DMSB: Der Wirbel um die WM-Lizenzen weitet sich aus
Nach der SPEEDWEEK.com-Story über die neuerdings geänderten Gepflogenheiten für de Lizenzvergabe an deutsche WM-Piloten (Superbike-WM, Grand Prix) rumorte es gehörig, die Wogen gingen hoch – auch in den sozialen Medien.
Inzwischen ist durchgesickert, dass auch andere europäische Motorsportverbände ihre Topfahrer plötzlich tüchtig zur Kasse bitten.
So musste zum Beispiel der Schweizer Randy Krummenacher für seine Superbike-WM-Lizenz bei der FMS nicht weniger als 2450 Franken hinblättern!
Terrell Thien, Manager des Saxoprint-Peugeot-Moto3-Teams mit den Piloten Jakub Kornfeil und Patrick Pulkkinen: «Nicht nur der DMSB ist ein ewiges Ärgernis, bei den Föderationen in Tschechien und Finnland ist es nicht anders.»
Deshalb wandten sich bereits im Januar etliche GP-Fahrer und Teams an die GP-Teamvereinigung IRTA, die dann folgende Informationen an die GP-Rennställe schickte:
1. Wenn eure Fahrer bei ihrer Föderation eine Lizenz beantragt haben, kann dieser Vorgang fortgesetzt werden, die Fahrer müssen dann beim heimischen Verband für die Lizenz bezahlen.
2. Wenn eure Fahrer noch keinen Antrag an die Föderation gestellt haben, dann fordert sie auf, dies zu unterlassen
3. Am 31. Januar wird die FIM überprüfen, welche Lizenzen von den Landesverbänden ausgestellt wurden. Für alle übrigen GP-Stammfahrer werden wir FIM-Lizenzen zum Katar-GP bringen. Die IRTA wird die Gebühren dafür in Rechnung stellen.
4. Ignoriert alle weiteren Aufforderungen der Landesverbände für Anträge von GP-Lizenzen.
5. Wenn ein Team irgendeinen Ersatzfahrer einsetzt, wird sich die IRTA um die Ausstellung einer Lizenz kümmern wie in der Vergangenheit.
Weiters wurden die Teams von der IRTA informiert, dass vom Reglement auch eine nationale Lizenz vorgeschrieben wird. Und jetzt kommt es: «Laut Reglement müssen die nationalen Lizenzen ohne Zusatzkosten ausgestellt werden», teilt die IRTA in Übereinstimmung mit den FIM-Vorschriften mit.
Weiß da die linke Hand nicht, was die rechte tut?
Der DMSB schreckt offenbar vor Gesetzesbrüchen nicht zurück: Er kassierte nämlich offenbar bei allen WM- und EM-Piloten die Gebühren für eine nationale Lizenz ein. Das dürften folgende Fahrer sein: Stefan Bradl, Markus Reiterberger, Marc Moser, Toni Finsterbusch, Julian Puffe, Marvin Fritz, Gabriel Noderer, Marcel Schrötter, Phillip Öttl und so weiter.
DMSB-Funktionär Wirth verschickte folgendes Mail an die Lizenznehmer:
Liebe Fahrer, anhand der uns von der FIM übersandten Starterlisten für die diesjährigen WM-/EM-Läufe ist uns aufgefallen, dass die deutschen Teilnehmer – bis auf wenige Ausnahmen - noch nicht im Besitz der erforderlichen Lizenzen 2017 sind. Daher würden wir Sie bitten, die DMSB-A- und Inter-Lizenzen sowie die entsprechende Welt- oder Europameisterschaftslizenz sehr zeitnah zu beantragen (falls noch nicht geschehen). Während der Antrag für A- und Interlizenz über unser Onlineportal 'Mein DMSB' generiert werden muss, erhalten Sie den entsprechenden Meisterschaftslizenzantrag in der Anlage. Die Antragsunterlagen sollten inkl. der Zahlung ca. 4 Wochen vor der Veranstaltung bei uns vorliegen. Sollte die Zeit etwas knapp werden, dann schicken Sie Ihre Dokumente bitte in jeden Fall als Expressbrief zu uns, damit eine bevorzugte Bearbeitung erfolgen kann. Für Rückfragen stehen wir (Frau Eitel) ihnen gerne auch telefonisch zur Verfügung.
