McLaren-Honda: Risse in Fassade, Flitterwochen vorbei
Glück sieht anders aus: Eric Boullier und Yasuhisa Arai
Wann kracht es bei McLaren-Honda? Mit nur fünf Punkten ist das vermeintliche Traumpaar gegenwärtig Zweitletzter im WM-Zwischenklassement, noch miserabler ist lediglich Manor-Marussia (ohne Punkte). So schlecht stand McLaren seit dem Debüt in der Formel 1 im Jahre 1966 noch überhaupt nie da! Kein Zweifel entstehen langsam erste Risse in der Fassade, die Flitterwochen scheinen endgültig vorbei zu sein.
Schon im Mai hatte Lotus-Entwicklungspilotin Carmen Jordá aus dem Nähkästchen geplaudert: «Ich habe bei einem der vergangenen Rennen mit einem Ingenieur geredet, und er hat mir gesagt, dass die Briten der Japaner langsam etwas überdrüssig sind.»
Diese brisante Aussage hatte Jordá bei Cadena SER deponiert, dem grössten und ältesten Radiosender von Spanien. Cadena SER wird jeden Tag im ganzen Land von rund fünf Millionen Menschen gehört. McLaren hatte wenig Freude daran, als Jordá enthüllte: «Er sagte mir, dass die japanischen Techniker alles doppelt und dreifach ausprobieren wollen. Selbst dann, wenn die britischen Spezialisten wissen, dass eine bestimmte Lösung nicht funktioniert und sie das den Japanern auch sagen. Und das ist der Grund, wieso alles so langsam vorwärtsgeht. Es ist nicht so, dass zwischen den englischen und japanischen Ingenieuren Disharmonie herrscht. Aber Honda kommt mit all diesen Männern daher, die der Überzeugung sind – wir wissen schon, was zu tun ist. Dabei haben die Engländer doch viel mehr Formel-1-Erfahrung, die sie gerne einbringen würden, um bestimmte Dinge anzupacken. Doch die Japaner folgen ihren eigenen Vorstellungen.»
Inzwischen erhöht McLaren den Druck. Der französische McLaren-Teamchef Eric Boullier sagte im Rahmen des Silverstone-GP zu den mangelhaften Fortschritten: «Natürlich sorgt das für einen gewissen Schaden. Unsere Marke definiert sich über Erfolge und die Fähigkeit, regelmässig Erfolge einzufahren. Die kommerzielle Situation ist schmerzlich, viele Leute und Unternehmen arbeiten mit uns zusammen und viele fragen nach den Ursachen für die schlechten Ergebnisse.»
«Ich sage das Honda-Rennchef Arai jeden Tag – wir müssen so bald als möglich Erfolg haben. Was genau hinter verschlossenen Türen gesprochen wird, das verrate ich nicht. Aber der Schmerz ist offensichtlich. In der Formel 1 lässt sich nichts verbergen. Und die Medien fragen schon das Richtige. Wir brauchen mehr, und das Mehr muss zu mehr als der Hälfte von Honda kommen. Sie wissen das, wir wissen das.»
Doch Yasuhisa Arai dementiert gegenüber meinem Kollegen Livio Oricchio beim Online-Portal von Globo Esporte in Brasilien, dass die Partnerschaft in einer Krise stecke, eine Krise, in welcher aus Rissen schnell einmal Brüche werden könnten: «Wir vertrauen einander», meint der Japaner. «Natürlich gibt es immensen Druck, dass wir zulegen, aber wir besprechen alles gemeinsam. Und wenn wir ab und an eine Lösung haben und das Team eine andere, dann ist das in einer Partnerschaft nichts weiter als normal.»
Arai dementiert auch, dass Honda sich weigere, die Ressourven von McLaren voll zu nutzen: «Wir arbeiten mit „McLaren Applied Technologies“, seit dieses Projekt begonnen hat. Sie haben beispielsweise Software für unsere Motor-Elektronik geschrieben. Und das haben sie exzellent erledigt.»
Auf die Frage, ob diese Kooperation vertieft werden, sagt Arai jedoch: «Wir brauchen keine Hilfe in Sachen Technik. Guter Rat ist immer willkommen, aber technische Lösungen von ausserhalb sind nicht notwendig. Ich hoffe, ab Spa-Francorchamps können wir zulegen. Ich weiss, dass wir derzeit den Erwartungen nicht entsprechen. Gebt uns ein wenig Zeit, die zweite Saisonhälfte wird besser.»
Arai beteuert, er habe das Vertrauen der McLaren-Teamführung und auch jenes der Honda-Konzernzentrale.