Simona De Silvestro: «Ich will Grand Prix fahren»
Da steht sie nun also, Simona de Silvestro, 25 Jahre jung, voller Tatendrang und Energie, die grösste Hoffnung von Formel-1-Promoter Bernie Ecclestone, endlich eine Frau am Start eines Grand Prix zu haben. Und zwar nicht als Quoten-Frau und Feldfüller, sondern als waschechter Racer. In einer Medienrunde gibt die Thunerin Auskunft, wie sie sich ihre Zukunft vorstellt.
Simona, wie sich die vergangenen Wochen verlaufen?
Seit ich bei Sauber einen Vertrag als Ausbildungsfahrer unterzeichnet habe, hat sich mein Leben stark verändert. Es ist der erste Schritt, um meinem grossen Ziel Formel 1 näher zu kommen, denn ich habe immer davon geträumt, Grand-Prix-Fahrer zu sein. Ich habe mein Fitnessprogramm umgestellt und mache mehr Cardio-Training. Die Formel 1 ist ein mächtiger Schritt. Wenn du erstmals in ein IndyCar-Team kommst, dann bist du von der Grösse des Rennstalls beeindruckt. Aber dann kommst du zu einem Formel-1-Rennstall, und das ist wieder eine ganz andere Hausnummer.
Du bist einen Sauber C31 in Fiorano gefahren. Welches waren deine kraftvollsten Eindrücke?
Es war unglaublich! Ich hatte mir vorher schon vorgestellt, dass das nun eine Stufe über einem IndyCar liegen würde, aber in Wahrheit fühlte es sich eher wie zehn Stufen an. Bremsen, Beschleunigung, Kurventempi – das ist alles auf einem komplett anderen Niveau. Im IndyCar habe ich nie solche Fliehkräfte erlebt und so meinen Nacken gespürt, das ist eine ganz andere Belastung als im IndyCar. Zwischendurch musste ich mich kneifen, dass ich das wirklich erleben darf.
Bist du mit dem Test zufrieden?
Ja, ich finde, der Test ist gut verlaufen, ich fühlte mich sehr schnell wohl im Wagen, und das Team hat alles für mich getan. Wir haben sehr bald angefangen, an der Abstimmung zu arbeiten, was bei einem Test immer ein gutes Zeichen ist. Das war eine gute Basis, und ich freue mich schon aufs nächste Mal.
Wann findet dieses nächste Mal statt und wo siehst du dich in zwei Jahren?
Ich werde den C31 das nächste Mal in Valencia fahren, vom 25.–27. Juni. Das ist ein guter neuer Schritt für mich, weil die Strecke etwas schneller ist als Fiorano. Wo ich mich in Zukunft sehe? In der Startaufstellung zu einem Grand Prix! Das ist mein Ziel, das ist der Grund, wieso ich die Karriere in den USA abgebrochen habe und zu Sauber gekommen bin. Ob ich das schaffe, liegt ganz alleine an mir – ich muss beweisen, dass ich das Zeug zum Grand-Prix-Fahrer habe, so einfach ist das.
Werden wir dich in einem freien Freitagtraining sehen?
Das ist eine Möglichkeit. Alle Ziele, die wir uns gesetzt haben, sind bislang erfüllt worden. Also ja, das kann ich mir in naher Zukunft vorstellen.
Wirst du bei allen GP-Wochenenden vor Ort sein?
Ich bin nun zum ersten Mal an einem GP-Wochenende dabei, verbringe aber viel Zeit im Sauber-Werk von Hinwil. Ich versuche, so viel als möglich zu lernen. Es ist geplant, dass ich das Team auch bei den kommenden Rennen begleite.
Siehst du eine Chance schon für die WM-Saison 2015?
Wenn ich in der kommenden Zeit alles richtig mache – wieso nicht?
Wie sehr können deine Sponsoren da helfen?
