Jerez-Tag 2: Mercedes im Vorteil, Renault hat Problem
Gestern schien die Formel 1 eine echte Lachnummer zu sein: Gerade mal 93 Runden brachten die neun auf der Piste angetroffenen Rennwagen zusammen. Toro-Rosso-Technikchef James Key: «Ich weiss, das schaute etwas jämmerlich aus. Aber man darf mit den Rennställen nicht zu streng sein. Der Schritt in die neue Turbo-Ära ist gewaltig. Da war es doch absehbar, dass es jede Menge Kinderkrankheiten geben würde.» Inzwischen nähert sich die Formel 1 der Normalität: heute drehten acht Autos (Lotus fehlt, Marussia reist heute Abend an, Toro Rosso konnte nicht fahren) insgesamt 330 Runden, als mehr als drei Mal so viel wie gestern!
Jenson Button hat McLaren rehabilitiert: Gestern konnte das britischen Traditionsteam überhaupt nicht fahren, heute legte Jenson die Bestzeit hin. An seinem Helm trägt der Formel-1-Champion von 2009 übrigens einen liebevollen, letzten Gruss an seinen verstorbenen Vater John.
Gestern wurde über den neuen McLaren noch gewitzelt, heute werden die cleveren Techniklösungen gelobt (wie etwa die als Luftleiter und Zusatzflügel ausgelegten, verkleideten Streben der Hinterradaufhängung). Von Zero zu Hero, so schnell geht das in der Formel 1.
Valtteri Bottas fuhr die zweitschnellste Runde und rapportierte: «Keine Probleme. Die Zeit freut mich, ist aber wenig aussagekräftig. Wichtiger ist es mir, dass wir zum Fahren kommen.»
Sein Landsmann Kimi Räikkönen hatte heute keine mechanischen Probleme, dafür verirrten sich der Formel-1-Champion von 2007 und seine Ingenieure ein wenig im Abstimmungswald. Technische Probleme gab es keine.
Alarm bei Renault
Bei Apollo 13 hiess es einst: «Houston, we have a problem.» In der Formel 1 heisst es heute: «Viry, we have a problem.» Bei den Renault-Motoren gibt es Schwierigkeiten mit der Mehrfach-Energierückgewinnung. Wo genau sich der Teufel im Detail versteckt hat, wollten die Vertreter der Renault-Partner Red Bull Racing, Toro Rosso und Caterham nicht sagen. Unseren Recherchen zufolge handelt es sich um ein Problem mit den Batteriepaketen, hervorgerufen durch einen Defekt in der elektronischen Steuereinheit.
Als Folge davon kam Toro-Rosso-Novize Daniil Kvyat überhaupt nicht zum Fahren, Caterham-Neuling Marcus Ericsson kam auf kümmerliche elf Runden, Formel-1-Champion Sebastian Vettel auf nur acht, damit muss Vettel mit nur elf Runden zum zweiten Test nach Bahrain jetten (mehr dazu HIER). Ein Fahrerwechsel kam für Red Bull Racing-Teamchef Christian Horner nicht in Frage: «Zu diesem Zeitpunkt der WM-Vorbereitung ist es nicht so wichtig, wer im Wagen sitzt.»
Auch die Zeiten spielen gemäss Horner derzeit eine untergeordnete Rolle, aber die Fans interessiert es trotzdem: Wie schneiden die neuen Turbo-Renner da nach dem zweiten Tag des Testwinters ab? Vor rund einem Jahr war Lotus-Fahrer Romain Grosjean am zweiten Tag Schnellster mit 1:18,218 min, nun ist Button Schnellster mit 1:24,165 ...
Mercedes schon im Vorteil?
Rundenzeiten sind derzeit tatsächlich nicht so wichtig, Runden hingegen schon: Die Ferrari-befeuerten Rennwagen kommen heute auf 100 Runden, die Mercedes-Renner gar auf 211, jene von Renault aber nur auf 19!
Nicht nur, dass also drei Autos mit Mercedes-Motoren unter den schnellsten Vier liegen, die Wagen unterm guten Stern haben auch am meisten Runden gedreht. Wenn dieser Tag ein erster zaghafter Anhaltspunkt für das Kräfteverhältnis sein soll, dann wittern wir – jedenfalls in Sachen Motoren – Vorteile für die Mercedes-Rennställe.
Mercedes musste eine ganze Weile auf neue Teile aus England warten, erst kurz vor Mittag konnte Nico Rosberg einsteigen. Dann aber fuhr der Silberpfeil wie eine Schweizer Uhr: keiner drehte mehr Runden heute! Der Frontflügel (gestern mit Lewis Hamilton am Lenkrad kollabiert) hält offenbar. Rosberg fuhr heute mehr als das ganze Feld gestern zusammen.
Drei Mal musste dieser Testtag unterbrochen werden: als Esteban Gutiérrez mit Slicks (auf einer Bahn, die noch feuchte Stellen aufwies) von der Bahn rutschte, zum Glück blieb der Sauber unbeschädigt; als Sergio Pérez Ende Start/Ziel-Geraden stehenblieb (und, aus dem Auto gehüpft, den eigenen Wagen davon abhalten musste, rückwärts zu rollen) sowie als Marcus Ericsson ausrollte (Elektrikschaden). Pérez’ Renner wurde von einem übereifreigen Streckenposten sicherheitshalber mit dem Feuerlöscher eingeschäumt.
Der Renner von Marussia ist kurz nach 16.00 Uhr hier in Jerez angekommen. Für einen Einsatz war es jedoch zu spät. Morgen beginnt mit Max Chilton das Testprogramm.
Jerez-Bestzeiten, Tag 2
1. Jenson Button (GB), McLaren MP4/29-Mercedes, 1:24,165 (43)
2. Kimi Räikkönen (FIN), Ferrari F14 T, 1:24,812 (46)
3. Valtteri Bottas (FIN), Williams FW36-Mercedes, 1:25,344 (35)
4. Nico Rosberg (D), Mercedes F1 W05, 1:25,588 (97)
5. Sergio Pérez (MEX), Force India VJM07-Mercedes, 1:28,376 (37)
6. Esteban Gutiérrez (MEX), Sauber C33-Ferrari, 1:33,270 (53)
7. Marcus Ericsson (S), Caterham CT05-Renault, 1:37,975 (11)
8. Sebastian Vettel (D), Red Bull Racing RB10-Renault, 1:38,320 (8)
Nicht im Einsatz: Daniil Kvyat (RU), Toro Rosso STR9-Renault
Erst morgen in Jerez: Marussia
Nicht in Jerez: Lotus