MotoGP: Das Saisonfinale ist in Barcelona

Oliveira und Binder: Warum KTM so überlegen war

Von Günther Wiesinger
Miguel Oliveira und Brad Binder sorgten in Australien für einen KTM-Doppelsieg in der Moto2-Klasse – der erste KTM-Sieg in dieser Kategorie. Wie erklären sie diesen Triumph?

Der Portugiese Miguel Oliveira hatte mit der neuen Moto2-KTM bereits vor dem Australien-GP in diesem Jahr sechs Podestplätze erobert – er war in 15 Rennen zweimal Zweiter und viermal Dritter geworden.

Sein erster Moto2-Sieg (2016 fuhr er noch bei Leopard auf Kalex) war also nur noch eine Frage der Zeit.

Aber Brad Binder, Moto3-Weltmeister auf der Red Bull KTM 2016 und danach lange Zeit wegen einer Handverletzung außer Gefecht oder nicht voll einsatzfähig, hat eine mühselige erste Saisonhälfte hinter sich, er musste nach Argentinien noch einmal operiert werden und auf drei Rennen verzichten. Doch als Vierter in Misano und Fünfter in Aragón hat er schon angekündigte – die Formkurve geht steil nach oben.

Mit Platz 2 (er verlor nur 2,9 sec auf Sieger Oliveira) ist der Südafrikaner auch in der WM-Tabelle unter die Top-Ten vorgestoßen – auf Platz 10 vor Syahrin, Aegerter, Navarro, Marini, Baldassarri, Quartararo, Schrötter und Cortese.

Übrigens: Es war der insgesamt 74. GP-Sieg für KTM, der erste in der Moto2-Klasse. Neun Siege gab es in der 250er-WM, insgesamt 64 in der kleinsten Klasse (125 ccm/Moto3).

Und man darf sich ausmalen, dass die Eigengewächse Oliveira und Bnder auch ernsthafte Kandidaten für das KTM-MotoGP-Kundenteam 2019 sein werden.

«Es ist wirklich großartig, jetzt auf das Podest gefahren zu sein», strahlte Binder. «Ich habe mich das ganze Wochenende hier sehr gut gefühlt, von der ersten Runde an, als ich am Freitag im FP1 losgefahren bin. Ich habe immer versucht, so viele Trainingsrunden wie möglich abzuspulen. Zu Beginn des Rennens war ich an Miguel dran, aber er hatte eine sehr starke Pace und hat keinen einzigen Fehler gemacht. Ich habe dann gegen Morbidelli und Nakagami gefightet, es ging recht eng zu. Der zweite Platz macht mich sehr happy. In den letzten Runden fühlte ich mich stärker, ich konnte mich absetzen. ich bedanke mich beim Team, sie haben mich das ganze Jahr vorbildlich unterstützt.»

Binder ließ sogar WM-Lader Morbidelli um 3,5 sec hinter sich. Aber ob er auch mit dem gestürzten Nakagami fertig geworden wäre, die Frage konnte er nicht schlüssig beantworten. «Ich habe es auf jeden Fall probiert. In diesem Sektor, in dem er gestürzt ist, habe ich genau in dieser Runde ziemlich stark aufgeholt. Ich wusste, ich habe einen deutlichen Abstand zu ihm ich wollte aber unbedingt einen Podestplatz, deshalb habe ich Druck auf ihn ausgeübt. In der Runde, in der er gestürzt ist, bin ich meine schnellste Rennrunde gefahren. Darüber bin ich froh. Das war in der Phase, als es getröpfelt hat. Das machte mir zwar Sorgen, aber ich habe das Gas nicht zugedreht. Ich habe wieder gepusht. Ich hatte starke Gegner hinter mir. Und ich wollte unbedingt Platz 2 sicherstellen. Also konnte ich mir keine Verschnaufpause leisten; das hätte mir die Chance aufs Podest rauben können. Dieses Extra-Risiko hat sich heute bezahlt gemacht.»

Binder erlebte auch einen Zwischenfall mit Morbidelli. «Ich muss mich bei Franco entschuldigen. Es gab einen Vorfall im Turn 1, es war keine Absicht dahinter. Ich habe das nicht erwartet... Trotzdem, es war ein guter Tag.»

