DMSB-Nachwuchsförderung: Kein Geld, nur Aufkleber
Joachim Hüssner hat uns als Vater des einstigen Nachwuchstalents Nico Hüssner, das so schnell war wie Alt, Reiterberger, Schrötter und Co., ein ausführliches Mail zum Thema «Nachwuchsforderung des DMSB» geschrieben. Hier der Wortlaut:
«Das Geld könnte beim DMSB tatsächlich ‹zweckgebunden› verwendet worden sein», schreibt Papa Hüssner. «Aber nicht so, wie man es sich vorstellt. Ich möchte ein Puzzlestück zu Ihren Recherchen hinzufügen. Dazu muss ich aber ein bisschen ausholen:
2002 begann mein damals siebenjähriger Sohn Nico mit Pocketbike-Rennen und wurde im ersten Jahr Vizemeister hinter Celly Schrötter. 2003 gewann er die Einsteigerklasse bei den Pocketbikes, die damals noch unter der Schirmherrschaft des DMSB ausgetragen wurde, vor Florian Alt.
2004 sind wir in die Schülerklasse aufgestiegen und bekamen Anfang des Jahres von Frau Ochs, die beim DMSB für die Pocketbikes zuständig war, eine Einladung zu einer Sichtung in Memmingen. Wir erfuhren, dass für Deutschlands beste Nachwuchsfahrer ein sogenanntes DMSB-Junior-Racing Team auf die Beine gestellt werden sollte.
Weil wir zu der Zeit sehr gut mit den Alts befreundet waren und Flo sich entschieden hatte, 2004 beim ADAC Minibike zu fahren, fragte ich Leni Ochs, was denn mit den mit den Minibikern wäre. Antwort: Mit denen haben wir nichts zu tun, die werden vom ADAC gefördert. Anmerkung: Minibike konnte man mit einem ADAC-Clubsport-Ausweis ohne DMSB- Lizenz fahren.
Zum ersten Mal bekam ich mit, dass irgendwelche Animositäten zwischen dem DMSB und dem ADAC zu bestehen scheinen.
Das DMSB-Füllhorn ergoss sich nicht
Zur Sichtung, die damals Jörg Schöllhorn leitete, erschienen etwa 30 Pocketbiker auf dem Memminger Flugplatz. Nico war mit fast 2 Sekunden Vorsprung Tagesschnellster vor Daniel Kartheininger. Er wurde zusammen mit Dani, Max Enderlein, Maximilian Eckner und Max Kappler in den Förderkader berufen. Ich wartete fortan gespannt, wie sich nun das Füllhorn des DMSB über uns alle ergießen würde.
Als erstes bekamen wir Aufkleber und Aufnäher. DMSB Deutsches Road Racing Junior Team, stand drauf. Die mussten fortan auf der Kombi, dem Helm, dem Bike und dem Transporter (Größe 60 x 25cm) spazieren gefahren werden. Stolz haben wir die Dinger überall draufgepappt.
2004 haben wir aber keinen Cent vom DMSB gesehen. Beim Finallauf in Nürnberg wurde noch einmal nachgesichtet. Keiner wusste aber so genau, was es da noch zu sichten gab. Es waren jedenfalls wieder Leute vom DMSB da und als ‹Sachverständigen› hatten sie den Daniel Lo Bue aufgeboten. Nico setzte sein erstes Karriere-Highlight und fuhr im nassen Quali eine Bestzeit, die nachher im trockenen Rennen nur er selber noch unterboten hat. Außerdem gewann er an diesem Wochenende die Deutsche Schüler Meistermeisterschaft vor Dani Kartheininger.
Ich machte mir keine Sorgen und dachte, jetzt kommt bestimmt bald Geld vom DMSB. Denn wer sollte es sonst aus diesem glorreichen Team kriegen? Ach so, den Celly hatten sie noch irgendwie ins Team annektiert. Er war ja Ex-Pocketbiker und kam aus Lenis Ortsclub, dem Ulmer Motorsport Club. Ich freute mich für ihn, wir waren schon seit dem Frühjahrstraining 2002 in Italien miteinander befreundet. Und irgendwie sah ich es nicht ein, dass die Minibiker nichts von der versprochenen Förderung abkriegen sollten.
Aber Geld gab’s immer noch keins. Für den einzigen Europameisterschaftslauf, den wir am Saisonende mitfuhren und für den wir extra eine I-Lizenz beim DMSB beantragen mussten, durften wir dann eine happige Lizenzgebühr bezahlen.
