Formel 1: Wie mutig ist Ferrari?

Formel 2: Die goldenen Jahre – brillant eingefangen

Von Mathias Brunner
​Darauf haben die Motorsport-Fans lange warten müssen: auf ein Buch, das sich mit den goldenen Jahren der Formel 2 befasst, grandios eingefangen von der deutschen Fotografin Jutta Fausel.

In den 60er und 70er Jahren war sie der Nährboden für kommende Formel-1-Stars: die Formel 2. Gut, das ist sie auch heute, wie die schnellen Herren Norris, Leclerc, Piastri oder Russell in den letzten Jahren bewiesen haben; aber aus mindestens drei Gründen ist die Formel 2 von heute mit der wunderbaren früheren F2-Epoche nicht zu vergleichen.

Erstens – heute haben wir zwar verschiedene Rennställe, aber gefahren wird mit Einheits-Rennwagen. Das war früher anders.

Zweitens – immer wieder traten etablierte Grand-Prix-Stars bei Formel-2-Rennen an, um sich mit den Jungspunden zu massen. Davon kann heute (leider) keine Rede mehr sein.

Und drittens – hey, das waren die 60er und 70er! Politische Korrektheit war unbekannt, es wurde auf Strecken gefahren, welche heutigen Piloten den Angstschweiss auf die Stirn treiben getrieben hätten, viele Piloten lebten ein Zigeuner-Dasein, mit einfachsten Mitteln, aber happy.

Das Buch «Formula 2 – The Glory Years, 1967–84» feiert die aufregendste Ära des F2-Sports, gleichzeitig beweist dieser Prachtband, welch fabelhafte Fotografin Jutta Fausel unseren Lieblingssport bereichert hat.

Die heute in den USA lebende Deutsche folgte dem Formel-2-Tross von Thruxton bis zum Nürburgring, von Pau nach Enna auf Sizilien, von Rouen bis Mugello. Sie blickte den Stars wie Stewart, Brabham, Hill, Rindt und McLaren ebenso über die Schultern wie den aufrückenden, späteren GP-Siegern wie Ickx, Regazzoni, Jabouille und Arnoux.

Von jedem Formel-2-Champion finden wir ein Porträt, dazu für jedes Jahr eine Einleitung mit den wichtigsten Tendenzen. Natürlich dürfen ausführliche Statistiken nicht fehlen. Fausel zur Seite standen für die Texte die erfahrenen Autoren Bob Constanduros, Peter Higham, Mark Hughes, Ian Phillips und Chris Witty.

Es ist leicht, sich in diesem Buch stundenlang zu verlieren, denn es gibt so vieles wieder neu zu entdecken: Vom ersten Champion Jacky Ickx (der ein Vorwort beisteuert) in einem von Ken Tyrrell eingesetzten Matra via die französischen Champions Beltoise und Servoz-Gavin zu den Ausnahmekönnern Regazzoni, Peterson und Hailwood, bevor die zweite französische Ära begann – mit Titeln von Jariere, Depailler, Laffite, Jabouille und Arnoux. Es folgte den Durchmarsch britischer Rennwagenhersteller mit Seriensiegen der Piloten von Toleman, Ralt und March.

Bei allen, teils haarsträubenden Stories aus den wilden Jahren des Rennsports bleiben die Bilder von Jutta Fausel immer im Zentrum. Sie sagt: «Einige meiner schönsten Erinnerungen drehen sich um die Formel-2-Europameisterschaft, die ich als professioneller Fotograf während ihrer Blütezeit von 1967 bis 1984 begleitet habe.»

«Meine ersten Lebensjahre verbrachte ich in Ostdeutschland, in der Nähe von Berlin, aber meine Eltern wollten unbedingt, dass wir in den Westen flüchten. Als ich elf Jahre alt war, gelang es meiner Mutter und mir mit, sagen wir geliehenen westdeutschen Pässen, die Grenze in einem Lastwagen mit nur zwei Koffern zu überqueren und nach Göppingen in der Nähe von Stuttgart zu fahren, um zu meinem Vater zu gehen, der früher ausgereist war und Arbeit gefunden hatte.»

«In der Schule in Göppingen begann ich mich für die Fotografie zu interessieren. Ich habe dann in einem örtlichen Fotogeschäft gearbeitet, um alles über das Geschäft zu lernen, und habe drei Jahre lang ein berufsbegleitendes Studium für Grafik und Fotografie absolviert. Mein Onkel Henry, der nach Amerika ausgewandert war, uns aber ab und zu besuchte, wies mir den Weg zur Fotografie, und später erfuhr ich, dass mein Grossvater ein professioneller Fotograf gewesen war.»

«Dank des Interesses meines Vaters schaute ich mir gerne Autorennen im Fernsehen an und hörte sie im Radio. Das erste Rennen, das ich mir ansah, war der Solitude Grand Prix im Juli 1961, der auf einer 7,1 Meilen langen Strecke auf öffentlichen Straßen in der Nähe von Stuttgart, nicht weit von unserem Haus entfernt, stattfand. Das Rennen, das für ein gemischtes Feld von F1- und F2-Fahrzeugen ausgetragen wurde, war ein recht wichtiges Ereignis, bei dem Innes Ireland für Lotus gewann und die Porsche von Jo Bonnier und Dan Gurney die Plätze 2 und 3 belegten.»

«Ich sass auf der Tribüne und machte mit der Rolleiflex eines Freundes ein paar Fotos. Die Autos waren ziemlich klein im Bild, aber ich war fasziniert. Ich wusste, dass ich genau das machen wollte.»

