Monza-GP: Hamilton (Mercedes) vor Aus? Darum geht es!
Wisch und weg: Verliert Lewis Hamilton seinen Sieg?
Reisen die Tifosi gegenwärtig aus Monza ab, ohne zu wissen, dass ihr Ferrari-Idol Sebastian Vettel als Sieger dieses Rennens in die Annalen eingehen wird? Gegen Mercedes läuft eine Untersuchung – an den beiden Silberpfeilen von Nico Rosberg und Lewis Hamilton ist vor dem Rennen im Rahmen einer Stichprobe ein zu niedriger Reifendruck gemessen worden.
Beim linken Hinterrad vom Wagen von Lewis Hamilton lag der Druck um 0,3 PSI unter dem von Pirelli ausgegebenen Richtwert von 19,5 PSI für die Hinterräder, bei Rosberg sogar um 1,1 PSI.
Zum Schluss des Monza-GP war Hektik am Kommandostand aufgefallen, dann erregte Diskussionen unter Technikern und Teamführung. Anschliessend erhielt Hamilton über Funk die Anweisung, seinen Vorsprung zu vergrössern.
Frage an Mercedes-Motorsportdirektor Toto Wolff: Wieso?
Der Wiener sagt: «Wir wollten einfach nochmals einen so gross wie möglichen Vorsprung herausholen. Für verschiedene Szenarien.»
Etwa, nochmals einen Stopp einzulegen. Oder einen genügend grossen Vorsprung zu haben, falls wegen eines möglichen Vergehens eine Zeitstrafe auf die Rennzeit angerechnet würde.
Wolff: «Wir brauchen gar nicht um den heissen Brei herumreden. Diese Strafe stand im Raum. Oder dass es vielleicht eine Durchfahrtstrafe gibt. Oder eine Strafe, die aufaddiert wird. Es ist eine neue Situation, deshalb wollten wir einen Abstand generieren.»
Wolff zu den Vorwürfen wegen des Reifendrucks: «Es wurden Reifendrücke vorgegeben von Pirelli. Jetzt gibt’s Gerüchte, dass einige Teams diese Reifendrücke nicht eingehalten haben. Wie das gemessen wurde, weiss ich nicht. Wir sind angeblich auch betroffen, ich kann nur sagen, dass wir alles eingehalten haben.»
Lewis Hamilton: «Ein Unterschied von 0,3 auf einem Hinterreifen, das bringt in Sachen Leistungsfähigkeit gar nichts.»
Doch für Williams-Technikchef Pat Symonds ist klar: «Sich nicht an die Vorgaben von Pirelli zu halten, ist eine Verletzung der technischen Vorgaben und schlimmer noch eine Verletzung des Sicherheitsstandarts, darauf kann es nur eine Antwor geben – Disqualifikation.»
Die Richtwerte sind von Formel-1-Reifenausrüster Pirelli eingeführt worden als direkte Folge der Reifenplatzer bei Nico Rosberg und Sebastian Vettel in Belgien. Die FIA hatte den Teams gegenüber klargemacht, dass man keine Mauscheleien in Sachen Reifendruck akzeptieren würde.
Toto Wolff: «Wir sind jetzt zu den Stewards gerufen, dann wird diskutiert. Dann werden die Daten auf den Tisch gelegt. Das ist wie vor Gericht.»
Reifendruck: Die Vorgeschichte
Bis vor dem ersten Training zum Monza-GP am Freitagmorgen war gerungen worden. Dann stand als Folge der Pirelli-Reifenschäden von Belgien fest: Der Radsturz wird als künftiger Richtwert rundum um jeweils ein halbes Grad verringert – neu beträgt der Maximalsturz vorne minus 3 Grad, hinten minus 2 Grad. Der Reifendruck wird von 18 PSI rundum angehoben auf 21 vorne und 19,5 hinten. Pirelli wollte sogar 23 vorne und 22 hinten.
Pirelli erhoffte sich durch die Erhöhung des Drucks eine Entlastung der Reifenschulter, die Techniker der Rennställe führten ins Feld, der Reifen werde sich dadurch auf der Lauffläche mehr erhitzen, das begünstige Blasenbildung. Doch am ersten Tag zeigte sich: richtige Probleme gab es mit den neuen Werten nicht.
Schnell jedoch machte im Fahrerlager von Monza die Runde: Haben einige Rennställe bereits Mittel und Wege gefunden, um zwar beim Verlassen der Box den neuen Richtwerten zu entsprechen, dann jedoch im Fahrbetrieb mit weniger Reifendruck zu fahren, was die Haftung verbessert und damit die Rundenzeit?
Normalerweise steigt im Fahrbetrieb der Reifendruck. Der gegenteilige Effekt lässt sich beispielsweise erzielen, wenn die Reifen in ihren Heizdecken übermässig aufgewärmt werden.
Unterstellt wird auch, dass ein Fahrer nach einer Runde (auf die mit korrektem Druck gegangen wird) an die Box fahren kann, wo dann der Druck manuell verringert wird.
Das alles widerspricht den Vorgaben von Pirelli und kann die Sicherheit kompromittieren. Der Mailänder Reifenhersteller hat daher allen Teams gegenüber klar gemacht: man habe die Rückendeckung von FIA bezüglich verschärfter Kontrollen.
Wird jemand in einer Grauzone erwischt, was den Umgang mit den schwarzen Walzen angeht, obliegt es den Rennkomissaren, entsprechend zu handeln.
Allerdings: die Vorgaben von Pirelli sind in keinem Reglement verankert, das lässt viel Raum für Interpretationen – und weiterhin heisse Köpfe.
Die vier Rennkommissare in Monza sind Lars Österlind (Schweden), Tim Mayer und Danny Sullivan (USA) sowie Paolo Longoni (Italien).