Formel 1: Nächste Verstappen-Strafe kommt

Dr. Helmut Marko: «Ein schwieriges Wochenende»

Von Dr. Helmut Marko
Dr. Helmut Marko und Max Verstappen

Dr. Helmut Marko und Max Verstappen

​Red Bull-Motorsportberater Dr. Helmut Marko analysiert exklusiv für SPEEDWEEK.com das GP-Wochenende auf dem Hungaroring: Wieso die Strategie dieses Mal falsch war und wie der WM-Kampf weitergeht.

Wir haben mit Max Verstappen beim Ungarn-GP nur einen fünften Platz eingefahren, und die Grundlage dafür war, dass wir in Sachen Rennstrategie falsch vorgegangen sind. Wir haben das Überhol-Delta drastisch unter- oder überschätze, je nachdem aus welcher Perspektive das betrachtet wird.

Wir dachten, wir bleiben länger draussen, um dann mit frischeren Reifen später locker überholen zu können. Aber ein klarer Vorteil mit frischeren Reifen war nur zwei Runden lang zu sehen. Das Überhol-Delta hätte deutlich höher sein müssen als im Vorjahr. War es aber nicht, und wir haben in der Folge hinter Hamilton 15 Sekunden verloren.

Dass wir dann gleich zwei Mal unterschnitten werden, beim zweiten Undercut ist ja sogar noch Leclerc vorbeigeschlüpft, das hätte nicht passieren dürfen; ein Fehler unserer Strategiemannschaft, die sonst meist sehr gut arbeitet. So etwas kann passieren.

Aber das ganze Wochenende war schwierig. Wir haben zum Beispiel mit Max die Pole-Position nur um 46 Tausendstelsekunden verpasst, das hat Verstappen sehr geärgert, weil er auch gehofft hatte, dass uns die Verbesserungen am Wagen vielleicht zwei Zehntel vor die Konkurrenz bringen würden. Das war nicht der Fall.

Aber das hätte genauso gut anders ausgehen können, denn Max musste kurz vor Schluss seiner schnellen Runde noch an einem Gegner vorbei, da ging sicher eine halbe Zehntelsekunde verloren oder mehr.

Dann kam die erste Runde des Rennens, mit einem meiner Meinung nach sehr guten Manöver von Max, der sich links an die Aussenseite der McLaren setzte, dann abgedrängt wurde, sich als Zweiter einreihte und diese Position sicherheitshalber zurückgab.

Rückblickend ist es nicht zu hundert Prozent sicher, dass Verstappen da eine Fünfsekundenstrafe erhalten hätte, also wäre es vielleicht besser gewesen, den Platz zu behaupten – einfach deshalb, weil beim Überholen auf diesem Kurs so viel Zeit verloren geht.

So kam Eines zum Anderen, die Emotionen sich hochgekocht, mit Kommentaren, die vom Renningenieur und auch von Max unpassend waren, um es höflich zu formulieren.

Und dann kam noch diese letzte Aktion, als Hamilton und Verstappen einen Williams überrunden und Max eine Lücke erspäht, sofort in dieses Loch sticht und dann kommt es zur Kollision.

Ich habe mich darüber mit Verstappen unterhalten: Gewiss, beim Anbremsen haben die Räder seines Autos blockiert, aber er hätte diese Kurve geschafft, es konnte also keine Rede davon sein, dass er keine Kontrolle mehr über sein Auto hatte. Max hatte die Nase vorn, aber Hamilton hat halt eingelenkt, jeder konnte sehen, was dann passiert ist.

Somit sind wir auf dem fünften Platz gelandet, wobei wir nicht vergessen dürfen, dass wir vom reinen Speed her knapp hinter McLaren waren.

Das angesprochene Update hat zweifellos eine Verbesserung gebracht, aber vielleicht nicht ganz im Ausmass, wie wir es uns erhofft hatten.

Ungarn ist eine der langsamsten Strecken, zudem hatten wir am Freitag Pistentemperaturen im Bereich von 60 Grad, in der Quali ging das runter auf 35 Grad. Und wenn wir wissen, wie sensibel die Reifen auf kleinste Temperaturunterschiede reagieren, war es nicht einfach, den Wagen entsprechend anzupassen. Der McLaren hingegen, das hat sich in diesem Sommer gezeigt, ist mit allen Reifentypen und unter allen Bedingungen schnell.

Im Rennen war es dann wieder wärmer, aber nicht so heiss, wie erwartet worden war, es war bewölkt. Durchs Band also sehr schwierige Bedingungen. Vom Kräfteverhältnis her liegen wir knapp hinter McLaren, aber wir waren von den vergangenen vier, fünf Rennen sicher am nächsten dran an der Spitze.

Max Verstappen war an diesem Wochenende eher dünnhäutig, und klar hat es nicht lange gedauert, bis sich Kritik regte – kein Wunder, wo er doch die halbe Nacht lang Sim-Racing spiele.

Dazu muss ich festhalten: In Imola ist er nach einem Sim-Racing-Einsatz auch erst um drei Uhr in der Nacht ins Bett – und hat dann den Grand Prix gewonnen. Max hat einen anderen Schlafrhythmus, und er hatte seine sieben Stunden Schlaf.

Sein Sim-Einsatz am Ungarn-Wochenende zu später Stunde kam nur deswegen zustande, weil in seiner Mannschaft ein Fahrer ausgefallen war. Wir haben trotzdem vereinbart, dass er künftig so spät keine Simulationen mehr fährt.

Sprechen wir einen Moment von Sergio Pérez: Ein GP-Wochenende typisch Pérez würde ich sagen, unkalkulierbar – sehr gut am Freitag, nur knapp hinter Verstappen und mit den besten Dauerläufen von allen Fahrern, dann leider ein dummer Fehler in der Quali, was Startplatz 16 zur Folge hatte, danach ein sehr starkes Rennen hoch zu Rang 7.

Es bleibt bei ihm eben dieses Auf und Ab, niemand weiss, wann er glänzt oder wann er einen Fehler macht, da fehlt einfach eine kontinuierlich gute Leistung.

Der Vorsprung von Max in der Fahrer-WM beträgt noch immer 76 Punkte. Bei den Konstrukteuren ist McLaren auf 51 Punkte herangerückt. Die Führung von Verstappen bedeutet quasi drei Rennsiege, die ist ausreichend, wenn auch nicht beruhigend. Wir müsse kontant Leistung bringen und auch wieder aus eigener Kraft siegen können.

Den Fahrer-Titel zu verteidigen, das wird sicher weniger schwierig als den Konstrukteurs-Pokal zu verteidigen. Denn McLaren punktet weiter mit beiden Fahrern da vorne, das ist unser Hauptproblem, dass wir eben mit Checo Pérez in den vergangenen Rennen viel zu wenig Punkte eingefahren haben.

Nun geht es weiter in Belgien: Eine der Lieblingsstrecken von Max, wo das Wetter schon fast im Stundenrhythmus ändert, und so wie das heute ausschaut, wird das auch dieses Mal zutreffen – mit Regen am Freitag und Samstag, dann aber wohl trockener Bahn fürs Rennen. Das sollte in unsere Richtung gehen.

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