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Ludovico Scarfiotti: Sternstunde mit Ferrari in Monza

Von Mathias Brunner und Rainer Braun
​An diesem 18. Oktober 2024 wäre der Italiener Ludovico Scarfiotti 91 Jahre alt geworden. Das Schicksal wollte es anders: Der Sieger des Italien-GP 1966 kam zwei Jahre danach beim Rossfeld-Bergrennen ums Leben.

Der Monegasse Charles Leclerc verzückte die treuen Tifosi Anfang September: Sieg mit Ferrari beim Grand Prix von Italien in Monza. An den letzten Sieg eines italienischen Ferrari-Fahrers in Monza können sich die meisten Fans kaum erinnern – es war Ludovico Scarfiotti 1966. An diesem 18. Oktober 2024 wäre Scarfiotti 91 Jahre alt geworden. Monza 1966 war der einzige Formel-1-Sieg von Scarfiotti.

Dass der junge Ludovico früher oder später mit Automobilen zu tun haben würde, war unvermeidlich: Der Turiner war Enkel von einem Gründungsmitglied von Fiat, sein Opa war erster Präsident der bekannten italienischen Automarke.

Im reifen Alter von 30 Jahren holte Enzo Ferrari seinen Landsmann in den berühmtesten Rennstall der Welt, da hatte Scarfiotti eben die italienische Bergmeisterschaft gewonnen und fuhr schon zehn Jahre lang Autorennen.

Gleich in den Niederlanden 1963 bedankte sich der Fahrer mit einem WM-Punkt. Dann aber war er vorwiegend in den Sportwagen aus Maranello zu sehen, die er überaus erfolgreiche chauffierte – er triumphierte beispielsweise in Le Mans 1963 und auf dem Nürburgring 1965.

Für seine Treue bedankte sich Enzo Ferrari mit einem Einsatz beim Grand Prix von Italien 1966 in Monza: Es wurde zu einer Triumphfahrt in Rot. Scarfiotti kam vor seinem Ferrari-Stallgefährten Mike Parkes ins Ziel.

Enzo Ferrari hatte dem Engländer vor dem Rennen klargemacht, dass er sich den Sieg eines Italieners wünsche. Zwei Jahre später war Scarfiotti tot.

Tod am Rossfeld

Es hätte ein so stimmungsvolles Bergrennen um Punkte für die Europameisterschaft werden können: Der AvD-Rossfeld-Bergpreis vor der eindrucksvollen Kulisse der Berchtesgadener Alpen. Eine traumhafte schöne Strecke, rund sechs Kilometer lang mit vielen anspruchsvollen Kurven hinauf zum Ziel am Ahornkaser in 1500 Metern Höhe. Doch schon der Trainingstag wurde zur Katastrophe.

Porsche galt als Top-Favorit, die Stuttgarter brachten gleich drei der neuen Achtzylinder-Bergspider in Leichtbauweise für ihr Werksfahrer-Trio an den Start: Titelverteidiger Gerhard Mitter, Doppel-Rekordhalter und Porsche-Neuzugang Ludovico Scarfiotti und Vorjahressieger Rolf Stommelen. Was für eine Starparade.

Aber kaum hatte Rennleiter Hans Buchwinkler die samstäglichen Zeittrainingsläufe gestartet, da kippte auch schon die gute Stimmung an der Strecke und im Fahrerlager. Statt Jubel, Trubel Heiterkeit gab es Trauer und Tränen.

Die erste Schreckensmeldung, die bei mir am Sprecherplatz über Feldtelefon einlief, lautete: Rolf Stommelen bei Kilometer 3,1 verunfallt, Fahrer schwer verletzt.

Der Kölner war mit dem Spider gegen eine Böschung gekracht. Dabei zog er sich mehrere Brüche an Schulter, Armen und Hand zu. Er wurde zunächst ins Krankenhaus von Berchtesgaden gebracht und von dort in die Uni-Klinik nach München verlegt.

Nur wenig später wieder Streckensperrung und die nächste, noch viel schlimmere Crash-Meldung. Ludovico Scarfiotti war 700 Meter unterhalb der Stommelen-Unfallstelle bei Kilometer 2,4 mit dem Porsche Spider mit mehreren Bäumen abseits der Strecke kollidiert. Schon beim ersten Aufprall wurde der zweifache Titelgewinner von 1962 und 1965 (jeweils auf Ferrari Dino) aus dem Cockpit geschleudert.

Mit schwersten Kopf- und Beinverletzungen wurde der Italiener geborgen, verstarb jedoch noch während des Transports zur Erstversorgung ins Berchtesgadener Hospital.

Der Auslöser für beide Unfälle wird für immer ungeklärt bleiben. Die Staatsanwaltschaft beschlagnahmte damals zwar beide Unfallautos, aber es konnten weder ein technischer Defekt noch Witterungseinflüsse zugeordnet werden. Zum Zeitpunkt beider Unfälle war die Fahrbahn trocken.

Experten vermuteten allerdings, dass möglicherweise die Leichtbauweise der Porsche-Bergspider eine verhängnisvolle Rolle gespielt haben könnte. Später rückte auch noch die Möglichkeit in den Vordergrund, dass Scarfiotti einem auf der Strecke befindlichen Zuschauer ausweichen musste. Bestätigt wurden all diese Spekulationen allerdings nie.

Nach längerer Unterbrechung wurde das Training fortgesetzt und auch die beiden Rennläufe am Sonntag nach Plan durchgeführt. Allerdings weinte sogar der Himmel – dem trockenen und warmen Trainingstag folge ein verregneter Renntag. Gerhard Mitter erreichte für Porsche seinen fünften Rossfeld-Sieg vor Dieter Quester, der mit dem BMW-Bergspider «Monti» sieben Sekunden zurücklag.

Nun mag sich so mancher Leser wundern, warum Porsche nach den beiden tragischen Unglücken das verbliebene Mitter-Auto nicht zurückzog und überdies Mitter selbst überhaupt noch zum Rennen gestartet ist. Porsche-Rennleiter Huschke von Hanstein hatte Mitter freigestellt, ob er angesichts des Todes seines Teamkollegen Scarfiotti trotzdem starten oder lieber verzichten will. Für den Fall des Startverzichts hatte auch der direkte Konkurrent BMW einen Verzicht angeboten.

Doch Mitter entschied sich für den Start. Begründet hat er das mir gegenüber damals für meinen Bericht in der «Rheinischen Post» so: «Persönliche Gefühle dürfen bei einem Profi im Rennsport keine Rolle spielen.»

Und dann fügte er noch an: «Da hat der Ludovico so viele große Formel 1- und wilde Sportwagen-Schlachten überlebt, und dann stirbt er hier mit 34 bei einem simplen Bergrennen. Unfassbar.»

14 Monate später, Anfang August 1969, starb auch Gerhard Mitter bei einem Unfall, im Formel 2-BMW am Nürburgring. Übrigens fast im gleichen Alter wie Scarfiotti, es fehlten nur vier Wochen zur Vollendung seines 34. Lebensjahres.

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