Max Mosley und Bernie Ecclestone: Träume alter Männer
Bernie Ecclestone und Max Mosley
Und wieder einmal schimpfen Bernie Ecclestone, der Baumeister der modernen Formel 1, und Max Mosley, von 1993 bis 2009 Präsident des Automobil-Weltverbands FIA, über den modernen Grand-Prix-Sport. Zweifellos haben die beiden Briten zu ihren besten Tagen viel Gutes für unseren Liebslingssport getan. Nun aber wirken sie mit einigen Aussagen ewiggestrig, leicht vergesslich und hilflos.
Beide sagen beispielsweise im Chor: Die Formel 1 müsse einen unabhängigen Motorhersteller haben, dann wäre man heute nicht in den Händen der Motorlieferanten.
Aber, bitteschön: Wer hat denn das heutige Reglement ausgedacht?
Die neue Turbo-Ära ist ein Stiefkind der Schnapsidee des so genannten Weltmotors – eines Basistriebwerks für alle führenden Rennsportserien. Schon damit sollten mehr Konzerne in den Sport gelockt werden. Der Weltmotor kam nicht, statt dessen die Hybridtechnik: sündhaft teuer, von Herstellern wie Renault und Mercedes gefordert, die nach Serienrelevanz lechzten. Honda wäre ohne die neue Motorformel nie in die Formel 1 zurückgekommen.
Was FIA und auch Ecclestone damals verpasst haben: Den Motorlieferanten einen Fixpreis für ihre V6-Turbos aufs Auge zu drücken. So dass die kleineren Rennställe nicht an den Leasinggebühren ersticken.
Nun fordern Mosley und Ecclestone also ein neues Cosworth. Aber wer soll das sein?
Die Entwicklung der neuen Turbogeneration kostete einen Motorhersteller rund 200 Millionen Euro, wie mir ein führender Techniker verraten hat. Welcher unabhängige Hersteller will in Sachen Finanzkraft, Manpower und Ressourcen mit einer Firma wie Mercedes mithalten?
Ecclestone findet auch: Man könne ohne Probleme zu den V8-Motoren zurückkehren. Da hat er leider das Reglement vergessen (an dem er mitgearbeitet hat) und wird sich überdies an FIA-Chef Jean Todt die Zähne ausbeissen. Todt ist ein Verfechter der neuen Turbo-Formel, und das moderne Reglement ist bis 2020 in Stein gemeisselt. Eine Rückkehr zu V8-Motoren wird es nicht geben.
Um V8-Motoren zu erlauben, müsste ein entsprechender Vorschlag durch alle Gremien hindurchgehen (siehe weiter unten: Formel-1-Entscheidungsfindung: So geht es); kurzfristig müssten alle Rennställe einer Reglementsänderung zustimmen. Da bei den Teams das Motto vorherrscht «Mein eigenes Hemd ist mir am nächsten», wird das nicht passieren.
Am skurrilsten wird es, wenn Bernie Ecclestone der Öffentlichkeit weismachen will, Schuld an den hohen Ticketpreisen in der Formel 1 hätten die Rennställe – weil die so viel Geld ausgeben wollten und er ihnen mehr aus dem Erlös der Formel-1-Rechte auszahlen müsse.
Leider hat der Brite offenbar vergessen, dass die Ticketpreise schon zu hoch waren, bevor er mit den Top-Teams Sonderkonditionen mit Extrazahlungen vereinbarte. Das Problem ist vielmehr, dass die Investmentfirma CVC Capital Partners so viel Rendite als möglich aus dem Sport quetschen will, deshalb brummt Ecclestone den Rennveranstaltern horrende Antrittsgebühren auf, und die meisten Organisatoren finden keine andere Lösung, als diese Kosten auf die Zuschauer abzuwälzen. So geht das.
Fazit des ganzen Säbelgerassels: Nur über den Sport zu schimpfen und die (gar nicht immer so) guten alten Tage wieder heraufzubeschwören, das ist auch nicht der richtige Ansatz.
Formel-1-Entscheidungsfindung: So geht es
Die Entscheidungsfindung im Formel-1-Sport ist komplex. Verschiedene Arbeitsgruppen reichen ihre Ideen der so genannten Strategiegruppe weiter. Sie besteht aus Vertretern von sechs Rennställen (gegenwärtig sind das Ferrari, Red Bull Racing, Mercedes, McLaren-Honda, Williams und Force India), des Autoverbands FIA sowie der «Formula One Group». Jede dieser drei Parteien besitzt sechs Stimmen.
Der weitere Ablauf: die Ideen der Strategiegruppe gehen an die Formel-1-Kommission. Die hat nur die Möglichkeit, einen Vorschlag abzunicken oder abzulehnen. Über die gegenwärtige Zusammensetzung der Kommission ist im FIA-Reglement nichts zu finden. Einst bestand sie aus: einem Vertreter von «Formula One Management» (also Bernie Ecclestone) sowie der FIA (üblicherweise der Präsident), aus Vertretern aller Rennställe, aus sechs Rennpromotern (drei aus Europa, drei aus Übersee), die von FOM aufgestellt werden, aus zwei Vertretern von Rennstrecken (eine aus Europa, eine aus Übersee), von den Teams ernannt, dazu aus Repräsentanten des Reifenherstellers (also Pirelli), der Motorenhersteller sowie der Sponsoren (zwei, aus verschiedenen Marktbereichen). Somit kamen wir (abhängig von der Anzahl Teams) auf ein Gremium von 24 Fachleuten.
Allerdings haben wir nicht eine Stimme pro Vertreter. Es gibt immer zwölf Team-Stimmen, ungeachtet dessen, ob wir nun zwölf Rennställe haben oder nur zehn wie heute oder elf wie im kommenden Jahr (immer gesetzt den Fall, die Red-Bull-Teams bleiben uns erhalten). Wenn von diesen zehn eine interne Abstimmung zum Beispiel 6:4 ausgeht, so werden die restlichen zwei Stimmen zur Mehrheit addiert (8:4).
Wir könnten auch sagen: Wenn die grössten fünf Teams zusammenhalten, dann haben die kleinen fünf nichts zu sagen. So wie sie in der Strategiegruppe nichts zu sagen haben.
Auch die «Formula One Group» ist machtvoll: kein Rennpromoter würde es sich bei Abstimmungen mit jener Firma verscherzen, welche die Rennen vergibt! Die FIA hingegen hat hier so gut wie nichts zu melden.
Ist in der Kommission ein Vorschlag gutgeheissen, geht der zum Abnicken an den so genannten Weltrat der FIA. Hier könnte die FIA eine Idee blockieren. Die Ratsmitglieder stellen sich in der Regel hinter ihren Präsidenten, schliesslich wollen sie ihre feinen Posten nicht verlieren.