«Wolfgang von Trips war zu dieser Zeit Deutschlands grosser Rennsportheld, auch für mich. Nur zwei Monate nach dem Solitude-Rennen erinnere ich mich lebhaft daran, wie ich die Radioübertragung des Grossen Preises von Italien hörte und von dem schrecklichen Unfall erfuhr, bei dem er ums Leben kam.»

«1962 kehrte ich auf die Solitude zurück, diesmal mit einer Leica-Kamera und einem Teleobjektiv, die ich mir von meinem Chef im Fotogeschäft geliehen hatte. Ich schlich mich in einen abgelegenen Teil der Rennstrecke und hielt mich zwischen den Bäumen auf, um am Samstag so viele Fotos wie möglich zu machen, dieses Mal mit viel besseren Ergebnissen. Am Sonntag wurde ich mutiger und schaffte es, in das Fahrerlager zu gelangen, wo ich die Fahrer, Mannschaften und Autos aus nächster Nähe fotografierte. Es war faszinierend.»

«In der Folge fotografierte ich bei Bergrennen, einer damals in Westdeutschland verbreiteten Form des Motorsports, und nahm manchmal mit dem Auto eines Freundes teil. Ich konnte meine Fotos an die Teilnehmer verkaufen. Zunächst besuchte ich relativ leicht erreichbare Rennen in anderen Teilen Deutschlands und auch in Österreich. Meinen ersten deutschen Grand Prix besuchte ich 1963 auf dem Nürburgring, als John Surtees für Ferrari gewann, und kehrte viele Jahre lang zurück.»

«Als 1967 die europäische F2-Trophy begann, besuchte ich die beiden deutschen Rennen am Nürburgring und in Hockenheim und weitete mein Netz in den folgenden Jahren aus. Schon bald wurde ich zum Stammgast und besuchte Jahr für Jahr so viele Rennen in ganz Europa, wie ich konnte.»

«Die Formel 2 war für mich immer etwas Besonderes. Sie war wie eine grosse Familie, in der hart gefahren wurde, aber auch das Leben genossen wurde. Wir sind gemeinsam durch Europa gereist. Zu unserer Gruppe von Brüdern gehörten Weltmeister, andere F1-Fahrer, Nachwuchstalente, begeisterte Privatiers, sehr fähige Chassis- und Motorenbauer und eine Menge toller Mechaniker.»

«Ich habe nie viel Geld damit verdient, wie die meisten von uns damals, aber ich würde nie etwas davon ändern wollen. Viele meiner schönsten Erinnerungen sind die, dass ich mit wenig oder gar keinem Geld in der Tasche um die Welt reiste und manchmal nicht sicher war, wie ich nach Hause kommen würde. Ich fuhr mit meinem alten VW-Käfer zu den europäischen Rennen, machte meine Fotos, fuhr die Nacht hindurch nach Hause, entwickelte die Filme und machte Abzüge und lieferte sie bei der Zeitschrift in Stuttgart ab. Erst dann habe ich etwas geschlafen.»

«Ich habe seit vielen Jahren davon geträumt, meine besten Arbeiten in einem Buch wie diesem zusammenzustellen, eine visuelle Aufzeichnung der Rennserie von Jahr zu Jahr mit den wichtigsten Ergebnissen. Ich wollte, dass es viele Fotos von den Personen des Sports und nicht nur von den Autos enthält. Ich wollte den Wettbewerb und die Kameradschaft vermitteln, natürlich auch einige traurige Momente, aber vor allem die pure Freude und Zufriedenheit, die wir alle miteinander teilen.»

Das ist genau der Geist, den wir beim Durchblättern und Lesen von «Formula 2: The Glory Years» spüren – ein grandioses Buch, das wir allen Lesern wärmstens empfehlen.

Das Wichtigste in Kürze

Formula 2: The Glory Years, 1967–84
Mit einem Vorwort von Jacky Ickx
Aus dem Verlag Evro, England
ISBN: 978-1-910505-19-9
Text in englischer Sprache
Format 27,2 x 22,3 cm
560 Seiten
890 Fotos
Für rund 115 Euro im Fachhandel oder direkt bei Evro Publishing

Diesen Artikel teilen auf...

Mehr über...

Siehe auch

Kommentare

Zeitenwende: KTM wird nie mehr die gleiche Firma sein

Von Ivo Schützbach
Beim österreichischen Motorradhersteller KTM muss viel geändert werden, um das Fortbestehen der Firma sichern zu können. Dafür sind schmerzhafte Einschnitte und Hilfe von außen nötig.
» weiterlesen
 

TV-Programm

  • Mi. 08.01., 10:45, Motorvision TV
    Nordschleife
  • Mi. 08.01., 11:15, Motorvision TV
    On Tour
  • Mi. 08.01., 12:35, Motorvision TV
    Top Speed Classic
  • Mi. 08.01., 15:00, Eurosport 2
    Formel E: FIA-Weltmeisterschaft
  • Mi. 08.01., 17:45, Motorvision TV
    Gearing Up
  • Mi. 08.01., 18:00, ORF Sport+
    Rallye: Jänner Rallye
  • Mi. 08.01., 18:40, Motorvision TV
    Bike World
  • Mi. 08.01., 19:15, ServusTV
    Servus Sport aktuell
  • Mi. 08.01., 19:30, Motorvision TV
    FastZone
  • Mi. 08.01., 20:00, Motorvision TV
    IMSA Sportscar Championship
» zum TV-Programm
6.762 20111003 C0801054513 | 5