MotoGP: Das Saisonfinale ist in Barcelona

Sieger Tom Lüthi: Warum ihn die neue Kalex begeistert

Von Günther Wiesinger
Tom Lüthi ist trotz des Sturzes in Argentinien bereits WM-Dritter. Der 32-jährige Schweizer lobt die neue Kalex und ist froh, in der MotoGP Erfahrung mit der Magneti-Marelli-Elektronik gemacht zu haben.

Tom Lüthi hatte nach der missglückten MotoGP-Saison bei Marc VDS Honda eine Rechnung offen. Er wollte sich in der Moto2-WM rehabilitieren, er ließ schon im Winter keinen Zweifel offen, dass der WM-Titel das klar Ziel sein würde. Der 32-jährige Schweizer bestreitet jetzt seine neunte Moto2-Saison; 2016 und 2017 hat er sie als Gesamtzweiter beendet. Jetzt liegt der Kalex-Pilot aus dem Dynavolt Intact-GP-Team nach drei Rennen an zweiter Stelle der WM-Tabelle. Seinen Teamkollege Marcel Schrötter hat der Routinier und 125-ccm-Weltmeister von 2005 in Katar und Texas im Rennen besiegt.

Tom Lüthi (GP-Debüt auf dem Sachsenring 2002!) überließ bei der Vorbereitung auf die Saison 2019 nichts dem Zufall. Erstmals in seiner Laufbahn trainierte er schon im Januar auf dem Circuito de Almeria mit einer BMW S1000RR und seinem neuen Riding Coach Alvaró Molina. Er steigerte sich bei den Wintertests ständig und spielt jetzt in den Rennen seine Klasse und seine Erfahrung aus 270 Grand Prix aus.

Tom, dein Teamchef Jürgen Lingg hat schon nach den November-Tests gemeint, du könntest 2019 dank deiner MotoGP-Erfahrung Vorteile haben, weil du Erfahrung mit der neuen Einheits-Elektronik von Magneti Marelli hast.

Ja, es ist sicher gut, die Erfahrung mit der MotoGP-Elektronik gemacht zu haben, besonders mit der elektronischen Motorbremse. Das ist sicher nicht schlecht. Aber ich denke nicht, dass ich deswegen einen Riesenvorteil gegenüber den anderen Moto2-Fahrern habe.

Aber es bringt etwas in punkto Abstimmung. Ich habe gehofft, dass ich zusammen mit dem Team mehr Input liefern kann, in welche Richtung es gehen muss. das hat schon beim ersten Test in Jerez im November gut geklappt. Wir haben uns für die Motorbremse extrem viel Zeit genommen. Ich habe versucht, dieses System Schritt für Schritt zu verstehen.

Vom Reglement her sind wir in der Moto2 bei der ECU extrem eingeschränkt. Ich hoffe, dass das Reglement während der Saison noch etwas gelockert wird, damit wir als Team mehr Möglichkeiten haben, am Elektronik-Set-up zu arbeiten und uns einen Vorteil gegenüber den anderen Teams zu erarbeiten. Das wäre schön.

Wie war dein erster Eindruck beim ersten Moto2-Test mit den 140 PS starken Triumph-Motoren im November, nachdem du eine Woche vorher noch die 280 PS starke MotoGP-Honda gefahren bist?

Ja, klar, es ist weniger Leistung da. Aber ich bin überrascht, denn im ersten, zweiten und dritten Gang hat der neue Dreizylinder recht viel Drehmoment. So im ersten Bereich, bei 30 Prozent Gasgriffstellung, schiebt dieser Motor in den unteren Gängen recht stark an. Da kann es zu kritischen Situationen wegen Highsidern kommen. Das haben wir schon bei den Tests gesehen, weil wir ja keine Traktionskontrolle haben. Wir haben im unteren Drehzahlbereich viel Drehmoment.

Moto3-Weltmeister Jorge Martin hat sich deshalb gleich am ersten Tag in Jerez im November verletzt. Er ist durch einen Highsider gestürzt. Da habe ich anfangs auch aufpassen müssen.

Aber im vierten, fünften im sechsten Gang, das ist logisch, da schiebt und schiebt der MotoGP-Motor, beim Moto2-Motor ist dann natürlich irgendwann Feierabend.

Um wie viel unterhaltsamer und reizvoller ist das neue Motorenpaket im Vergleich zum alten 600er-Honda-Motor, der im GP-Sport etwas aus der Zeit gefallen wirkte?

Der 600er-Motor war ein bisschen anders zu fahren. Beim Honda-Motor musste man viel mehr auf Drehzahl fahren, man musste die Gänge oben ausdrehen, wenn man Speed holen wollte. Jetzt kann man mit dem 765-ccm-Triebwerk mehr mit dem Drehmoment fahren, man früher hochschalten. Das Fahren ist anders geworden, man muss mehr mit dem Drehmoment umgehen.

Der Triumph-Motor ist schön. Er gefällt mir. Mit der Zeit haben wir die Leistungsentfaltung gut in den Griff bekommen, sie funktioniert, sie ist nicht zu aggressiv und beansprucht den Hinterreifen nicht zu stark.

Ich möchte auch Kalex ein Lob aussprechen. Sie haben beim neuen Motorrad wirklich hervorragende Arbeit geleistet. Es ist ein richtiges Rennmotorrad geworden, mehr als bei der 600er-Maschine.

Das Motorrad ist sehr schmal geworden, sehr handlich, extrem handlich. Es gefällt mir sehr gut. Auf der Bremse ist das Bike sehr stabil. Kalex hat sich mit dem neuen Chassis beim Wechsel auf den neuen Motor selbst übertroffen.

Das Getriebe war bei Honda auch immer ein Schwachpunkt.

Ja, das Getriebe funktioniert jetzt sehr gut. Es lässt sich schön fahren. Mit dem «Blipper» müssen wir jetzt beim Runterschalten nicht mehr kuppeln. Das ist eine Entwicklung, die längst überfällig war. Jedes sportliche Straßenmotorrad hat heute so einen Blipper eingebaut. Im Rennsport sollte das längst eine Selbstverständlichkeit sein.

WM-Stand Moto2 (nach 3 von 19 Rennen)

1. Baldassarri 50. 2. Schrötter 47. 3. Lüthi 45. 4. Gardner 38. 5. Alex Márquez 36. 6. