Sebastian Vettel: «Das Fahren wird ganz anders»
Sebastian Vettel: «Ich kann von Ricciardo lernen»
Natürlich ist Sebastian Vettel nicht begeistert: Der vierfache Formel-1-Champion würde lieber mit seinem neuen Rennwagen um den Jerez-Kurs wetzen statt sich hier mit Journalisten zu unterhalten. Aber erstens gehört Medienarbeit zur Pflicht eines GP-Stars (die Vettel in der Regel vorbildlich handhabt), und zweitens hätte er auch so Zeit gehabt – sein neues Auto hat noch keinen Meter zurückgelegt.
Sebastian, warum bist du nicht am Fahren?
Wir haben in der vergangenen Nacht ein Problem entdeckt. Wie sich herausstellte, hatten wir ein Teil falsch herum montiert. Es dauerte eine Weile, bis man im Wagen an das Teil herankommt und es gewissermassen umdrehen kann. So ein Fehler kann immer passieren. In einem modernen F1-Renner stecken mehrere tausend Teile, das ist wie ein gigantisches Puzzle. Wenn da eines dieser vielen Teile nicht richtig am Platz liegt, kann man deswegen niemandem einen Vorwurf machen. Man darf das auch nicht unterschätzen: alles was gewissermassen am Chassis hängt, ist komplett neu. Wenn man das alles noch nicht auswendig kennt, dann dauert es eben auch etwas länger, bis etwas wieder zusammengefügt ist.
Wenn du den Wagen virtuell bewegst, also im Simulator, welches sind dann für dich die grössten Unterschiede?
Der Motor erlaubt weniger Drehzahl, dafür mehr Drehmoment. Das fährt sich natürlich schon etwas anders. Der grösste Unterschied aber ist für mich der Sound, nicht nur von aussen, auch im Cockpit. Vom Fahrverhalten lässt sich abschätzen: der Wagen wird weniger Grip haben, weil uns in Sachen Aerodynamik im wörtlichsten Sinne etwas die Flügel gestutzt wurden. Du rutschst mehr, also bist zu langsamer. Der dritte grosse Punkt für mich sind die Reifen, aber wie genau die sich verhalten werden, ist noch etwas schwer zu sagen.
War nicht davon die Rede, dass die Sitzposition anders sein soll?
Ja, es hiess, die Beine würden tiefer angeordnet. Aber ich konnte jetzt bei der Sitzprobe keinen Unterschied feststellen.
Was sagst du denn zum Sound?
(Lacht.) Ich liebe V8-Motoren. Um genau zu sein, wäre ich sogar noch lieber zurück zu den V10-Motoren gegangen!
Kann der Simulator denn das Fahren wirklich genau widergeben?
Im Normalfall schon. Man darf nicht vergessen: du hast viel mehr Zeit, zu kannst quasi viel mehr fahren und kommst in ein gutes Rhythmusgefühl hinein. Auf der Strecke geht das nicht so schnell. Da musst du zunächst einmal gucken, dass alles passt, wie wir am ersten Morgen ja gemerkt haben. Um das alles kennenzulernen, musst du fahren, das konnte ich nicht, das ist natürlich die Höchststrafe. Aber normalerweise passt es schon, was wir im Simulator getan hatten.
Muss man in dieser Saison noch mehr Stratege sein im Cockpit oder noch engeren Kontakt mit der Box pflegen?
Es wird anders. Zuvor war der Spritverbrauch eher ein Problem der Ingenieure. Wenn die sich vielleich etwas vertan haben, dann musstest du als Fahrer aktiv werden, um Benzin zu sparen. Das ist jetzt ganz anders. Denn wenn du so fährst wie früher, dann wirst du es nicht ins Ziel schaffen. Du wirst dich als Fahrer sehr anpassen müssen. Wer das wie gut schafft, kann ich nicht sagen. Aber jeder wird etwas tun müssen.
Vieles wird sich im Laufe der Zeit einspielen, aber es ist wirklich eine riesige Umstellung. Auch das Rennfahren wird sich verändern. Im Sinne, dass man eben nicht mehr das ganze Rennen über Vollgas fahren kann. Man kann das gerne probieren, aber dann wird man keine Zielflagge sehen! Wir werden vielmehr Leistung zurücknehmen müssen, um Kraftstoff zu sparen.
Wäre ein fünfter Titel vor dem Hintergrund des neuen Reglements eine noch grössere Leistung?
Am Erfolgshunger des Teams wird es jedenfalls nicht mangeln. Aber dieses Jahr ist noch so jung, da denkt doch keiner in der Boxengasse an den Titel. Da denkt man vielmehr daran, die Standfestigkeit auf die Reihe zu bekommen. Wir werden noch nicht mal nach dem ersten Rennen wissen, was Sache ist. Vielleicht klärt sich das Bild, wenn wir im Mai nach Europa kommen.
Adrian Newey hat Bedenken geäussert, was die neuen Nasen angeht – wenn man bei einem Unfall sich quasi unter einen Gegner oder einen Reifenstapel bohrt. Hast du auch Bedenken?
Ein gewisses Risiko besteht immer. Das lässt sich nur ausmerzen, wenn du überhaupt nicht fährst. Die neuen Nasen wurden ja eingeführt, um das Aufsteigen des Hintermannes zu verhindern bei einem Auffahrunfall. Aber was genau passiert, das weiss derzeit keiner.
Du warst bei Red Bull Racing mal in der gleichen Situation wie Daniel Ricciardo jetzt. Welchen Rat kannst du ihm mit auf den Weg geben?
Gemäss seines Reisepasses ist er erwachsen, da braucht er von mir keinen Ratschlag. Er ist ja auch nicht völlig neu im Team und auch nicht neu in der Formel 1. Ich selber habe damals die Erfahrung gemacht: du musst deinen Weg selber finden. Das gilt auch für ihn. Er wird wohl Einiges von mir lernen können, aber das ist keine Einbahnstrasse. Ich bin sicher, ich kann auch von ihm lernen. Einfach deshalb, weil er anders an die Aufgaben herangeht als Mark Webber zuvor.
Reizthema doppelte Punkte zum Schluss der Saison: Sinn oder Unsinn?
Ich verstehe nicht, wieso einem Rennen mehr Bedeutung zukommen soll als allen anderen. Das Ganze ist für mich, als würde man im Fussball sagen – wenn einer in den letzten fünf Minuten ein Tor schiesst, dann zählt es doppelt. Das ist für mich Unsinn.