Ferrari-Nachwuchs: Wer gehen muss, wer neu hinzukommt
Charles Leclerc
Nachwuchsförderung ist eine knifflige Sache: Red Bull musste ziemlich viele Frösche küssen, um einen Prinzen zu finden – Sebastian Vettel. Dazu erwiesen sich auch Daniel Ricciardo, Daniil Kvyat, Max Verstappen und Carlos Sainz in der Folge als Glücksgriffe. Ferrari tut sich da mit dem Nachwuchs ein wenig schwerer.
Vor zehn Jahren entstand bei Ferrari die Idee der «Driver Academy» – junge Piloten sollten mit langjährigen Verträgen an den berühmtesten Rennstall der Welt gebunden werden, um idealerweise eines Tages einen Formel-1-Piloten gewissermassen aus dem eigenen Garten zu erhalten.
Jahrelang war Felipe Massa für seine Aufgabe bei Ferrari vorbereitet worden (als Testfahrer bei Ferrari, als Einsatzfahrer bei Sauber), warum nicht jüngere Fahrer früher schon fördern? Das war die Grundidee.
Jules Bianchi war der erste Fahrer, mit dem dieser Plan Früchte tragen sollte: der Südfranzose war für 2016, spätestens 2017 als Kimi-Räikkönen-Nachfolger bei Ferrari fest eingeplant, an der Seite von Sebastian Vettel. Bianchi hätte ab 2015 bei Sauber den letzten Feinschliff für den Schritt in eine Top-Team erhalten sollen. Aber der Unfall von Suzuka am 5. Oktober machte alles zunichte, am 17. Juli 2015 erlag Bianchi seinen schweren Verletzungen.
Bianchi war der erste Akademie-Fahrer, er wurde 2009 aufgenommen, damals fuhr der Schlacks aus Nizza in der Formel 3.
Bis vor kurzem bestand die Akademie aus vier Piloten: Lance Stroll wurde 2010 als Kartfahrer unter Vertrag genommen, damals noch nicht einmal ein Teenager. Der Kanadier, Sohn des steinreichen Bekleidungs-Industriellen Lawrence Stroll, fuhr 2015 in der Formel-3-EM für Prema, wo sich sein Vater eingekauft hat. Der Junge hat ohne jeden Zweifel Talent, kann aber auch ungestüm sein – in Belgien löste er eine Highspeed-Massenkarambolage aus und wurde dafür von den Rennkommissaren für ein Rennen gesperrt. Doch nun ist Stroll weg: als Entwicklungsfahrer von Williams. Offenbar war Papa Lawrence Stroll zu unsicher, ob sein Sohn bei Ferrari je den Sprung ins Formel-1-Cockpit schafft. Der Unternehmer sieht Williams als Abkürzung.
Der in Zürich geborene Raffaele Marciello (20) wurde wie Stroll 2010 ins Nachwuchsprogramm aufgenommen und bestritt 2015 seine zweite Saison in der GP2. Im vergangenen Jahr wurde er Gesamtachter, nun wurde er Siebter. Das ist zu wenig. Marciello wird aussortiert. Er testet bald einen DTM-Mercedes.
Der Italiener Antonio Fuoco (19) wurde Gesamtsechster der GP3-Serie. Sein erster Test mit Ferrari auf dem Red Bull Ring endete mit Schrott. Er war vor zwei Jahren ins Ferrari-Kader berufen worden und soll bleiben.
Guanyu Zhou (16) schliesslich bestritt seine erste Saison als Autorennfahrer – in der italienischen Formel 4 wurde der Chinese Gesamtzweiter. Auch er soll im Kader bleiben.
Aus Ferrari-Kreisen ist zu vernehmen: Für Marciello und Stroll kommt der junge Franzose Charles Leclerc (18). Der in Monaco geborene Leclerc hat 2015 die Formel-3-EM auf dem vierten Gesamtrang abgeschlossen (hinter Felix Rosenqvist, Antonio Giovinazzi und Jake Dennis), Leclerc konnte vier Mal gewinnen.
Ferrari will Leclerc als Entwicklungspilot beim neuen HaasF1-Team unterbringen, dazu soll er wie Antonio Fuoco regelmässig im Simulator sitzen.
Die Akademie dürfte auch einen neuen Chef erhalten. Massimo Rivola verlässt seinen Posten als langjähriger Ferrari-Teammanager und kümmert sich künftig um die Nachwuchsfahrerakademie. Die leitete bislang der frühere Schumi-Renningenieur Luca Baldisserri. Baldisserri soll dem bisherigen Ferrari-Schützling Lance Stroll zu Williams folgen.
Ferrari hat zu den ganzen Änderungen keine Stellung genommen.