Meine Sponsoren, die beim Sauber-Test auf dem C31 waren, sind seit 2008 meine Partner. Und ich habe den Leuten von «Clean Air Energy» (Kern-Energie, M.B.) immer klargemacht, dass mein Fernziel die Formel 1 ist. Sie sind glücklich, dass sie mir helfen können. Die Möglichkeit, mir letztlich in den GP-Sport zu verhelfen, ist gewiss da.
Zählen die Tests wie Fiorano und Valencia zum Erreichen der Superlizenz?
Nein. Die Regel lautet, 300 Kilometer im Renntempo im aktuellen Auto zu fahren.
Wurde nicht überlegt, dich GP2 fahren zu lassen?
Doch, darüber haben wir tatsächlich gesprochen. Aber ich finde, ich kann mehr übers Team und über die Formel 1 lernen auf dem Weg, wie wir ihn jetzt gehen. Das erscheint uns zielführender, als in einem GP2-Auto Kurse zu lernen. Die Formel 1 als Ganzes ist so unglaublich komplex, es gibt so viele Zusammenhänge zu lernen. Daher sind mir die Test und die Zeit mit dem Team wichtiger.
Siehst du das Kapitel USA als vollendet an?
Ich bin schon mit 17 Jahren in die USA gezogen, um meinen Weg zu machen. Dort erhielt ich die Gelegenheit, mich als Fahrer zu verwirklichen. Aber ich habe IndyCar immer als Stufe gesehen, nicht als Ziel. Das Ziel hiess immer Formel 1. Ich bin sehr dankbar, dass ich in den USA fahren konnte. Das hat mir die Chance gegeben, mich an tollen Rennfahrern zu messen – Scott Dixon, Dario Franchitti, Tony Kanaan, um nur einige zu nennen. Nun erhalte ich die Möglichkeit, mich in Ruhe in die Formel 1 einzuarbeiten, das ist ideal, weil es so viel zu lernen gibt.
Aber ist es nicht ein Risiko, eine vielversprechende Karriere in den USA abzubrechen?
Natürlich ist es das. Keiner kann garantieren, dass ich mein Ziel wirklich erreiche. Aber es ist die vielleicht einmalige Chance, meinen Kindheitstraum umzusetzen. Ich musste sie einfach ergreifen. Daher fiel mir die Entscheidung auch nicht schwer.
Es ist schon eine ganze Weile her, dass wir eine Frau als Stammpilotin hatten, das war Giovanna Amati 1992. Erzeugt das noch mehr Druck?
Ich sehe das nicht als zusätzlichen Druck. Ich habe eine Chance, und die will ich beim Schopf packen. Bis zu den IndyCars habe ich in jeder Kategorie Rennen gewonnen. Ich will beweisen, dass ich vorne mitfahren kann, auch in der Formel 1. Ich habe es nie als Druck empfunden, eine Frau zu sein.
Hast du dich vor der Sauber-Fahrt in einem Simulator vorbereitet?
Ja, vier Tage lang. Der Simulator ist vor allem deshalb hilfreich, weil ich so gut wie keine Strecken in Europa kenne. Auf der anderen Seite fühlt sich das richtige Fahren immer anders an als der Simulator. Aber ich freue mich über jedes Werkzeug, das ich nutzen kann, um mehr zu lernen.
Wieso sehen wir so wenige Frauen als Autorennfahrer?
Das ist eine gute Frage, aber grundsätzlich beginnt es schon im Kartsport. Da hast du hundert Buben, die Karting betreiten, und vielleicht fünf Mädchen. Das Verhältnis stimmt also schon an der Basis nicht. Gegen oben wird dann die Luft immer dünner, auch für die Jungs. Ich meine, wir haben viele tausend junge Rennfahrer, aber wir haben nur 22 Plätze in der Formel 1. Da ist aufgrund des Verhältnisses Männer zu Frauen die Chance einfach geringer, dass es eine Frau bis ganz nach oben schafft. Primär habe ich mich aber immer als Racer gesehen. Das Geschlecht ist nicht wichtig. Wichtig ist es, Leistung zu zeigen.