Lewis Hamilton in neuem Rot: Wie mutig ist Ferrari?
In den kommenden Tagen wird Formel-1-Star Lewis Hamilton in Maranello erwartet: Mit seinem Engagement bei Ferrari beginnt ein neues Kapitel in der unvergleichlichen Karriere des Engländers, vielleicht das letzte seiner GP-Laufbahn.
In Italien sickert derzeit durch, und das macht die Tifosi ganz nervös: Ferrari werde 2025, im ersten Jahr mit Lewis Hamilton, mit einem intensiveren Rot antreten als in den Jahren zuvor. Was immer das heissen mag. Seither glühen die sozialen Netzwerke der Ferrari-Fans, und alle fragen sich – in welchem Rot wird die Scuderia wohl an den Start gehen?
Denn Rot ist durchaus nicht Rot, was Ferrari angeht.
Das beste Beispiel erhielten die verblüfften Fans in Mugello 2020 serviert, als die stolze Rennmannschaft zum 1000. Formel-1-WM-Lauf antrat. Damals fuhren Sebastian Vettel und Charles Leclerc in einem so dunklen Rot an, dass einige Fans von Burgunder sprachen.
In Wahrheit handelte es sich um den Farbton «Rosso Barchetta», also um die Farbe aus den späten 40er Jahren vieler Barchetta-Modelle wie des 125 S. Und auch beim Formel-1-WM-Debüt in Monaco trat Ferrari in dieser Rotschattierung an. Noch in der laufenden Saison 1950 korrigierte Ferrari nach, nun mit Rennfahrzeugen in einem etwas helleren Rot.
Ferrari spannt seine Fans wieder mal auf die Folter: So haben die GP-Sieger Charles Leclerc und Carlos Sainz wenige Tage vor dem Monza-GP 2024 im Netz präsentiert, wie sie am kommenden Wochenende in Monza, mit der «Monza Carbon Fibre Collection».
Ungewöhnlich ist ein abgeänderte Look bei Ferrari durchaus nicht. Immer wieder tauchen die Italiener bei speziellen Rennen mit geänderten Lackierungen der Rennwagen und frisch gestylten Overalls der Fahrer an.
Beispiel Monza 2023: Ferrari kehrte im Juni 2023 nach Le Mans zurück, nach einer Absenz als Werksrennstall von 50 Jahren. Prompt gewannen die Italiener zum zehnten Mal den Langstreckenklassiker, erstmals seit 1965. James Calado, Antonio Giovinazzi und Alessandro Pier Guidi triumphierten mit dem Ferrari 499P Hypercar.
Aus diesem Anlass trat der Formel-1-Rennstall von Ferrari im September beim Heimauftritt in Monza mit einem besonders lackierten GP-Rennwagen auf für Charles Leclerc und Carlos Sainz.
Schon 2022 waren am Auto des Monegassen und des Spaniers zahlreiche gelbe Stilmittel zu entdecken, dies, um sich nach 75 Jahren Ferrari bei der Heimatstadt Modena zu bedanken. Gelb, die Farbe von Modena, ist auch als Hintergrund auf dem weltbekannten Ferrari-Emblem zu sehen.
Die Lackierung der Autos von Leclerc und Sainz in Monza 2023 orientierte sich an der dynamischen Lackierung des Hypercar, an den Flanken, an der Nase, an der Motorverkleidung. Auch die Startnummern 16 von Leclerc und 55 von Sainz sind gelb.
Dazu gab’s besondere Overalls für die Fahrer, eine Ferrari-Schriftzug in altem Auftritt und Sonderhelme – gelb für Leclerc, schwarz für Sainz.
Beispiel Miami 2024: Da machte Ferrari blau. Nein, nicht dass die Italiener den Grand Prix in Florida geschwänzt hätten, sie nutzten den Auftritt in den USA vielmehr für einen interessanten Farbtupfer – die früheren Ferrari-Farben Azzurro La Plata (ein helles Blau) und Azzurro Dino (ein dunkleres Blau) wurden reaktiviert.
Dies um die Ankunft des neuen Hauptsponsors hp zu feiern sowie 70 Jahre Ferrari in den USA.
Azzurro La Plata geht zurück auf den Farbton, den Ferrari-Star Alberto Ascari in den 1950er Jahren zu tragen pflegte. Und in Azzurro Dino waren die Rennanzüge von Clay Regazzoni und Niki Lauda 1974 bei Ferrari gehalten, auch die meisten Mechaniker trugen damals nicht Rot, sondern Blau.
Wie genau die blauen Elemente ins Design des Ferrari SF-24 eingearbeitet werden, wurde dann wenige Tage vor dem Miami-GP enthüllt. Diese Sonderlackierung war nur in Florida zu sehen, nicht bei den anderen USA-Rennen von Austin und Las Vegas.
Ein etwas anderer Ferrari-Auftritt in den USA ist nichts Neues: Ende 2023 fuhren Charles Leclerc und Carlos Sainz in Anlehnung an frühere Ferrari-Designs in Rot und Weiss, dies in Las Vegas.
In Blau und Weiss (also in den klassischen Rennfarben der USA) trat Ferrari in Watkins Glen und Mexiko 1964 mit John Surtees an. Und das kam so.
Enzo Ferrari hatte sich wieder mal mit dem internationalen Automobilklub verkracht, aus Protest trat Ferrari in Amerika nicht im traditionellen Rot an. Genauso war es kurz darauf beim Grossen Preis von Mexiko. Dort wurde Surtees Weltmeister, aber auch nicht mit einem roten Ferrari 158.
Enzo Ferrari und der Verband hatten sich wegen der Homologation des neuen Mittelmotor-Ferrari vom Typ 250 LM gekabbelt. Der Firmengründer war empört, dass der italienische Verband ACI ihn nicht unterstützte, er gab theatralisch seine Rennlizenz zurück und verkündete kurzerhand, er werde nie wieder im Ferrari-Rot antreten. Natürlich wurde der Streit später beigelegt, und die Ferrari tauchten 1965 wieder in der gewohnten Farbe auf.
Enzo Ferrari hegte seinen Groll schon seit 1962. Damals wollte er das Modell 250 GTO für Einsätze im GT-Sport annehmen lassen. Gemäss des italienischen Rennsportverbands mussten zur Homologation hundert Fahrzeuge gebaut werden. Aber die hatte Ferrari nicht bereit. Der listige Enzo führte den Regelhütern eine Reihe von Fahrzeugen vor, dann gab’s einen Kaffee. Währenddessen wurden die Autos in einen anderen Bereich gefahren und nach der Kaffeepause den Funktionären als weitere Fahrzeuge präsentiert. Ob das Mythos oder Wahrheit ist, darüber diskutieren Tifosi bis heute leidenschaftlich. Aber genau solche Geschichten sind Teil der Faszination Ferrari.
Jedenfalls geht die Geschichte so weiter, dass sich der Verband nicht zwei Mal für dumm verkaufen lassen wollte und dem 250 LM kurzerhand die Homologation verweigerte. Worauf Enzo explodierte. Offiziell war nicht Ferrari im Einsatz bei den Formel-1-WM-Läufen der USA und von Mexiko 1964, sondern das Kundenteam NART (North American Racing Team), mit Ferrari-Importeur Luigi Chinetti als Einsatzleiter.