Florian Modlinger (Porsche): «Aufgeben gibt es nicht»
Roger Griffiths (Andretti-Teamchef) mit Florian Modlinger, Projektleiter Formel E von Porsche
In Berlin ist einiges los, wenn die Elektrischen die Stadt beehren. So gab es noch vor dem siebenten und achten Saisonlauf an diesem Wochenende in Tempelhof offizielle Neuigkeiten, die in der Szene längst herumerzählt worden waren: Porsche bekommt ab Saison 9 das Andretti-Team als Kunden für den Antriebsstrang (der langjährige BMW-Partner ist diese Saison noch mit BMW-Antrieb unterwegs).
Teambesitzer und US-Rennlegende Michael Andretti verwies in der Videobotschaft auf die lange Partnerschaft mit den Stuttgartern bis zurück in die Zeiten, als er und Vater Mario im Porsche 962 auf der Langstrecke dabei waren.
Und schliesslich wurde die Übernahme von Mercedes EQ durch McLaren ab nächster Saison bestätigt, wobei Teamchef Ian James und der Grossteil des Teams nur das Outfit wechseln werden, Antriebspartner (Nissan?) und Fahrer aber noch offen sind. Doch bei den Piloten (Nyck de Vries, Stoffel Vandoorne) wird es wohl kaum Veränderungen geben.
Der 41-jährige Bayer Florian Modlinger verantwortet bei Porsche das Engagement in der Formel E. Im Gespräch mit SPEEDWEEK.com gibt es vom Ingenieur knapp vor Saisonhalbzeit eine Bestandsaufnahme.
Wie sieht die Zwischenbilanz der Formel-E-Saison aus Sicht von Porsche aus?
Florian Modlinger: Der Auftakt in Saudi-Arabien war schwierig. Das erste Rennen lief anders als wir es uns vorgestellt haben. Doch wir arbeiteten hart über die Nacht und machten am nächsten Tag schon klare Fortschritte mit Platz 4 und einem Podestrang in Reichweite. Ab da waren wir von der Performance her auf jeder Strecke gut aufgestellt. In Mexiko war der Doppelsieg nach konzentrierter Teamleistung eindrucksvoll. In Rom hätten wir mehr Punkte mitnehmen können, hatten aber mit dem Safety-Car kein Glück, doch das gehört zum Rennsport. Dann kam Monaco mit der besten Qualifying-Leistung und beiden Autos in den Top-Sechs. Wir zeigten, dass mit uns zu rechnen ist. Wir hatten eine sehr gute erste Rennhälfte, Pascal (Wehrlein) ging in Führung, dann kam ein technischer Defekt. Auch das ist Motorsport. So reisten wir mit null Punkten ab, anstelle als Führender in der Teamwertung... Damit kann man nicht zufrieden sein, aber vom Grundpotenzial her schon.
Ist die Titelchance bei Fahrern und Teams noch intakt?
Wir haben jetzt sechs von 16 Rennen absolviert, sind also noch nicht einmal bei Halbzeit. Wir wissen, wie eng es in der Formel E zugeht, daher dürfen wir keine Fehler machen und müssen konzentriert bleiben. Unser Ziel ist jetzt, den Rückstand zu reduzieren und zu ganz vorn aufzuschliessen. Aufgeben gibt es bei uns nicht. Wir fahren um Siege und Podestplätze.
Porsche hat sich für die ersten zwei Jahre des Gen-3-Autos, also bis 2024, verpflichtet. Deutet das daraufhin, dass das dritte Jahr 2025 als Vorbereitung für ein anderes Projekt, nämlich den Formel-1-Einstieg, genützt wird?
Porsche bestätigt die Motorsportprogramme immer für einen gewissen Zeitraum, das ist derzeit in der Formel E bis Saison 10. Das bedeutet aber noch nicht, dass danach Schluss ist, sondern dass neu bewertet wird. Es kann auch sein, dass wir im dritten Gen-3-Jahr dabei sind, das ist noch nicht entschieden.
Porsche bekommt nun auch ein Kundenteam...
Ja, die Zusammenarbeit mit Avalanche Andretti ist langfristig vereinbart.
Wie sehr profitiert die Serienproduktion von Porsches Engagement in der Formel E?
Da gibt es zwei Spielwiesen. In der Elektromobilität sind wir Vorreiter beim Antriebsstrang. Man soll aber auch das Thema Getriebe und Differenzial nicht vernachlässigen. Was da passiert, ist hoch interessant. Dazu kommt die gesamte Softwareapplikation. Speziell beim Gen-3-Auto wird die Kombination des eigenen Antriebsstrangs mit dem eines Monopolzulieferers für die Front softwareseitig eine grosse Herausforderung. Vom höheren Anforderungsprofil der Rennstrecke profitiert auch die Serienfertigung.
Jeder erwartet Porsche ab 2026 in der Formel 1. Kann der E-Porsche der Formel E auch für den Hybriden der F1 nützlich sein?
Dazu kann ich im Moment nichts sagen. Die Formel E ist ein eigenes Projekt.
Gibt es einen Austausch mit dem Langstreckenprojekt des neuen LMDh-Boliden für WM und IMSA?
Den gibt es natürlich. Die Abteilungen sind zwar von der Struktur her getrennt, aber wir tauschen uns aus, weil wir beide mit Hochvoltthemen zu tun haben. Da hilft man sich gegenseitig im ständigen Austausch. Da gibt es offizielle gemeinsame Meetings.
Kann die Formel E Hardcore-Petrolheads demnächst einmal auf ihre Seite ziehen?
Ich komme vom Verbrenner-Motorsport und arbeite seit der Saison 4 am Formel-E-Projekt. Ich machte vorher GT1-WM, DTM, Rallycross. Die Formel E ist eine ganz andere Herausforderung. E-Mobilität und Software-Dominanz sind Themen, die die Jugend ansprechen. Nehmen wir Monaco. Auf dieser Strecke gibt es in anderen Serien oft langweilige Rennen, in der Formel E aber gab es ein Spektakel mit aufregendem Racing und Überholmanövern. Mit diesen Rennen müssen wir auch klassische Motorsportfans überzeugen. Dazu wird auch das neue Gen-3-Auto einen Beitrag leisten, das leichter, schneller, agiler, nachhaltiger sein wird. Gen 3 wird ein großer Fortschritt, aber auch eine grosse Herausforderung durch die Rekuperation an der Vorderachse.
Es soll demnächst – noch vor Ende dieser Saison – erste Tests mit der Gen 3 geben. Wann geht es für Porsche los?
Wir wollen Mitte Juni auf der Strecke sein. Drei Hersteller, darunter wir, werden in Spanien testen, drei andere in Grossbritannien.
Ist die Fahrerfrage für die Formel E 2023 schon geklärt?
Wir sind mit unseren Piloten sehr zufrieden, sie leisten sehr gute Arbeit. Mit ihnen zu arbeiten, macht wirklich Spass.