David Coulthard: «Lewis Hamilton ist wie Superman»
David Coulthard interviewt Lewis Hamilton
Das Duell der Silberpfeil-Fahrer 2014 – das Pendel schwingt ständig hin und her, nicht nur, was die Ergebnisse anbelangt, sondern auch aus psychologischer Sicht. Lewis Hamilton hat mit zwei Siegen hintereinander in Monza und Singapur wieder die Oberhand: 241:238-Führung. Nico Rosberg muss sich nach zwei Fahrfehlern in Italien und dem Elektrikdefekt beim Nachtrennen wieder fangen.
David Coulthard, früherer Formel-1-Fahrer und WM-Zweiter 2001, lobt in seiner Kolumne als BBC-GP-Experte: «Auf mich wirkt Hamilton reifer als in den Jahren zuvor. Schon kurz nach dem Sieg in Singapur sprach er übers kommende Rennen in Suzuka, das zeigt – er denkt ans grössere Bild.»
David Coulthard weiter: «Was ich gut fand – Lewis hat in dieser Saison ein paar Mal erwähnt, dass er mehr technische Probleme gehabt hat als Nico Rosberg. Aber nach dem Rennen hat er darüber keine Silbe mehr verloren. Das zeugt von einer gewissen Milde, die auf dem Prinzip der Fairness basiert. Lewis hat zwar keine Probleme, auf Dinge hinzuweisen, die weh tun, etwa, wenn er Teamdaten herzeigt wie damals bei McLaren oder wenn er über Interna aus einer Mercedes-Sitzung spricht, wie in Belgien. Aber diese Handlungen gründen darin, dass er sich unfair behandelt sah, also suchte er nach Mitteln und Wegen, das auszugleichen.»
«Gleichzeitig hat er als echter Racer einen ausgeprägten Respekt seinen Rivalen gegenüber. Wer ihm blöd kommt, muss mit einer Reaktion rechnen. Aber dann ist das vom Tisch, und er ist wieder der normale Lewis Hamilton. Die Faust in der Luft sehen wir bei ihm nur, wenn er den Helm aufhat. Das ist kein Zufall.»
«Auf den Siegerpodesten kommt er mir bisweilen schon fast verlegen vor, wenn man ihn auf eine tolle Leistung anspricht. Es ist fast ein wenig wie der biedere Reporter Clark Kent. Wenn Lewis den Helm aufsetzt, dann wird aus dem tapsig-schüchternen Kent jeweils Superman.»
«Auch ich finde es schade, dass uns durch den Ausfall von Nico in Singapur ein tolles Duell entgangen ist. Und selbst wenn viele sagen, der Defekt sei so etwas wie ausgleichende Gerechtigkeit und auf eine Saison hinaus sei die Ausfallsrate bei allen ungefähr identisch, so stimmt das nicht – Weltmeisterschaften sind durchaus nicht immer vom besten oder schnellsten Mann gewonnen worden, sondern viele Male vom glücklichsten.»
«Nico Rosberg hat den Tiefschlag mit Grösse eingesteckt. Mit solchen Problemen musst du als Formel-1-Fahrer umgehen können. Sonst bist du im falschen Sport. Gleichzeitig finde ich schon, dass an Rosberg die Geschehnisse in Belgien und Italien nicht spurlos vorbeigegangen sind. Die Kollision und die Nachbeben von Spa-Francorchamps, die Fahrfehler und die Buhrufe auf dem Siegerpodest von Monza, das alles hat ihn mitgenommen, er ist da nicht wie ein Michael Schumacher, der zu solchen Geschehnissen viel distanzierter war.»
«Nach dem Singapur-GP muss Rosberg niedergeschlagen sein, aber er hat noch alle Chancen, das Blatt wieder zu wenden. Nico muss niemandem etwas beweisen, aber den WM-Titel im gleichen Team wie Lewis Hamilton zu holen, das würde ihm eine Anerkennung verschaffen, die ihm bislang von vielen verwehrt geblieben ist.»