Kein Sponsorgeld, sogar Lizenzen selber bezahlt
Aber es kommt noch besser.
Nach Saisonende 2004 wurde zu einem Konditionslehrgang nach Frankfurt in die Sporthochschule eingeladen. Teilnahme für das verlängerte Wochenende war Pflicht. Mitzubringen waren zwei Trainingsanzüge, zwei paar Turnschuhe, Badehose und so weiter.
Ich nahm also den Freitag frei und freute mich auf ein Wiedersehen mit den Schrötters. Wir hauten uns in Frankfurt irgendwie das Weekend um die Ohren, während unsere Kids in der Turnhalle schwitzten und beim Joggen das zweite Paar Turnschuhe im Wald versauten, das wir extra für diese Veranstaltung anschaffen mussten.
Wir bekamen mit, dass es anscheinend noch weitere Junior-Teams gab. Es waren nämlich auch Crosser und Trialfahrer da, die zusammen mit unseren Kindern neben dem sportlichen Teil noch in anderen Dingen weitergebracht wurden. Es gab auch Schulungen, wie man sich mental stärkt und wie in der Freizeit trainiert werden soll.
Fazit: Der Lehrgang hat uns mehr gekostet, als er gebracht hat.
Gott sei Dank war der ADAC Mittelrhein inzwischen auf Nico aufmerksam geworden. Die haben mich angerufen, uns zu ihrer Meisterehrung für 2004 eingeladen. Ganz informell wurden uns so etwa 600 Euro Punktegeld in die Hand gedrückt; und Nico erhielt einen Riesenpokal für außergewöhnliche Leistungen.
2005 sind wir zu den Minibikes gegangen. Aber wir durften im Kader bleiben. Wir haben die Lizenz über den ADAC beantragt, er hat was zu den Gebühren dazu getan. Man höre und staune: Die Kadermitglieder bekamen zwar kein Geld, mussten aber ihre Lizenzen selber bezahlen! Dafür bekamen wir aber DMSB Deutsches Junior Roadracing Team-Poloshirts, die wir im Fahrerlager tragen sollten; dazu eine riesige Helmtasche mit dem gleichen Aufdruck.
Inzwischen hatte ich rausbekommen, dass es in Frankfurt beim DMSB mindestens einen festen Arbeitsplatz gab, der sich mit dem ‹Management› dieses Teams beschäftigte. Gegen Mitte 2005 erfuhr ich, dass wir jetzt, wenn wir mal nach Schaafheim zum Trainieren fuhren, wir uns dort eine Quittung für die Streckenmiete geben lassen können. Die wurde dann vom DMSB übernommen. Ich glaube, 2005 kamen da so 250 Euro zusammen.
Im Winter mussten wir wieder zum Konditionslehrgang. Der war, glaube ich, in Ulm. Reisespesen wurden nicht übernommen. Ich nahm mir den Freitag wieder frei. Rest – siehe oben.
2006 ging so weiter. Das brauch ich hier nicht weiter auszuführen. Vom ADAC kamen jedes Jahr so 600 bis 800 Euro.
2007 habe ich für Nico einen alten 125-ccm-Honda-Production-Racer besorgt und ihn für den 125er-DMSB-Pokal eingeschrieben. Das hat der ADAC zwar nicht so gern gesehen, weil die ihn lieber im Junior-Cup gehabt hätten, aber ich hatte in den Jahren vorher mitbekommen, dass es einen ziemlichen Aufwand darstellt, das Bike genau an die erlaubte PS- Grenze (und nicht darüber) zu tunen, obwohl offiziell nichts gemacht werden durfte.
Außerdem war Nico schon immer einer von den Größeren in seiner Klasse und ich wollte, dass er diese Nachteile in Zukunft nicht mehr hatte. Eine richtige Rennmaschine erschien mir sinnvoller.
2007 lieferte er etliche Talentproben ab. Das erste Mal in Schleiz, den ganzen Tag trocken. Gewitter zu Rennbeginn. Das erste Mal auf Regenreifen. Letzter nach der ersten Runde, dann schnellste Rennrunde und am Ende wurde er als Zweiter abgewinkt. Zweiter wurde er auch im Sportbike-Pokal und erster in der Mittelrhein-Meisterschaft.
