Nico Rosberg (Mercedes): «Keine Marionetten mehr»
Nico Rosberg
Vordergründig scheint sich in der Formel 1 nicht viel geändert zu haben: Mercedes-Benz liegt vorne, Ferrari ist der Jäger. Aber in Wahrheit brodelt es hinter den Kulissen gewaltig. Wie in einem Comic ist über den Team-Häuschen im Albert-Park gewissermassen jener Rauch zu sehen, der allen Ingenieuren und Fahrern derzeit aus dem Kopf quillt.
Denn geändert wurde hinter den Kulissen eine ganze Menge, «und alle drei Bereiche sind gleich schwierig», wie Mercedes-Star Nico Rosberg sagt. «Wir haben eine andere Zusammensetzung der Reifen, und die Walzen selber sollen wieder gezielt abbauen, um mehr Boxenstopps zu erzeugen. Das ist die erste Schiene. Dazu gibt es neue Anweisungen, was den Boxenfunk angeht. Da müssen wir viel mehr im Kopf haben und im Cockpit viel mehr selber machen. Das ist die zweite Schiene. Und schliesslich gibt es noch das neue Abschlusstraining, das förmlich ein Steilpass für Fehler ist. All dies zielt darauf ab, dass da Feld besser durchmischt wird, und das wird auch passieren.»
«Generell finde ich es sehr gut, wenn ich als Fahrer mehr Verantwortung erhalte. Dann verringert sich der Eindruck, dass wir nur Marionetten seien, wie es einige vielleicht fanden. Künftig müssen wir viel mehr selber entscheiden, das gefällt mir. Aber gleichzeitig birgt die Umstellung auch viele Fallen.»
«Ein Beispiel: Wir haben vor dem Rennen eine Strategie besprochen, und ich fahre die ersten zehn Runden so, dass ich weiss – mein erster Satz Reifen ist dann zu Ende. Wenn wir aber die Strategie umstellen, ich eigentlich länger draussen bleiben müsste, dann habe ich mit den abgefahrenen Reifen schon verloren.»
«Letztlich wird ein Team in so einem Fall entscheiden, dich hereinzuholen, einfach deshalb, weil du auf den abgefahrenen Reifen zu viel Zeit verlierst. Auf der anderen Seite kannst du natürlich nicht beeinflussen, wo du nach dem Stopp wieder auf die Bahn zurück kommst. Du kannst dann leicht im Verkehr steckenbleiben. Die ganzen Umstellungen bergen unglaublich viele Unwägbarkeiten.»
Von den ganzen Funksprüchen, die nun nicht mehr erlaubt sind, werden Rosberg am meisten «jene fehlen, die sich um die Rennstrategie drehten. Aber das gilt nicht nur für mich. Das gilt für alle Piloten. Nun müssen wir das alles vor dem Rennen durchsprechen, und du musst als Fahrer das dann im Kopf behalten.»
«Die FIA wollte mit all diesen Änderungen mehr Überraschungen erzeugen. Und ich bin sicher, dass sie das schaffen. Allein im Abschlusstraining wird es einige erwischen. Ich kann mir gut vorstellen, dass nicht immer der schnellste Mann auf der Pole steht. Und wegen der Reifen wird der schnellste Mann im Rennen nicht gezwungenermassen den Grand Prix gewinnen. Belohnt wird vielleicht eher der Fahrer, der vor dem Rennen die cleverere Reifenwahl getroffen hat.»
«Alles wird schwieriger. Ihr könnt euch nicht vorstellen, wie viel Arbeit da im Winter investiert worden ist. Alleine die Programmierung des Lenkrads und des kleinen Bildschirms in Cockpit war der reine Wahnsinn. Das kann ich ja bedienen wie ein Smartphone. Und ich konnte selber festlegen, was ich für Infos da drauf haben will und wie ich es am besten abrufen kann. Keiner sagt dir, was wo liegen soll. Ich hatte völlig freie Hand. Das musste zielführend und simpel sein, gleichzeitig so komplett wie es nur geht. Der Prozess des Lernens ist noch nicht abgeschlossen, das dauert Monate. Zum Glück konnten wir vieles davon bei den Tests in Spanien schon üben.»
«Es wird auch eine Riesenherausforderung sein, mit dem Sprit auszukommen. Auch hier muss ich alles selber im Auge behalten. Und auch die Motorregelung mach ich selber, also wenn ich Power rausnehme, um etwa Kraftstoff zu sparen. Oder wenn ich hochdrehe, um jemanden anzugreifen. Wobei aber Lewis und ich die gleiche Obergrenze zur Verfügung haben. Wir können also punkto Power nicht etwas machen, das der andere nicht kann.»
«Vielleicht ist das Sprit-Management das Schwierigste von allem: Weil du ja eine ganz andere Fahrweise wählen musst, um da möglicherweise zwischendurch wieder in den grünen Bereich zu kommen.»
«Das alles hat auch als Auswirkung, dass sich die Besprechungen grundsätzlich verändern. Es gibt viel mehr Informationen, und du musst dir viel mehr verinnerlichen. Rennintelligenz ist noch wichtiger. Das alles ist wirklich eine coole Herausforderung, dass man halt nicht mehr ferngesteuert ist, sondern dass wir mehr Verantwortung tragen müssen.»
Formel-1-WM
20. März: Australien (Melbourne)
3. April: Bahrain (Sakhir)
17. April: China (Shanghai)
1. Mai: Russland (Sotschi)
15. Mai: Spanien (Barcelona)
3. Juli: Österreich (Spielberg)
10. Juli: Grossbritannien (Silverstone)
24. Juli: Ungarn (Budapest)
31. Juli: Deutschland (Hockenheim)
28. August: Belgien (Spa-Francorchamps)
4. September: Italien (Monza)
18. September: Singapur
2. Oktober: Malaysia (Sepang)
9. Oktober: Suzuka (Japan)
23. Oktober: USA (Austin)
30. Oktober: Mexiko (Mexiko-Stadt)
13. November: Brasilien (Sao Paulo)
27. November: Abu Dhabi (Insel Yas)