Grossbritannien-GP: Crashs, Streit und ein Verletzter
Lewis Hamilton feierte nach seinem Sieg von 2008 seinen zweiten GP-Triumph auf dem Silverstone Circuit
Wie ein Trauerzug schob das Williams-Team Felipe Massa bei seinem 200. GP-Auftritt nach der ersten Runde bereits zurück an die Box. Schon nach den ersten beiden Kurven war das Rennen für den Brasilianer gelaufen. Der Grossbritannien-GP wurde nach nur einer Runde unterbrochen, weil Kimi Räikkönen die Kontrolle über seinen Ferrari verloren und in der Folge Massa abgeräumt hatte. Das Gesicht des 33-Jährigen aus Sao Paulo sprach Bände.
Der ehemalige GP-Pilot und heutige Sky Sport 1-Experte Marc Surer erklärte: «Da ist Kimi neben die Strecke geraten und beim Zurückkommen ist er über den Graben gefahren, der dazu da ist, das Wasser abfliessen zu lassen. Er hebt ab und hat keine Chance mehr, das Auto zu kontrollieren. Das war absolut selbstverschuldet und Massa kann gar nichts dafür, er wird einfach abgeräumt. Das hätte aber auch viel schlimmer ausgehen können, sie hatten also Glück im Unglück.»
Kimi Räikkönen: Sprunggelenk verletzt
Räikkönen, der mit 47 g (!) in die Leitplanken einschlug und sich nach dem Aussteigen nur noch humpelnd fortbewegen konnte, wurde (wie bei solchen Abflügen üblich) umgehend zur Untesuchung ins Streckenkrankenhaus gefahren. Ein Ferrari-Sprecher erklärte kurz darauf: «Wie wir gesehen haben, war das ein heftiger Einschlag. Er wird nun untersucht und es scheint, als ob sein Sprunggelenk die am stärksten verletzte Stelle an seinem Körper ist. Wenn es dabei bleibt, ist es nicht so schlimm.»
Nach der Untersuchung durfte die Scuderia aufatmen: Der befürchtete Sprunggelenk-Bruch stellte sich als starke Prellung heraus. Damit steht einer GP-Teilnahme Räikkönens beim nächsten Rennen in Hockenheim nichts im Weg.
Massa klagte derweil: «Das war ein grosser Unfall. Und es war ein sehr hartes Wochenende. Die Probleme hatten schon im ersten freien Training begonnen und auch das Qualifying lief nicht störungsfrei ab. Im Rennen hat dann die Kupplung beim Start nicht funktioniert. Als Kimi vor mir auf die Strecke zurückschoss, habe ich noch versucht, ihm auszuweichen, aber das hat nicht geklappt.»
Schlechter Start von Sebastian Vettel
In der Box durfte sich Massa auch noch ansehen, wie Teamkollege Valtteri Bottas von Position 9 losbrausen durfte. Der schnelle Finne hatte den besten Start hingelegt und sich von Position 14 vorgearbeitet. Auch Lewis Hamilton, der nach seiner Qualifying-Fehlentscheidung von Platz 6 ins Heimrennen starten musste, kam gut weg. Erst zog er links am Force India von Nico Hülkenberg vorbei, eine Kurve später schnappte er sich Weltmeister Sebastian Vettel, der seinerseits sehr schleppend ins Rennen gestartet war.
Hamiltons Silberpfeil und Vettels Red Bull Racing-Renner berührten sich kurz, und Surer erklärte: «Da haben Beide Glück gehabt, dass sich nur die Räder berührt haben.» Vor dem grossen Crash von Räikkönen hatte auch Force India-Pilot Sergio Pérez ein unliebsames Treffen mit einem Toro Rosso-Renner, das die Rennkommissare umgehend unter die Lupe nahmen. Sie sahen aber von einer Strafe ab. Auch dass Max Chilton nach dem Unterbruch entgegen der geltenden Regeln gleich die Marussia-Box ansteuerte, wurde von den Regelhütern diskutiert. Sie brummten dem Briten gleich eine Boxendurchfahrtsstrafe auf.
Strafe für Fernando Alonso
Nachdem die Reparatur der Leitplanken abgeschlossen worden war, durfte das Feld hinter dem Safety-Car wieder ins Rennen starten. Hamilton startete gleich nach der Rennfreigabe seine Aufholjagd und schnappte sich erst den McLaren-Rookie Kevin Magnussen und eine Runde später dessen Teamkollegen Jenson Button. Pole-Setter Nico Rosberg war zu diesem Zeitpunkt aber schon an der Spitze davongeeilt.
Für Unterhaltung sorgte auch Räikkönens Teamkollege Fernando Alonso, der sich zuerst die beiden Sauber-Piloten Esteban Gutiérrez und Adrian Sutil vornahm und dann Marussia-Pilot Jules Bianchi, Bottas und Toro Rosso-Talent Daniil Kvyat überholte. Der Weltmeister von 2005 und 2006 nutzte die Gelegenheit, und schob sich an Red Bull Racing-Pilot Ricciardo auf Platz 8 vorbei, als dieser einen erfolglosen Überholversuch an den vor ihm fahrenden Hülkenberg startete.
