Cesare Fiorio zu Sebastian Vettel: Leiden bei Ferrari
Cesare Fiorio hat den Kontakt zum Motorsport nie verloren, auch wenn er es als 77-Jähriger ein wenig ruhiger angehen lässt als früher – und heutzutage Olivenöl und Konfitüren herstellt. Mit Lancia feierte der Turiner tolle Erfolge in der Rallye-WM, 1989 berief ihn Fiat auf den Posten des Ferrari-Rennchefs.
Ferrari hatte grauenhafte Wintertests absolviert, das neue halbautomatische Getriebe (erstmals mit Schaltwippe hinter dem Lenkrad) hielt kein Dutzend Runden am Stück. Vor dem ersten Saisonrennenin Rio schlug Rennchef Fiorio vor, nur 20 Kilo Sprit zu tanken und so für ein kurzes Feuerwerk auf der Piste zu sorgen, weil das Getriebe ohnehin kaputt gehen würde. Nigel Mansell wehrte sich entschlossen gegen diesen Plan, setzte sich durch – und gewann prompt das Rennen!
Cesare Fiorio geriet zwischen die Fronten der Ferrari-Fahrer Nigel Mansell und Alain Prost, Ende 1990 ging der Brite, von den Machtspielen des Franzosen zermürbt, und wurde durch den jungen Jean Alesi ersetzt. Prost verlor den Titel 1990, und nach dem Ausfall beider Ferrari-Fahrer in Imola 1991 wurde Fiorio entlassen.
Ein halbes Jahr später war auch Prost weg, nachdem er seinen Formel-1-Renner als Lastwagen bezeichnet hatte.
Fiorio arbeitete später bei Ligier und Minardi, an diesem Wochenende weilt er als Rennexperte beim Staatssender RAI. Das Interesse an der Formel 1 ist hellwach geblieben, wie er bei den Kollegen der Gazzetta dello Sport beweist. Zur Arbeit des Rennleiters von Ferrari, heute der Job von Maurizio Arrivabene, meint Fiorio: «Die ganze Warmherzigkeit der Fans, die ganzen Flaggen, die Freude der Tifosi, das alles löst in dir den tiefen Wunsch aus, ihnen ein gutes Ergebnis zu schenken. Aber das ist der Realität nicht immer einfach.»
«Mercedes in diesem Jahr zu schlagen, das ist ganz schwierig, sie haben bewiesen, dass sie die Stärksten sind. Ferrari muss derzeit ein anderes Ziel haben – nämlich in der WM wieder an Red Bull Racing vorbei zu kommen. Das kann gelingen, unter der Bedingung, dass die Fahrer keine Fehler machen, dass die Strategie stimmt und die Reifenwahl auch. Um das zu erreichen, muss alles perfekt laufen.»
Die Team-interne Rivalität bei Ferrari ist dabei für Fiorio kein Problem: «Konkurrenzkampf ist normal, es ist nichts ärgerlicher für einen Rennfahrer als hinter dem eigenen Stallgefährten zu sein. Gerade Sebastian Vettel ist das Misfallen anzusehen, wenn er hinten liegt, das war schon bei Red Bull Racing mit Daniel Ricciardo so. 2015 hat Vettel seinen Teamkollegen Räikkönen dominiert. Das ist heute nicht mehr so. Ich erkenne keinen Grund, warum Kimi auf einmal schneller geworden sein sollte. Daher bin ich überzeugt – Sebastian Vettel leidet darunter, dass die erhofften Ergebnisse nicht kommen.»
«Ferrari kann in Monza nur mit einem Sieg zufrieden sein. Aber wir müssen auch auf dem Boden der Tatsachen bleiben. Also wäre ich schon zufrieden, wenn gegenüber Red Bull Racing wieder aufgeholt wird. Monza sollte für Ferrari gutes Geläuf sein, in Singapur, Suzuka oder Interlagos sehe ich im Duell dieser beiden Rennställe eher wieder Red Bull Racing vorne. Aber das ist Formel 1, da kann prinzipiell alles passieren – auch Mercedes ist nicht vor Ausfällen gefeit.»
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