In dem Jahr mussten wir auch das erste Mal zu Ortema. Dort wurde Nico auf DMSB-Kosten komplett durchgecheckt; er bekam einen genauen Trainingsplan. War natürlich mitten in der Woche; ich nahm mir wieder mal einen Tag frei. Den damals von Ortema neu angebotenen Rückenprotektor hätten wir aber selber bezahlen müssen.
2007 nahm Nico auch an der Red Bull Rookies-Cup-Sichtung auf dem Sachsenring teil. Da er dort, im Gegensatz zu den Junior-Cup-Fahrern noch nie gefahren war, zahlte ihm der DMSB einen Tag vorher einen Trainingstag auf einer 600er mit Steve Jenkner als Instruktor. Das hat so ca. 600 Euro gekostet. Das war wirklich das erste Mal, dass wir das Gefühl hatten, in einem Förderkader zu sein. Nico war bei der Red Bull Sichtung Viertschnellster, ganz knapp hinter Luca Grünwald und meilenweit vor Kornfeil und Ajo. Aber in dem Jahr waren die Red-Bull-Plätze für Deutschland schon von Reiterberger und Kartheininger belegt. Es wurden keine Deutschen genommen.
Das war zwar blöd, aber ich hab’s irgendwie verstehen können. Es hat mich auch nicht sonderlich aufgeregt, weil mir die Leni Ochs etwa zeitgleich erzählt hat, dass der DMSB ein eigenes Team für die 125er IDM machen will und der Nico dafür die erste Wahl sei.
Der Celly fuhr ja schon für das Mang-Steinhausen Team.
Zu der Zeit sprach ich auch mit dem Rolf Steinhausen, weil der neben dem Celly noch einen zweiten Fahrer im Team wollte. Allerdings sollten wir 20.000 mitbringen. Das Jahr verging, man kam beim DMSB keinen Schritt mit dem 125er-Team weiter. Irgendwie war man dort vollauf damit beschäftigt, die Leute zu Ortema zu schicken und den nächsten Lehrgang zu planen. Da ich die 20.000 für den Steinhausen nicht hatte, war der Gedanke naheliegend, das DMSB-Geld (denn, dass da welches war, nahm ich wegen der Planung für das IDM-Team an) ins Steinhausen-Team zu transferieren. Dafür konnte man sich aber auch nicht entscheiden; so fuhren wir 2008 mit der alten 125er noch mal im DMSB-Pokal.
Ortema-Team geschwänzt, aus Kader entlassen
2008 sollten wir dann wieder zum Ortema-Check. Bei uns war es ziemlich eng mit dem Geld und der Zeit. Trainieren fahren ging nur einmal am Jahresanfang. Der Ortema-Termin lag ziemlich ungünstig. Ich hätte einen Wochenauftrag und etwa 2000 Euro dafür opfern müssen. Deshalb rief ich meine Kaderbeauftragte Leni an und fragte, ob wir da wirklich wieder hinmüssen. Leni sagte, dass sie das schon hinbiegt und hat mich entschuldigt. Kurz darauf bekam ich Post vom DMSB, dass sie ihr hoffnungsvollstes und seit vier Jahren gefördertes Teammitglied Nico Hüssner nicht länger im Kader behalten wollen, weil er dem Ortema- Termin fern geblieben ist.
Für mich hat es den Anschein, dass diese 125.000 US-Dollar von der FIM komplett für Verwaltungsaufgaben und dem Deckmantel Junior Racing Team versickern.
2009 sind wir dann im Yamaha-Cup gefahren. Die Saison hat etwa 30.000 gekostet. Rund 3000 Euro bekamen wir vom ADAC Mittelrhein und etwa die gleiche Summe von privaten Sponsoren. Nico hat sich ganz gut verkauft, ist aber ein bisschen zu oft runtergefallen. Er wurde am Ende Neunter der Gesamtwertung.
2010 habe wir es noch mal im Cup versucht. Leider ist nach der Einschreibung ein Sponsor abgesprungen und es fehlten 15.000 im Budget, die ich finanzieren musste. Wir konnten nicht mehr trainieren und irgendwie kam Nico nicht mit den neuen Dunlop-Reifen zurecht. Aus irgendeinem Grund war er langsamer als 2009. Es wurde eine Saison zum Vergessen. Es zeichnete sich aber ab, dass er zu groß für einen Motorradrennfahrer wird. Mit 1,93 cm ist er inzwischen ein ähnlicher Funkturm Günther Wiesinger. Wir haben mit dem Rennsport Ende 2010 aufgehört.»
Herzliche Grüße
Joachim Hüssner