Die Bemühungen des Asturiers waren umsonst: Die Regelhüter brummten ihm eine 5-Sekunden-Stop-and-Go-Strafe auf, weil er eine halbe Wagenlänge zu weit vorne ins Rennen gestartet war. «Das ist eine faire Strafe, er hat ja auch einen Fehler gemacht», ist Surer überzeugt.
Nico Rosberg mit Getriebeproblemen
Kurz nach dem Restart war das Rennen auch für Gutiérrez und Caterham-Neuling Marcus Ericsson gelaufen. Während der Schwede an die Box funkte, dass seine linke Vorderradaufhängung aufgegeben hatte, setzte der Mexikaner seinen Sauber C33-Ferrari im Kiesbett abstellte, nachdem er mit Pastor Maldonados Lotus zusammengekracht war. «Das war nicht okay», schimpfte der 22-Jährige aus Monterrey über Funk. Surer kommentierte trocken: «Wenn sich Mittel- und Südamerika treffen, dann kommt das dabei heraus.»
Nachdem Rosberg an die Box abgebogen war, meldete er ein Problem beim Runterschalten. Das Team teilte ihm mit, dass man sich melden werde, sobald man eine Lösung habe. Hamilton durfte währenddessen Vollgas geben. Der 29-Jährigen aus Stevenage war denn auch bis zu seinem Stopp sehr flott unterwegs, leider klemmte es beim linken Hinterrad und Hamilton verlor die gewonnene Zeit wieder. «Der nächste Stopp muss sitzen», schimpfte er in den Boxenfunk.
In Runde 29 wurde Hamilton für seine Geduld belohnt, er durfte die Führung übernehmen. Denn der Silberpfeil von Teamkollege Rosberg steckte im fünften Gang fest und der 29-Jährige aus Wiesbaden musste seinen Silberpfeil schliesslich abstellen. Hamilton, der nur einen Reifenwechsel vornehmen liess, nahm das Geschenk dankbar an und fuhr in der Folge einen komfortablen Vorsprung von mehr als 40 Runden auf den Rest des Feldes heraus.
Hitziges Duell von Sebastian Vettel und Fernando Alonso
Hinter ihm sorgten weiterhin Alonso und Vettel für Action auf der Strecke. Beide Stars zeigten schöne Überholmanöver, bis sie in Runde 38 aufeinander trafen. Im Duell um Position 5 wurde es etwas hitzig und Vettel klagte: «Er kann doch nicht so die Tür zuschlagen, ich wäre fast in ihn hineingebrettert.» Das Team nahm es gelassen und beruhigte den vierfachen Weltmeister: «Dir bleiben genug Runden, um ihn zu schnappen.»
Kurz darauf beklagte sich Vettel, der bei seiner Jagd mehrere Ausflüge neben die Strecke unternahm: «Er hat mir keinen Platz gelassen, ich hätte ihm locker den Reifen aufschlitzen können.» Die Antwort seines Renningenieurs Guillaume «Rocky» Rocquelin lautete: «Ganz ruhig, du bist klar schneller unterwegs.» Alonso beschwerte sich derweil darüber, weil sein Widersacher die Streckenbegrenzung nicht respektierte, und die Scuderia protestierte kurz darauf auch bei der Rennleitung. Alonso war seinerseits auch nicht immer innerhalb der Begrenzungen unterwegs.
«Diese Zwei schenken sich nichts», erklärte Surer, und fügte an: «Eigentlich müsste man nun Beide verwarnen. Aber solange Beide etwa gleich oft neben der Strecke unterwegs sind, können sich die Regelhüter das schenken. Ich denke, es steht unentschieden, was die Ausflüge neben der Piste angeht.»
Illegales Überholmanöver von Sebastian Vettel?
In Runde 48 drückte sich Vettel schliesslich vorbei, indem er so konsequent die Mittelspur hielt, dass Alonso die Türe nicht mehr zuschlagen konnte. Alonso funkte wütend: «Er stellt den Flügel an Stellen flach, in denen es nicht erlaubt ist. Ich will meine Position zurück, das war illegal.» Surer blieb vorsichtig: «Wir haben es nicht gesehen, deshalb ist schwer vorauszusehen, ob da was war und ob es eine Strafe gibt.»
Am Ende durfte sich Hamilton über seinen zweiten GP-Sieg auf heimischem Asphalt freuen. Damit verkürzte er den Rückstand auf seinen Teamkollegen Rosberg auf bloss vier Punkte. Hinter dem Mercedes-Fahrer kam Valtteri Bottas ins Ziel. Der Williams-Pilot, der damit seinen zweiten Podestplatz feiern durfte, war von Position 14 ins Rennen gestartet und hatte auch nur einen Boxenstopp eingelegt. Den letzten Platz auf dem Siegestreppchen holte sich Ricciardo. Button, Vettel, Alonso, Magnussen, Hülkenberg, Kvyat und Vergne komplettierten die Punkteränge.