USA-GP: Ferrari und Schumacher blamieren sich
Seit 1950 zieht die Formel 1 Millionen von Fans in ihren Bann. In keinem anderen Sport liegen Triumph und Tragödie so dicht beisammen. Es gab aber auch immer wieder merkwürdige Momente im Grand-Prix-Sport, über die wir in einer losen Serie berichten.
Indianapolis (USA), 29. September 2002
Bald kehren wir auf den «Circuit of the Americas» ausserhalb von Austin (Texas) zurück. Dort wird die Formel 1 zweifellos so warmherzig empfangen wie vor einem Jahr bei der GP-Premiere auf dem neuen Kurs. Selbstverständlich ist das nicht: Denn vor gut zehn Jahren hatten viele Amerikaner von der Formel 1 die Nase gestrichen voll, und das lag ausgerechnet an jenem Team, das in den USA am meisten Fans hat – Ferrari.
Nach einer erdrückend dominanten Saison (bis zum Indy-GP 13 Siege in 15 Rennen!) wollte Michael Schumacher den Fans etwas bieten und gleichzeitig etwas gutmachen: Noch immer regten sich viele Fans über den unglücklichen Österreich-GP 2002 auf, in welchem der führende Rubens Barrichello vom damaligen Teamchef Jean Todt die Order erhalten hatte, für Schumacher Platz zu machen («Rubens, let Michael pass for the Championship»).
So kam Schumacher in Indy auf die Idee eines toten Rennens, also mit zwei Ferrari gleichauf im Ziel.
Ausgangs der letzten Kurve des USA-GP verlangsamte Schumacher, allerdings etwas mehr als erwünscht. Barrichello zog leicht voran, verlangsamste dann seinerseits, doch es war zu spät. Die Ziellinie lag nämlich nicht beim berühmten Brickyard, also dort, wo auf der Traditonsstrecke 90 Zentimenter Pflasterstein geblieben ist und die karierte Flagge gezeigt wurde, die Messlinie befand sich vielmehr 20 Meter versetzt dazu, und da lag Barrichello 11 Tausendstelsekunden vor Schumacher.
Schumi glaubte während der Auslaufrunde zunächst, gewonnen zu haben, und winkte den Fans zu. Dann kam der Funkspruch ins Cockpit, dass Barrichello der Sieger sei. Schumi hörte auf zu winken. Schumacher, der seinen dritten Titel mit Ferrari schon zwei Monate zuvor sichergestellt hatte, wirkte nach dem Rennen milde verwirrt und erkundigte sich bei den Medienvertretern, wo die Ziellinie sei.
Im Zeitalter von Tausendstelsekunden ein Foto-Finish zu arrangieren, ist beinahe unmöglich. Kein Fahrer kann so genau die Ziellinie anvisieren (selbst wenn er wüsste, wo sie wäre), zumal sich in den modernen GP-Rennern aus dem Cockpit der Frontflügel gar nicht erkennen lässt. Das ist auch die Ursache, wieso sich der eine oder andere Pilot schon mal den Frontflügel am Heck eines Rivalen abstreift.
Die Fans hatten für dieses Finale überhaupt kein Verständnis, Pfiffe gellten. Zwei Fahrer auf gleicher Höhe im Ziel, das entspricht nicht der US-amerikanischen Winner-Mentalität. Dieses Rennen war einer der Gründe, wieso immer weniger Fans zum Indy-GP kamen. Wer allerdings geglaubt hatte, es ginge nicht schlimmer, wurde drei Jahre darauf beim Indy-GP 2005 eines Besseren belehrt – mit dem Michelin-Reifenskandal und sechs Autos im Rennen. Aber das ist wieder eine andere Geschichte.