Formel 1: Geht McLaren gegen FIA vor?

Sauber gegen Giedo van der Garde: Wie geht es weiter?

Von Mathias Brunner
Sauber-Teamchefin Monisha Kaltenborn

Sauber-Teamchefin Monisha Kaltenborn

Kein Auto auf der Bahn, ein Rennfahrer im Overall eines anderen, Wirbel vor dem Gericht in der Innenstadt von Melbourne – Sauber ist der grosse Aufreger in Australien.

Die Nachricht verbreitete sich wie ein Lauffeuer: Am Tor des Formel-1-Fahrerlagers beim Albert Park Circuit seien die Gerichtsvollzieher aufmarschiert – um das Material von Sauber zu beschlagnahmen. Wie sich herausstellte, erwies sich das als schlechter Scherz. So richtig lachen kann darüber niemand. Denn die Unsicherheit bleibt, wie es im Rechtsstreit zwischen Sauber und Giedo van der Garde weitergeht.

Neue Aufregung als zwei Polizisten durchs Fahrerlager schreiten. «Jetzt wird Monisha Kaltenborn verhaftet», will ein Beoabachter herausgefunden haben. Das ist eine Räuberpistole: die Beamten haben einen ganz anderen Auftrag und beachten Sauber mit keinem Seitenblick.

Ein Sauber-Teammitglied sagt, angesichts des Medienaufmarsches am Sauber-Gästebereich: «So viel Aufmerksamkeit hätten wir nicht mal, wenn wir hier ein Rennen gewinnen würden.» Es soll als Galgenhumor verstanden sein, aber das Gesicht des langjährigen Sauber-Mitarbeiters spricht Bände – die Sauber-Truppe leidet.

Gerüchte über Gerüchte und seitens Sauber herrscht weiterhin Schweigen. «Wir bedauern, uns derzeit nicht zu diesem Fall äussern zu können», sagt Sauber-Sprecher Hanspeter Brack.

Die Faktenlage: Giedo van der Garde hat zwar vor Gericht erzwungen, dass ihm bei Sauber ein Cockpit gebührt, aber mangels Superlizenz haben ihn die Regelhüter der FIA nicht fahren lassen.

Um genau zu sein, ist niemand bei Sauber gefahren, denn weder Felipe Nasr noch Marcus Ericsson gingen im ersten Training zum Australien-GP auf die Bahn. Ein Vorgehen, welches die Sauber-Anwälte dem Schweizer Rennstall offenbar dringend empfohlen haben.

Eine Stunde vor Beginn des zweiten freien Trainings hat Richter Clyde Croft den Vorsitz in der Anhörung über die jüngsten Vorstösse der Anwälte von Giedo van der Garde. Die Rechtsvertreter des niederländischen Rennfahrers wollen einen Gerichtsbeschluss erwirken, wonach das Material des Sauber-Rennstalls beschlagnahmt und Teamchefin Monisha Kaltenborn inhaftiert wird. Dies mit dem Argument, dass das Urteil von vorgestern Mittwoch und damit das Gericht missachtet worden sei. Dieser Beschluss besagte, dass Sauber nichts tun dürfe, das Giedo van der Garde vom Fahren abhalte.

Das Material, so der Antrag weiter, solle so lange unter Verschluss gehalten werden, bis der Gerichtsentscheid zu Gunsten Giedo van der Gardes umgesetzt sei.

Wie geht es nun weiter?

Zunächst wird Richter Croft über den Antrag der Anwälte von Giedo van der Garde entscheiden. Die Sauber-Anwälte werden bei der Anhörung ins Feld führen, man habe den Niederländer fahren lassen wollen, doch leider habe er eben keine Superlizenz.

Je nach Urteil von Richter Croft: Sollte Sauber nachgeben und die FIA Giedo van der Garde eine Superlizenz erteilen, so wird Marcus Ericsson seinen Platz räumen. Dann würden die Schweizer mit van der Garde sowie Felipe Nasr fahren. Jedenfalls an diesem Wochenende. Denn obschon Richter Croft davon überzeugt ist, dass sein Urteil (das Cockpit gehört van der Garde) für die ganze Saison gelte, sind Rechtexperten uneins darüber, ob ein Urteil in Australien beispielsweise auch für Rennwochenenden in Malaysia oder China Gültigkeit hat.

Der stärkste Eindruck im Fahrerlager ist ein Satz, den wir immer und immer wieder hören: «Wie konnte eine gelernte Juristin an der Spitze eines Rennstalls einen solchen Schlamassel zulassen?»

Ein Sauber-Sympathisant würde sagen: Weil die Chefin verzweifelt alles daran setzt, den Rennstall am Leben zu erhalten. Und dazu gehört offenbar, einen Vertrag mit einem Piloten zu ignorieren, weil zwei andere Piloten mit mehr Geld vor der Tür standen.

Ein Sauber-Kritiker würde sagen: Weil sie davon überzeugt war, mit so einem Geschäftsgebaren durchzukommen und sich über die Gültigkeit von Verträgen hinwegsetzen zu können.

Ob wir von Monisha Kaltenborn heute Antworten erhalten, ist ungewiss. Sie sollte eigentlich an der FIA-Pressekonferenz der Teamchefs um 18.30 Uhr Lokalzeit teilnehmen (= 8.30 Uhr europäischer Winterzeit). Ob sie zu dieser Konferenz erscheint, können Vertreter der FIA derzeit nicht zusichern.

Das böseste Gerücht im Fahrerlager von Australien: Giedo van der Garde wolle Sauber in den Kollaps treiben – und dank der Millionen seines Schwiegervaters das Team als Scherbenhaufen dann billig übernehmen.

Eines steht jetzt schon fest: Giedo van der Garde wird auch am zweiten Training nicht teilnehmen – der Niederländer hat die Rennstrecke verlassen.

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