Studie: Darum kracht es zwischen Hamilton und Rosberg
Hat sich Mercedes selbst ein Ei gelegt?
Nach dem Crash zwischen Lewis Hamilton und Nico Rosberg beim Grand Prix von Belgien hat das WM-Titel-Duell zwischen den beiden Mercedes-Piloten an Schärfe zugenommen. Selbst zwei Wochen später, beim Rennen im italienischen Monza, glich die Atmosphäre zwischen den beiden 29-Jährigen noch eher einer Eiszeit als einem guten Verhältnis zwischen Teamkollegen. Vor dem Hintergrund dieses Teamduells bei Mercedes stellte sich eine Gruppe der Londoner Cass Business School, eines Teils der City University London, die Frage, ob es besser sei, zwei Fahrer mit demselben Status anzuheuern, oder lieber auf einen Top-Piloten mit einer ihn unterstützenden Nummer 2 zu setzen?
Nachdem sie alle Fahrer in allen Grands Prix zwischen 1981 und 2010 studiert hatten, kamen die Forscher zu der Erkenntnis, dass es sich nachteilig auf die individuelle Leistung auswirkt, wenn zwei Top-Piloten nicht nur Teamkollegen sind, sondern auch gegeneinander fahren. Die statistische Studie schloss Aspekte wie das Alter der Fahrer, ihre frühere Rennerfahrung, familiäre Hintergründe (ob andere Personen in der Familie mit dem Motorsport zu tun haben), Verletzungen und auch Aspekte wie die Innovationen jedes Rennwagens und das jährliche FIA-Reglement ein.
«Wir haben herausgefunden, dass Fahrer, die in der Vergangenheit erfolgreich waren, höchstwahrscheinlich auch in der Zukunft gute Leistung bringen werden. Wenn sich allerdings der Unterschied zwischen den vergangenen Erfolgen zweier Teamkollegen verringert, verschlechtern sich auch ihre individuellen Ergebnisse», erklärte der Co-Autor der Studie Dr. Paolo Aversa, Strategie-Dozent an der Cass Business School. «Anders gesagt: Es ist gut, einen Top-Fahrer anzuheuern, doch seine durchschnittliche Leistung fällt ab, wenn sein Teamkollege in der Vergangenheit ähnlich erfolgreich war.»
Studien-Ergebnisse nicht nur auf die Formel 1 anwendbar
Die Ergebnisse der Studie träfen aber nicht nur auf die Formel 1 zu, auch außerhalb des Rennsports träfen die Ergebnisse der Studie zu und würden erklären, wieso Topleute aus einem Unternehmen nach dem Wechsel in ein anderes den Erwartungen nicht immer gerecht werden, sagte Dr. Aversa.
«Dieses Phänomen trifft auf Topmanager in öffentlichen und privaten Organisationen, führende Wissenschaftler in F&E-Teams und Filmstars in Hollywood zu. Organisationen, die mehrere 'Stars' anheuern, um das perfekte Team aufzustellen, laufen Gefahr, zwei Hähne in denselben Hühnerstall zu setzen, was den Forschungsergebnissen zufolge die individuelle Performance der Teammitglieder untergraben kann», so Aversa.
Der Grund, wieso die individuelle Leistung in einem Team mit mehr als einem Star abfalle, liegt laut Dr. Aversa in der Entstehung von internen Teamkonflikten, da zwei Spitzenkräfte um die gleichen Ergebnisse konkurrieren. In der Formel 1 wird das Problem oft dadurch gelöst, dass ein Team einen Nummer-1-Fahrer benennt und den anderen zum Wasserträger macht. Bei Mercedes setzt man jedoch darauf, dass sich beide gegenseitig zu Höchstleistungen antreiben, wenn man sie frei fahren und ihre Differenzen auf der Strecke austragen lässt.
Nummer-1 und Nummer2-Fahrer auch keine Lösung
«Allerdings führt keine der beiden Optionen zu einem positiven Ergebnis», meint Dr. Aversa. «Die erste Option demotiviert beide Fahrer, da der erste sich angesichts des ausgeschalteten Konkurrenzkampfes zurücklehnt und der zweite seinen Ehrgeiz verliert, weil er seinen Kollegen nicht überholen darf. Die teaminterne Rivalität zwischen Barrichello und Schumacher zu Beginn des Jahrzehnts ist ein gutes Beispiel hierfür.»
Aber auch die Mercedes-Politik ist laut Aversa nicht der Stein der Weisen. «Im zweiten Fall fördert das Team den internen Konflikt. Die dadurch entstehende Feindseligkeit führt oft zu einem Scheitern der teaminternen Zusammenarbeit und kann letztendlich aggressive Duelle und eventuell sogar einen Crash zur Folge haben. Genau das geschah beim jüngsten Unfall zwischen Hamilton und Rosberg in Belgien.»
Ein zweiter Grund für die verminderte individuelle Leistung in Teams mit zwei Top-Stars sei die ineffiziente Nutzung der Ressourcen. Wenn zwei Fahrer den gleichen Status genießen, sei es möglich, dass das Team beschließe, die verfügbaren Ressourcen gleich auf die beiden Stars aufzuteilen, auch wenn die Gewinnchancen des Teams durch diese Entscheidung nicht maximiert werden. Darüber hinaus sei es nicht unwahrscheinlich, dass jeder Fahrer versuche, die besten Ressourcen des Teams für sich zu beanspruchen, was den internen Zuteilungsprozess verzögern könne.
«Teams verlangsamen ihren Entscheidungsprozess, wenn sie abwägen müssen, wie sich die Bevorzugung eines Fahrers gegenüber dem anderen auswirkt. In extrem kompetitiven Umfeldern wie der Formel 1, wo die Teams ihre Ressourcen bündeln und schnell auf Veränderungen im Wettbewerb reagieren müssen, schadet dieses Verhalten sowohl der Leistung der Fahrer als auch derjenigen des Teams.»
Gibt es eine Ideallösung?
Und wie sähe die ideale Lösung zur Vermeidung derartiger Konflikte aus? Dr. Aversa meint, es müsse eine klare Strategie geben. «Wenn Teams zwei Stars anheuern, müssen sie ihre Strategie vom ersten Tag an klar vermitteln. Denn dann sind die Erwartungen, die an beide Fahrer gestellt werden, eindeutig definiert und jeder weiß, was er in welcher Situation zu tun hat. Ansonsten kommt es zu Verwirrung und zu Problemen wie dem Crash zwischen Hamilton und Rosberg beim Grand Prix in Spa.»
Am 22. September werden die Autoren, von Dr. Paolo Aversa (Cass Business School, City University London), Prof. Gino Cattani (Stern Business School, New York University) und Dr. Alessandro Marino (Management Department, Luiss University, Rom) die genauen Ergebnisse ihrer Studie «Why do high status employees underperform? A study on conflicting status within Formula 1 racing», anlässlich der Strategic Management Society Conference in Madrid präsentieren.