was die Form als auch die Grösse betrifft – fest in das Chassisdesign eingebunden.

Die Teams absolvieren vor jedem Rennwochenende komplexe Simulationen, um sich auf die verschiedenen Kühlungsanforderungen der unterschiedlichen Strecken im Rennkalender einzustellen. Das enge, mittelschnelle Streckenlayout am Hungaroring stellt andere Ansprüche an die Kühlung als beispielweise Monza mit seinen langen Geraden.

Im Kampf gegen die Überhitzung bringen die Teams ein Arsenal an Teilen zu jedem Rennen mit, um potentielle Schwierigkeiten abzudecken, die zum Beispiel durch eine falsch eingeschätzte Einstellung für die Umgebungstemperatur hervorgerufen werden können. Viele Autos besitzen eine Reihe an Luftschlitzen entlang des Cockpitrands. Diese können ausgetauscht werden, um verschiedene Stufen an Kühlung zu bieten. Zudem gibt es speziell geformtes Heck-Bodywork für besonders fordernde Rennen.

Zu Beginn des ersten Trainings sollten die Teams bereits eine Vorstellung davon haben, was sie erwartet. Dann können sie den Fahrern bereits Rückmeldung zu möglichen Problemen geben - zum Beispiel wenn die Bremsen heisser als erwartet sind. Hier können die Fahrer einen Unterschied ausmachen, indem sie Motoren-Einstellungen wechseln oder per «Lift and Coast» (Fuss vom Gas und rollen lassen) die Temperaturen kontrollieren. Wenn ein Fahrzeug aus dem Windschatten eines anderen Autos herauszieht, ist das ein Anzeichen dafür, dass der Fahrer mit einem überhitzenden Fahrzeug oder Bremsen zu kämpfen hat.

Der Umgang mit den Temperaturen ist eine Kunst für sich. Die Teams verteilen die Kühlung dabei auf verschiedene Schlüsselkomponenten, zu denen die Flüssigkeiten im Fahrzeug wie Motorwasser, Getriebeöl sowie die Bremsen zählen. Die F1-Teams gehen bei den Bremsen bis ans Limit von bis zu 1200°C.

Ladeluft – die verdichtete Luft aus dem Turbo – muss ebenfalls gekühlt werden, bevor sie wieder durch den Motor geleitet wird. Dies optimiert die Leistungsausbeute und verhindert, dass Komponenten beschädigt werden. In der Hybrid-Ära der Formel 1 muss ein weiterer Faktor beachtet werden: die Temperaturkontrolle der Batterie.

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