Honda: Formel-1-Comeback mit Turbo-Wissen von Daimler
Bei jedem Rennen sind im Fahrerlager sehr geschäftige Japaner anzutreffen. Mit Medienvertretern sprechen dürfen sie in der Regel nicht, dazu sind sie auf viel zu beschäftigt – mit Fotos schiessen und Notizen kritzeln. Die Vertreter von Honda sehen sich sehr genau an, was die Konkurrenz so treibt.
Aus Japan dringen inzwischen mehr und mehr Details über die Art und Weise durch, wie Honda sich für die Formel-1-Rückkehr mit McLaren vorbereitet. Im Werk von Sakura wird Tag und Nacht an jener Antriebseinheit gearbeitet, deren Spezifikation im September feststehen wird und die im Herbst in einem umgebauten McLaren MP4/29 stecken soll.
Einige der Techniklösungen verblüffen. Während Mercedes einen eigenen Turbolader gebaut hat (und auch die eigene Energierückgewinnung), soll der Honda-V6 einen Lader von IHI erhalten. IHI steht für «Ishikawajima-Harima Heavy Industries», einer Firma, die 1853 in Japan als Schiffswerft gegründet worden war und später in den Flugzeug-, Automobil- und Turbinenbau expandierte.
IHI gründet im Mai 2001 zusammen mit dem Daimler-Konzern die Firma «IHI Charging Systems International GmbH» mit Sitz in Heidelberg. Dort entwickelten die Japaner und die Deutschen gemeinsam Aufladesysteme. IHI arbeitet fast mit allen Marken aus der europäischen Autoindustrie zusammen.
Im März 2013 stieg die Daimler AG aus dem Unternehmen aus, doch da waren die Lader-Experten aus Süddeutschland längst zusammen mit den Technikerkollegen im japanischen Mutterhaus am Aushecken von cleveren Turbolösungen für das Formel-1-Aggregat. Wenn Honda also mit einem IHI-Lader kommt, dann steckt auch etwas Daimler-, gleich Mercedes-Wissen darin. Es dürfte daher wenig wundern, dass Honda so wie Mercedes mit einem verhältnismässig grossen Lader arbeitet.
Zum Vergleich: Renault arbeitet mit österreichischen Turboladern von APC/Pankl (Ex-Renault-Sport-Chef Jean-Michel Jalinier hat im Winter Gerüchte dementiert, dass man mit BorgWarner aus den USA kooperiere), Ferrari mit US-amerikanischen Ladern von Garrett-Honeywell.
Komplexer Ladeluftkühler
Die Kühlung der Antriebseinheit ist auch bei Honda ein elementares Thema. Ein moderner Formel-1-Motor samt Energierückgewinnung hat einen um rund 20 bis 25 Prozent höheren Kühlbedarf als einer der früher verwendeten Saugmotoren. Am Ladelufkühler kommt keiner vorbei: denn kühlere, also dichtere Luft enthält mehr Sauerstoff, damit lässt sich mehr Leistung erzeugen.
Honda soll sich für die Zwischenkühlerlösung Wasser/Luft entschieden haben, wenn also die Luftröhren des Kühlers von Wasserjacken umschlossen sind. Vorteil: das erlaubt mehr Kompaktheit als reine Luftkühlung, kleinere Seitenkästen und damit eine bessere Aerodynamik. Nachteil: ein komplexes Wasserleitungssystem bedeutet mehr Gewicht. Ferrari und Mercedes verwenden die Wasser-Luft-Variante, der riesige Ladeluftkühler im Renault weist auf eine Luft-Luft-Lösung hin.
In Sachen Einspritzung (in einer modernen Antriebseinheit wird der Kraftstoff mit einem Druck von 500 bar direkt in die Brennkammer gespritzt) haben sich Mercedes und Renault für eine Lösung von Bosch entschieden (obschon die erste Version des französischen Motors mit einer Einspritzung von Magneti-Marelli entwickelt worden war), Ferrari und offenbar nun auch Honda arbeiten mit Magneti-Marelli.
Die Leitung des Projekts hat Honda-Motorsportchef Yasuhisa Arai inne, Technikdirektor ist Kazuo Sakurahara, als Chefberater ist der frühere Ferrari- und FIA-Motorentechniker Gilles Simon aus Frankreich verpflichtet.
Honda hat mit McLaren die grössten Formel-1-Erfolge seiner Historie erobert: Von 1988 bis 1991 gab es vier Fahrer-WM-Titel in Serie (Senna, Prost, Senna, Senna), im gleichen Zeitraum wurde vier Mal in Serie der Konstrukteurs-Pokal gewonnen.