«Ich fühle nur Glückseligkeit», freute sich Sieger Oliveira. «Ich bin sehr dankbar für diesen Sieg. Denn als es sechs Runden vor Schluss zu regnen begann, bin ich etwas in Stress geraten. Ich hatte bereits einen kleinen Vorsprung herausgefahren, ich wusste Bescheid über diesen Abstand, den ich zu den Verfolgern hatte, sie hatten ihn aber etwas verringert. Das hat mich verunsichert. Wie man sich vorstellen kann – es war das längste Rennen meines Lebens. Jetzt freue ich mich für das Team und über meinen ersten Sieg in dieser Kategorie. Es war auch der erste für KTM in dieser Klasse – aber hoffentlich nicht der letzte.»

Zwischen Oliveira und Binder, die neben der Piste gut befreundet sind, entbrannte in der Anfangsphase ein harter Zweikampf. «Brad hat mich im Turn 1 aus dem Windschatten überholt. Ich habe versucht, diesen Angriff auf der Kurvenaußenseite beim Bremsen abzuwehren, aber das war kein schlaues Manöver. Denn ich war im Wind, er war links, ich fuhr geradeaus, wir haben uns berührt, ich bin von der Linie abgekommen. Das war eine Schrecksekunde in diesem Rennen. Aber zum Glück ist es gut gegangen.»

Ist Phillip Island eine KTM-Strecke? Lag es am überlegenen Top-Speed? «Da spielen viele Bereiche zusammen», stellte Miguel Oliveira fest. «In der zweiten Saisonhälfte haben wir bei diesem Motorrad konstant gute Setting, alles funktioniert besser, wir gewinnen an Erfahrung. Das erlaubt uns Fahrern, Brad und mir, uns mehr auf das Fahren zu konzentrieren. Vorher haben wir immer gegrübelt, wie wir die KTM auf neue Pisten abstimmen sollten, es gab immer wieder neue Situationen, an die wir uns anpassen mussten. Das ist der Schlüssel zu diesem Erfolg. Ich sehe in Phillip Island nichts Spezielles, was der KTM entgegen kommen sollte, wodurch wir hier einen Vorteil gegenüber anderen Bikes oder Fahrern haben sollten. Es sind einfach die Früchte der Arbeit, die das Team geleistet hat.»

Brad Binder: «Das Team hat hier in Australien unglaubliche gute Arbeit geleistet. Ich bin im Rennen genau mit jenem Grund-Set-up gefahren, mit dem wir am Freitag ins FP1 gestartet sind. Das war perfekt. Wir haben nachher keinen Klick mehr verändert. So konnte ich mich voll auf das Fahrerische konzentrieren, in jeder Runde, in jeder Session.»

Die Handverletzung ist bei Binder inzwischen ausgeheilt. «Seit drei, vier Rennen kann ich mich nicht mehr beklagen. Es haben starke Verbesserungen stattgefunden. Nur wenn es kalt ist, habe ich Mühe. Dann ist die Hand steif, dann tut sie etwas weh.»

«Im Frühjahr waren wir eingeschränkt, denn auf den meisten GP-Pisten hatten wir null Informationen über dieses neue Motorrad», schilderte Oliveira. «Wir hatten vor der Saison nur in Jerez, Valencia und Katar getestet... Inzwischen haben wir genug Rennerfahrung. Wie Brad erwähnt hat: Bei ihm wurde nach dem FP1 kein Klick mehr verändert. Deshalb können wir uns wir Piloten jetzt auf die richtigen Dinge konzentrieren – aufs Fahren.»

Ex-Moto3-Weltmeister Brad Binder: «Zu Beginn der Saison war ich verletzt. Damals war das Motorrad viel besser, als ich imstande war zu zeigen. Ich war ein Moto2-Rookie, und ich war am Anfang wirklich langsam. Das war eine harte Zeit. Aber ich wusste immer, dass das Motorrad für Podestplätze gut war, Miguel hat es ja jedes Wochenende vorgezeigt. Das hat mir viel Vertrauen gegeben. Ich habe gewusst: Sobald ich richtig fit bin und mehr Erfahrung habe, kann ich vorne mitfahren.»

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