Mit freundlichen Grüßen
Manfred Wirth
Koordination Motorradsport
Deutscher Motor Sport Bund e.V.
60528 Frankfurt
Hahnstraße 70
Das heißt: Die WM- und EM-Piloten wurden vom DMSB womöglich voller Heimtücke falsch oder irreführend informiert.
Sie haben ihre Lizenzrechnung ohne den Wirth gemacht.
Der DMSB untersteht den Richtlinien der FIM und hat offenbar – wie andere Landesverbände – höchst eigenmächtig und nicht im Interesse seiner namhaftesten Aktiven gehandelt.
«Ich habe drei verschiedene Lizenzen gebraucht, zumindest hat das der DMSB so verlangt», wundert sich Stefan Bradl. «Eine nationale, eine internationale und eine Superbike-WM-Lizenz.»
Kein Wunder, wenn der Ruf nach einem neuen Verband – vor allem für die Motorradfahrer – immer lauter wird. In anderen europäischen Ländern sind solche Abspaltungen längst vorexerziert worden, auch in anderen Sportarten.
Die Funktionäre des DMSB-Vorgängerverbands OMK glaubten ja im Herbst 1991 auch, die verärgerten GP-Teams, Fahrer und Hersteller würden im GP-Sport keine Konkurrenzserie (nämlich die «World Series») zustandebringen. Im letzten Moment gaben dann die FIM und ihre Landesverbände ihre Macht im GP-Sport ab; Dorna, IRTA und die Werke führen seither das Kommando.
Natürlich erhebt sich die Frage: Warum haben die deutschen WM-Fahrer nicht bei der FIM nachgefragt, als ihnen plötzlich neue Lizenzgebühren aufgebürdet wurden?
Die Antwort ist einfach: Für jeden Lizenznehmer ist nur der Landesverband zuständig. Selbst die Einladungen für die FIM-WM-Gala an Bradl und Cortese kamen einst über den DMSB.
Stefan Bradl bezahlte nach eigenen Angaben für seine Superbike-Lizenz rund 1700 Euro an den DMSB, Sandro Cortese für seine Moto2-WM-Lizenz sogar 145 Euro mehr.
Aber: Die IRTA liefert jetzt die GP-Lizenzen für alle, die nicht auf ihre Landesverbände reingefallen sind, für 1100 Euro aus – also deutlich preiswerter, mit dem identischen Versicherungsschutz.
Für wen ist also der DMSB überhaupt da? Zur Selbstdarstellung und zum Eigennutz seiner teilweise dilettantischen Funktionäre?
Schade nur, dass die vielen ehrenamtlichen Funktionäre, die den Motorradsport in Deutschland mit viel Leidenschaft am Leben erhalten, unter diesen bizarren Eskapaden einzelner Raubritter und Wegelagerer zu leiden haben.
Die Preisliste des DMSB ist umfangreich. Eine GP-Lizenz für eine der drei WM-Klassen kostet 1500 Euro, die Superbike-WM-Fahrer zahlen 1355.– Die Supersport-WM-Teilnehmer kommen auch nicht billiger davon. In der Endurance-WM ist man schon mit einer Lizenzgebühr von 480.– dabei, eine Teamlizenz kostet dort 680.–
In der Seitenwagen-WM bezahlt der Fahrer 350 Euro, der Beifahrer 290.–
Für die CEV-Moto3-Junioren-WM, den Red Bull Rookies-Cup und die Supersport-300-WM werden je 210 Euro veranschlagt.
«Ich habe jedenfalls für die nationale Lizenz 270 Euro bezahlt, wenn ich mich richtig erinnere – und bisher keine Gutschrift bekommen», wundert sich Sandro Cortese, Moto3-Weltmeister 2012. «Sie wollten mir dann noch Zusatzversicherungen bis zu 200 Euro einreden, aber auf die habe ich verzichtet, weil ich mit der GP-Lizenz schon eine Versicherung habe und jedes Jahr eine BG-Versicherung abschließe. Die ganze Vorgangsweise des DMSB würde ich als sehr schlecht bezeichnen. Er sollte die WM-Fahrer unterstützen... Er bekommt ja genug Zuschüsse.»