Formel 1: Max Verstappen – alles für die Katz

Gerhard Berger: «Ferrari war nach Imola überzeugt»

Von Gerhard Kuntschik
Gerhard Berger: «Es wäre für das Publikum ungemein reizvoll, F1-Fahrer in anderen Autos im Vergleich mit anderen Piloten zu sehen»

Gerhard Berger: «Es wäre für das Publikum ungemein reizvoll, F1-Fahrer in anderen Autos im Vergleich mit anderen Piloten zu sehen»

Der ehemalige GP-Pilot Gerhard Berger blickt auf einen ganz besonderen Erfolg zurück. Der Tiroler spricht auch über seinen Neffen Lucas Auer und schätzt dessen Chancen auf einen Formel-1-Aufstieg ein.

Er plant keine Japan-Reise, aber Gerhard Berger wird beim japanischen Grand Prix (Start am Sonntag, 7h MESZ) auch als TV-Zuschauer viele Erinnerungen haben. Er war in Japan immer beliebt, vor allem durch seine drei Jahre an der Seite von Ayrton Senna bei McLaren-Honda. Vor einem Vierteljahrhundert, am 20. Oktober 1991, feierte er in Suzuka seinen zweiten Erfolg in Japan, den ersten von drei bei McLaren-Honda und nach einer noblen Geste seines Freundes Senna: Der Führende hatte Berger, der bis dahin immer schnell, aber glücklos war, in der letzten Schikane passieren lassen.

Genauso wie die Erinnerungen an dieses Rennen und an Senna wach sind, genauso blickt Berger auf Mexiko 1986 zurück. «Unglaublich, wie die Zeit vergeht», muss auch der Tiroler zugeben. An jenem 12. Oktober vor 30 Jahren fuhr er im Benetton-BMW auf dem schnellen Rodriguez-Kurs zu einem Überraschungssieg.

Mit dem auch er nicht rechnete, wie Berger erzählt: «Wir hatten Pirelli-Reifen, alle anderen Top-Teams Goodyear. Ich hatte mich fürs Rennen für einen anderen Reifentyp entschieden als die anderen Pirelli-Fahrer. Auf der Startaufstellung bekam ich Zweifel und wollte umstecken lassen, doch es war schon zu spät. Das war mein Glück!»

Aus vierter Position hinter Senna, Nelson Piquet und Nigel Mansell fuhr Berger los und übernahm bald die Führung. Er kam ohne Reifenwechsel durch, während alle anderen in die Box mussten. «Und sie konnten auch nicht mehr aufholen, weil die Goodyear-Pneus in der Hitze sofort Blasen bekamen.» Berger siegte mit 25,4 Sekunden Vorsprung auf Alain Prost im McLaren-Porsche und 52,5 Sekunden auf Senna im Lotus-Renault – heute Ewigkeiten. Ab dem viertplatzierten Piquet (Williams-Honda) waren alle überrundet.

«Zu diesem Zeitpunkt war meine Zukunft schon klar», erzählt Berger. Denn bei Enzo Ferrari persönlich hatte er schon im Frühsommer 1986 den Dreijahresvertrag unterschrieben. Berger: «Ich denke, Ferrari war spätestens nach Imola überzeugt, als ich seinen Piloten Stefan Johansson aussen überholen konnte, obwohl ich aufs Gras gekommen war.» Der dritte Rang in diesem Rennen war Bergers erstes Podium in der Formel 1.

Berger war 1986 aber auch BMW-Werkspilot im Freilassinger Schnitzer-Team in der Tourenwagen-EM. Am 12. Oktober ersetzte ihn Emanuele Pirro im EM-Lauf in Madrid-Jarama als Partner von Robert Ravaglia. Schnitzer-Teamchef Karl Lamm erinnert sich: «Wir waren doppelt nervös. Wegen unseres Rennens und wegen Gerhard. Wir versuchten ihn in Mexiko anzurufen, kamen aber nicht durch. Aber er meldete sich selbst und fragte aufgeregt, wie es uns ergangen sei – und verlor kein Wort über seinen ersten Sieg. Er war bei uns ein echter Teamplayer.»

Berger dazu: «Dass F1-Piloten in anderen Serien fuhren, ist heute unvorstellbar, aus vertraglichen und zeitlichen Gründen. Dabei wäre es für das Publikum ungemein reizvoll, F1-Fahrer in anderen Autos im Vergleich mit anderen Piloten zu sehen. Der Sebastian (Vettel, Anm.) geht auch heute noch Kartfahren, wenn es die Zeit erlaubt.» Berger räumt zwar ein, dass es damals nur 16 (statt jetzt 21) Saisonrennen gab, «aber dafür hatten wir ja damals viele Testfahrten, die es jetzt während der Saison nicht mehr gibt.»

Gerhard Berger beobachtet nicht nur die aktuelle Formel 1, er hat auch ein wachsames Auge (und wohl eine schützende Hand) für seinen Neffen Lucas Auer. Der war in diesem Jahr im Deutschen Tourenwagen Masters ein Aufsteiger mit seinem ersten Sieg auf dem Lausitzring und zweimaliger Pole-Position auf dem Nürburgring. Berger sagt über den 22-Jährigen, der nächstes Wochenende das DTM-Finale in Hockenheim fährt: «Er war auch im DTM eher ein Spätstarter. Aber er zeigte in diesem Jahr sein Potenzial, hat sich richtig gut etabliert. Verbessern muss er noch seine Konstanz, unabhängig vom Zusatzgewicht in seinem Mercedes.»

Und auf die Frage, ob Lucas Formel-1-Potenzial habe, analysiert Berger: «Ihm fehlt auf jeden Fall noch Erfahrung. Er fährt im DTM auch zu wenige Rennen. Er bräuchte Einsätze bei den Nachwuchstests der Formel 1, er müsste konsequent aufgebaut werden.»So wie es Mercedes mit Pascal Wehrlein und Esteban Ocon machte, die jetzt das Manor-Team bilden. «Die Frage ist», fügt Berger an, «ob es jemand gibt, der bereit wäre, Lucas in die Formel 1 zu bringen.» Und dafür kämen wohl nur Mercedes-Motorsportdirektor Toto Wolff oder Red Bull-Motorsportkonsulent Helmut Marko in Frage.

Zum Eigentümerwechsel in der Formel 1 (von CVC zu Liberty Media) meint der 57-Jährige: «Es ist die grosse Chance der Formel 1, eingefahrene Strukturen aufzubrechen. Die Amerikaner gehen konsequent ihren Weg. Sie sind die Besten, um Türen in den USA zu öffnen. Und sie werden mehr auf die Fans schauen und hinterfragen, was sie jetzt und zukünftig von der Bühne Formel 1 erwarten.» Ob es da eine Zukunft für den bisherigen Alleinherrscher Bernie Ecclestone gebe? Berger diplomatisch: «Ein kooperativer Bernie wäre für die Amerikaner ein grosser Vorteil. Ein Machtkampf aber wäre ein Schaden für alle.»

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