John Watson: Hat Christian Horner Verstand verloren?
John Watson nimmt die Formel 1 hart in die Kritik
Die Formel 1 steckt in einer Krise, doch die Mächtigen im Sport wollen das laut Grand-Prix-Sieger John Watson nicht einsehen und verschliessen die Augen vor den Problemen. Watson warnt, dass man nun schnell reagieren müsse, um die Königsklasse wieder besser aufzustellen.
Nach langem Höhenflug und ausverkauften Tribünen befindet sich die Formel 1 seit ein paar Jahren im Rückwärtsgang. Nicht nur vor Ort bleiben die Zuschauer zu Hause, auch an den heimischen Fernsehschirmen schalten immer weniger Menschen ein, wenn Lewis Hamilton, Nico Rosberg, Sebastian Vettel und Co. ihre Runden drehen.
Jüngster Tiefpunkt war der Grand Prix von Australien vor knapp zwei Wochen, zu dem einige Teams nur nach einer Finanzspritze von Bernie Ecclestone fliegen konnten. Am Ende standen dann trotzdem nur 15 Autos in der Startaufstellung, nur elf davon kamen ins Ziel.
«Die Formel 1 hat ein riesiges Problem, aber die Mächtigen im Sport stecken den Kopf in den Sand», sagt John Watson dem «Guardian». «Zwei Drittel der Teams haben zu kämpfen und schaffen es kaum zu den Rennen. ?Das bedarf es einer kritischen Selbsteinschätzung, was man mit dem Sport überhaupt erreichen will. Das Produkt braucht einen ordentlichen Kickstart.»
«Bernie Ecclestone hat für CVC phänomenale Arbeit geleistet, aber irgendjemand muss einschreiten, weil sich der mittlere und hintere Teil des Feldes in einem schlimmen Zustand befindet. Man kann keine Rennen mit nur vier großen Teams abhalten. Ich bin mit dem Autoverband FIA unzufrieden.»
Sauber ein Beispiel für Verzweiflung einiger Teams
Aber nicht nur die Teams, auch die Veranstalter, besonders jene in Australien, seien Leidtragende der Situation. «Mir tun sie leid», erklärte Watson. «Sie haben vielleicht das beste Rennen des Jahres organisiert. Das ist ein großartiges Event, aber es ging die ganze Woche nur um Giedo van der Garde und seinen Vertrag mit Sauber. Sauber hat einen Fehler gemacht und es war ein Beleg dafür, wie verzweifelt einige Teams in der Formel 1 sind.»
Zu allem Übel hat im Rennen dann auch noch ein großer Teil der Autos gefehlt. «Australien schätzt hoch ein, was das Rennen für Melbourne und Victoria bringt. Sie lieben ihren Sport, aber sie werden ihre Ansichten über dieses Event kundtun und es war kein guter Grand Prix.»
In Watsons Augen haben die Versuche, die Kosten einzudämmen, neue Probleme geschaffen. «Das Reglement erlaubt nicht, dass man in diesem Jahr einen völlig neuen Motor herstellt, also müssen die Teams das Beste aus ihren Entwicklungs-Wertmarken machen. Das bedeutet aber, dass Mercedes, die voll ins Schwarze getroffen haben, jetzt eine totale Dominanz genießt.»
Ein weiteres Problem sei die Reduzierung der Testzeit, «auch um Kosten zu sparen», kritisierte der 68-Jährige. «Und in dieser Saison haben die Teams nur vier anstatt fünf Motoren zur Verfügung. Wegen der mageren Motorenerlaubnisse will daher auch keiner viele Kilometer fahren. Diese Hybridmotoren sind aber so kompliziert, dass jeder die Zeit auf der Strecke braucht. Die Hälfte des Problems sind verdammte Prozeduren. Es ist verrückt, total verrückt!»
Auch der kommerzielle Rechteinhaber, CVC, bekommt sein Fett weg. Watson findet, die Firma müsse genau überlegen, wie viel Geld man aus einem Sport abziehen kann, der pro Jahr rund zwei Milliarden Euro umsetzt und in dem die Hälfte der Teams finanzielle Schwierigkeiten hat. «Das ist ein Punkt, über den man nachdenken muss, damit der Sport das Geld wert bleibt, das die Fans dafür ausgeben, entweder an der Strecke oder im TV.»
Kritik von Christian Horner total unangemessen
Damit ist der Rundumschlag des 152-fachen Grand-Prix-Teilnehmers aber immer noch nicht zu Ende. Auch Red Bull Racing-Teamchef Christian Horner bleibt nicht verschont. «Was Christian über Renault gesagt hat, ist ungeheuerlich. Hat der Typ den Verstand verloren? Es gab einige unnötige und unverblümte Bemerkungen über die Renault-Antriebseinheit. Diese Bemerkungen sollte man sich für Meetings hinter verschlossenen Türen aufheben.»
Renault würde ein Vermögen ausgeben, damit Red Bull Racing Erfolg haben könne, betont Watson. «Wenn ich Renault wäre, dann wäre ich stinksauer, dass Christian die Hand beisst, die ihn füttert. Die Beziehung scheint sich sehr schnell zu verschlechtern. Die öffentlichen Angriffe sind unangemessen und kontraproduktiv.»
Im Vorfeld des Grand Prix von Malaysia sieht Watson die allgemeine Situation in der Formel 1 pessimistisch, und schuld daran hätten die Teams, die sich das Leben neben der Rennstrecken unnötig schwer machten und nur ihre eigenen Interessen vertreten würden.
«Die Formel 1 muss aus dem Loch, in dem sie sich befindet, wieder herauskommen, aber das Problem ist, dass die Teams alle politische Spielchen spielen. Sie wollen alle immer etwas zurückbekommen, damit sie sich auf etwas einigen können. Einige Teams sind nicht weise genug zu realisieren, dass sie vielleicht etwas aufgeben müssen, um das zu retten, was in den letzten 40 Jahren so ein fantastischer Sport war. Es gibt zu viele Eigeninteressen.»