Formel 1: «Dumme Regel half Verstappen»

Überleben am Limit: So gefährlich war die Formel 1

Von Mathias Brunner
​Pflichttermin für Formel-1-Fans: Am 2. Januar 2016 um 17.15 Uhr zeigt der SWR die hervorragende Dokumentation «Überleben am Limit – eine andere Geschichte der Formel 1».

Die Formel 1 in den 60er- und 70er-Jahren war noch nicht der stromlinienförmige Rennzirkus von Bernie Ecclestone, bei dem die meisten Ausrutscher glimpflich ausgehen. Die Formel 1 war ein Spektakel, das oft tödlich endete. 2015 hat der GP-Sport den jungen Jules Bianchi verloren, die Betroffenheit ist anhaltend gross. Was müssen die anderen Fahrer damals gefühlt haben? In jeder Saison kamen drei bis vier Spitzenpiloten ums Leben.

«Wir sind nur sehr wenige, die aus dieser Ära übriggeblieben sind», kommentiert Jacky Ickx (70), 1969 und 1970 jeweils WM-Zweiter. Der Belgier sagt: «Mein grösster Sieg? Dass ich überlebt habe.»

Sein grosser Rivale von einst, der dreifache Formel-1-Champion Jackie Stewart, zieht folgenden Vergleich: «Grand-Prix-Rennfahrer waren damals wie Jagdflieger im Zweiten Weltkrieg in ihren Spitfire- oder Messerschmitt-Maschinen. Regelmässig verloren sie ihre Kameraden und starteten trotzdem.»

Die Überlebenden der tödlichen Jahre in der Formel 1 sind heute Ende 60, Anfang 70 und berichten über ihre Geschichte und die ihrer Kollegen in der SWR-Filmdokumentation von Eberhard Reuss «Überleben am Limit – Eine andere Geschichte der Formel 1».

Die Lebenswege der Hauptdarsteller des Filmes haben sich immer wieder auf den Rennstrecken gekreuzt. Einerseits waren sie Idole ihrer Zeit, die ersten Pop-Stars im Profi-Sport, sie standen andererseits aber als moderne Gladiatoren und Grossverdiener unter massiver Kritik.

«Wir haben gewusst, wir sitzen in einer rollenden Bombe, Benzin, rechts und links, je 100 Liter. Das haben wir billigend in Kauf genommen», sagt Hans-Joachim Stuck.

Und Jochen Mass bekennt: «Ich hab immer damit gerechnet, dass etwas passieren muss.» Sie alle haben ihre Leidenschaft für die Rennfahrerei überlebt. Jetzt ist der zeitliche Abstand gross genug für Jackie Stewart, Jacky Ickx, Jochen Mass und Hans-Joachim Stuck, um noch einmal offen und ehrlich über die Jahre zu sprechen, in denen die Formel 1 durch Unfälle, Nervenkitzel und Risiko zu einem gigantischen Medienspektakel geworden ist.

SPEEDWEEK.com hat die Möglichkeit erhalten, den Film von Eberhard Reuss vorab zu sehen. Unsere Einschätzung gleich auf den Punkt gebracht: Am 2. Januar um 17.15 Uhr (Wiederholung in der Nacht vom 3. auf den 4. Januar, Punkt Mitternacht) sollte niemand mit Ihnen rechnen – dieser Film ist Pflichttermin. Oder mindestens ein Anlass, um Festplatte oder Video sorgsam zu programmieren.

Der Film ist aus mehreren Gründen gelungen: Erstens reden die Hauptdarsteller über ein damaliges Tabuthema – die Gefahr. Und zwar in aller Offenheit. Reuss ist klug genug, Stars wie Stewart und Ickx sowie deutsche Ausnahmekönner wie Stuck und Mass ausführlich zu Wort kommen zu lassen.

Der Filmemacher beleuchtet fachkundig, wieso die Todesrate so beklemmend hoch war, wer die Schuldigen waren, wieso die Fahrer das Risiko dennoch eingingen.

Der Film endet Mitte der 80er Jahre, da war der grösste Lebensretter der Formel 1 bereits von McLaren eingeführt worden: Die Verbundstoff-Überlebenszelle für den Fahrer.

Reuss zeigt unfassbare Szenen, teilweise seit Jahren in irgendwelchen Archiven verschüttet, Bordkameraufnahmen triefen vor Wahrhaftigkeit, da wirken die heutigen Bilder wie gestellt. Wenn der heutigen Formel 1 vorgeworfen wird, sie habe sich zu weit von den Fans entfernt, sie sei zu klinisch, natürlich zu kommerziell, dann ist «Überleben am Limit - Eine andere Geschichte der Formel 1» genau das Richtige für Sie. Selbst wenn einige Erinnerungen schmerzen.

Oft, auch in der Formel 1, wird die gute, alte Zeit heraufbeschworen. Im Rahmen des Mexiko-GP sagte der zweifache Formel-1-Champion Emerson Fittipaldi: «Da wird viel verklärt. Wenn ich daran denke, wie viele unserer Kollegen ihr Leben liessen, dann fällt es mir schwer, von der guten, alten Zeit zu sprechen.»

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