Didi Mateschitz: «Zumindest wird noch Auto gefahren»
Red Bull-Chef Dietrich Mateschitz: «Das Rennfahren ist vielleicht nur noch während 20 Prozent der Renndistanz möglich»
Red-Bull-Chef Didi Mateschitz flog Sonntagfrüh aus Salzburg nach Barcelona, um erstmals in dieser Saison ein Formel-1-Rennen live mitzuerleben.
Er führte in der Energy Station Gespräche mit Dr. Helmut Marko und Adrian Newey und empfing Teamprinzipal Horner mit den Worten: «Christian, wir haben schon bessere Zeiten erlebt.»
Im Gespräch mit SPEEDWEEK.com nahm Dietrich Mateschitz zu einigen aktuellen Fragen Stellung.
Herr Mateschitz, die neue Formel 1 ist bei den Fans umstritten. Wie ist Ihre Einschätzung?
Es wird zumindest noch Auto gefahren... Und wir versuchen für das aktuelle Reglement, für die Bestrafungen und für diese Über-Reglementierung Verständnis aufzubringen. Aber eigentlich geht es im Motorsport darum, dass der Schnellste gewinnt. Aber darum geht es momentan nur mehr bedingt.
Vielleicht werden die Reglements zu stark von den Entwicklungsabteilungen der Industrie beeinflusst. Es gibt heute beim Rennfahren Probleme mit Benzinlimits, mit der Energierückgewinnung, dann ist das Pace Car vier Runden lang draussen, zwischendurch wird vorübergehend wieder ein bisschen Rennen gefahren, wenn man nicht gerade Benzin sparen muss, aber das Rennfahren ist vielleicht nur noch während 20 Prozent der Renndistanz möglich.
Vielleicht gibt es verschiedene Definitionen von Motorsport und Rennfahren. Vielleicht bin ich ein Anhänger einer zu traditionellen Art des Rennfahrens. Aber versuch mal, so ein Reglement auf andere Sportarten zu übertragen und schau dann, was dabei rauskommt. Aber ich möchte jetzt nicht zu polemisch werden.
Sie haben kein Verständnis für die Bestrafung von Daniel Ricciardo beim Australien-GP?
Nein, die Aberkennung dieser 18 WM-Punkte verstehen wir nicht. Wir sind ja nicht bestraft worden, weil die Benzindurchflussmenge nicht gestimmt hat, sondern weil wir Anordnungen nicht befolgt haben. Da kommt mir ein verpöntes Wort in den Sinn: Befehlsnotstand.
Traurige Zeiten.
Sie verstehen in erster Linie nicht, warum der Fahrer bestraft wurde?
Richtig. Die Strafe war unverhältnismässig. Was kann der Fahrer dafür, wenn der Benzindurchfluss nicht stimmt?
Für solche Zwischenfälle kann man höchstens das Team zur Verantwortung ziehen. Dr. Marko hat ganz richtig erwähnt, dass man ja bei der Team-Wertung Punkte abziehen hätte können.
Aber ich darf doch in so einem Fall nicht den Fahrer bestrafen, der nichts dafür kann. Das ist unsportlich. So eine Vorgangsweise hat mit Sport nichts zu tun.
Viele Fans wettern und haben für die heutige Formel 1 kein Verständnis. Sie auch?
Gelinde gesagt, ja.
Es gibt auch für die Medien momentan keinen Grund, in Euphorie zu verfallen, wenn nur 20 Prozent der Renndistanz richtig gefahren wird. Dazwischen geht es ums Benzinsparen, man fährt hinter dem Pace Car, man darf den Vordermann nicht mehr attackieren, weil der Sprit sonst nicht reicht.
Heute findet der Wettkampf hauptsächlich im Qualifying statt. Und selbst da muss man sich stark ums Reifen-Management kümmern.
Red Bull besitzt zwei Formel-1-Teams. Können Sie bei der FIA bei Reglementänderungen nicht mitwirken? Existiert für die Teams gar kein Mitspracherecht?
Das ist hoffnungslos. Die FIA soll die Reglements ruhig machen. Aber im Sinne des Sports, damit die Formel 1 wieder aufgewertet wird.
Niki Lauda sagte, der Formel-1-Zirkus fahre mit diesem System gegen eine Wand.
Bernie Ecclestone wird die Formel 1 früher oder später aus der Hand geben müssen. Wer sich dann findet, der die Formel 1 sportlich und finanziell weiterentwickelt, das weiss im Moment niemand.
Red Bull hat kein Interesse, Anteile an der Formel-1-Holding zu erwerben, um ein Mitspracherecht zu erwirken?
Nein. Ich glaube, dass unsere Kompetenz woanders liegt. Bei uns geht das auch von den Kapazitäten her nicht.