Renault: Jerez-Probleme rächen sich in Bahrain
Der fleissigste Renault-Fahrer bisher ist Kamui Kobayashi im Caterham
Das Leben schreibt die ironischsten Geschichten. Vor zwei Wochen sagte Mark Gallagher, der die Traditionsmarke Cosworth in die Formel 1 zurückgebracht hatte: «Das Timing für die Einführung von Turbomotoren ist völlig falsch. Man hätte mit der Umstellung warten müssen, bis sich die wirtschaftliche Situation etwas normalisiert hat, sagen wir bis 2016. Renault hat da enormen Druck gemacht. Die Franzosen sagten, es müssen Strassenfahrzeug-relevante Motoren her, sonst drehen sie der Formel 1 den Rücken. Gleichzeitig war auch der Autoverband FIA scharf darauf, dem Sport ein grüneres Image zu verpassen.»
Und nun kommt ausgerechnet dieses Renault mit der neuen Technik nicht zurande: An den ersten drei Wintertesttagen von Jerez drehten Mercedes 2063 Kilometer und Ferrari 1041. Die Bilanz von Renault: 359 km ...
Am letzten Testtag verbesserte sich die Situation nicht wesentlich: zur Mittagszeit hatten Mercedes-betriebene Renner rund vier Mal so viele Runden gedreht wie die Autos mit Antriebseinheiten von Renault.
Eine eiserne Regel im Grand-Prix-Sport lautet: Du gewinnst zusammen, du verlierst zusammen, aber du stehst immer zu deinem Partner. Und doch pflanzte sich Red Bull Racing-Teamchef Christian Horner vors Mikrofon der Kollegen von «Sky Sports F1» und meinte: «Wir sprechen hier von einem Problem von Renault.»
Das grosse Problem der Renault-Rennställe in Jerez besteht darin, dass die mangelnden Testkilometer nicht an einem einzelnen Grund liegen, sondern eben an vielen Schwierigkeiten. Und nicht alle davon gehen auf die Kappe von Renault, wie Red-Bull-Chefberater Dr. Helmut Marko bestätigte.
3 Runden von Sebastian Vettel am ersten Tag, 8 des vierfachen Weltmeisters am zweiten Tag, nur 3 Installationsrunden von Daniel Ricciardo am Donnerstag, dann 7 am Freitag – worauf Red Bull Racing abreiste. Bilanz des jungen Russen Daniil Kvyat im Toro Rosso: 8 Runden. Sogar Hinterbänkler Marussia fuhr aus dem Stand mehr als die beiden Red-Bull-Teams.
Neue Antriebseinheit: 40 Kilometer Kabel
Grundsätzlich gibt es bei der neuen Antriebseinheit von Renault ein Problem mit den Verbindungen zwischen den Generatoren, der Steuereinheit und der Batterie. Als Folge davon lädt die Batterie nicht vollständig. Da jedoch die Energierückgewinnung inzwischen 160 PS der Gesamtleistung beisteuert, also fast ein Fünftel der ganzen Leistung, ist mit solchen Problemen kein Blumentopf zu gewinnen.
Die Arbeit von Motorenherstellern und Rennwagenkonstrukteuren war gewaltig: Früher mussten zwölf Kabelstränge durchs Fahrzeug geführt werden, nun sind es drei Mal so viele. Ingesamt sprechen wir hier von rund 40 Kilometern (!) an Leitungen. Da wird das Aufspüren eines Fehlers zur Suche nach der Nadel im Heuhaufen. Doch mangelnde Kommunikation zwischen den Generatoren der Energierückgewinnung kann auch an einem Softwarefehler liegen. Da nützt es wenig, wenn Kabel ersetzt werden. Das Resultat jedenfalls war das Gleiche: die Batterie lädt nicht mehr, irgendwann ist sie leer.
Einsatzleiter Rémi Taffin sprach vom Ersetzen von Hardware, «das sollte das Problem lösen». Aber das ist nicht passiert.
Bei Red Bull Racing gibt es jedoch auch Probleme mit überhitzenden Karosserieteilen – neu ist das bei den knapp eingekleideten Rennern von Technikgenie Adrian Newey nicht. Solche Schwierigkeiten gab es schon bei Williams, bei McLaren und auch bei früheren Red Bull Racing-Rennern.
Marc Surer, TV-Experte von Sky, weiss: «Keines der neuen Autos wirkt so aus einem Guss und so schlank wie der neue Wagen von Adrian Newey.» Doch Newey musste so viel Material im Wagen unterbringen wie beispielweise die Techniker von Caterham, und dort wurde alles voluminöser gestaltet.
Am Freitag tauchte Red Bull Racing mit einer in die Verkleidung geschnittenen Kühlöffnung am unteren Ende des Seitenkastens auf. High-Tech ist anders.
Probleme mit der elektronischen Steuerung führten zu Fehlzündungen und einem unsauberen Motorensound. Die Steuerung des Ladedrucks am Turbo war nicht optimal. Die Triebwerke in den Autos Toro Rosso und Caterham klangen gemessen am Sound von Mercedes und Ferrari jämmerlich.
Ausgerechnet die Hinterbänkler von Caterham kommen derzeit von den Renault-Teams am meisten zum Fahren: Kamui Kobayashi hatte schon zur Mittagszeit seines einzigen Testtags doppelt so viele Runden gedreht wie Sebastian Vettel und Daniel Ricciardo an all ihren Testtagen zusammen.
Sorgen für Lotus
Die Renault-Probleme müssen auch Lotus zu denken geben, die überhaupt noch nicht auf der Testbahn sind. Wenn die anderen Renault-Rennställe hier in Andalusien vier Tage brauchen, um grundsätzlich mit der Technik klarzukommen, wieviel Zeit wird dann Lotus in Bahrain damit verplempern?
Natürlich sind die Techniker von Renault clever genug, den Problemen mit der neuen Antriebseinheit auf den Grund zu kommen. Aber wer hier in Jerez zu wenig zu fahren kommt, der stösst möglicherweise erst später auf neue Probleme. Die fallen einem dann beim folgenden Test in Bahrain auf den Kopf, während die Konkurrenz bereits an Abstimmung und Evo-Teilen arbeitet.