Ferrari: Seit 2014 gegen Mercedes 90 PS aufgeholt?
Ferrari-Präsident Sergio Marchionne hat die Marschrichtung vorgegeben: «Für 2016 erwarte ich kein Ferrari, das einen Rückstand aufholt. Ich erwarte eine Scuderia, die um den WM-Titel kämpft.»
Die Fortschritte von Ferrari sind verblüffend: 2014 im Jammertal und sieglos, mit einem demotivierten Fernando Alonso, der wusste, dass er mit Ferrari nicht Weltmeister werden kann, wieder nicht, und einem verzweifelten Kimi Räikkönen, der mit dem Fahrverhalten des letztjährigen Rennwagens aus Maranello nicht klarkam.
Zwölf Monate später hat sich vieles geändert: Ferrari hat das Saisonziel mit drei Siegen erreicht (Sebastian Vettel triumphierte in der Hitze von Malaysia, im Chaos von Ungarn und in der Nacht von Singapur), der Deutsche hat in der WM Nico Rosberg den zweiten WM-Rang abgeknöpft, und hinter den Kulissen sind die Weichen gestellt, um die Tifosi 2016 vom Titel träumen zu lassen.
Teamchef Maurizio Arrivabene in Sotschi: «Wir haben kein Team, das noch für 2015 arbeitet, wir haben ein Teamchen (Maurizio sagt auf Italienisch «una squadretta», als Verniedlichungsform von «squadra», M.B.). Aber der grösste Teil des Teams arbeitet schon am 2016er Rennwagen, und wieder eine andere Gruppe arbeitet am 2017er Renner. So sind wir aufgestellt für die Zukunft.»
Doch die Italiener wissen: Um auf Augenhöhe mit Mercedes zu kommen, ist nochmals ein Schritt nach vorne notwendig, wie er von 2014 zu 2015 getan wurde. Aus Kreisen des Teams sickert durch: Der diesjährige Turbo-Motor ist um 90 PS kraftvoller als das 2014er Aggregat!
Ferrari-Technikchef James Allison gegenüber den Kollegen der britischen Sky: «Ich schätze, in Rundenzeit ausgedrückt sind wir im Schnitt um gut acht Zehntelsekunden pro Runde schneller geworden. Das würde heissen: wir haben gut die Hälfte unseres Rückstands auf Mercedes wettgemacht. Wir müssen also nochmals einen solchen Schritt tun, denn bei unseren Gegner steht die Entwicklung ja auch nicht still. Aber wir trauen uns zu, dass wir das schaffen.»
Noch ist nicht klar, welches Motorreglement für 2016 gilt: Müssen die Teams bis 28. Februar 2016 die Homologationsversion ihrer V6-Turbo eingereicht haben oder ist wie 2015 mehr Entwicklung möglich? Darüber wird noch diskutiert, aber gemäss James Allison spielt das keine Rolle: «Wir haben eine gute Chance darauf, im kommenden Jahr konkurrenzfähig zu sein, ungeachtet dessen, welcher Weg in Sachen Regeln eingeschlagen wird.»
Weltmeistermacher Toto Wolff, Teamchef von Mercedes, ist gewarnt: «Ich habe damit gerechnet, dass Ferrari die Lücke verringert, aber das ist den Italiener schneller gelungen als erwartet. Das wird 2016 ein Wahnsinnskampf.»
Zur Erinnerung: Der letzte WM-Titel von Ferrari bei den Piloten geht auf 2007 zurück (Kimi Räikkönen), der letzte Markentitel wurde 2008 errungen.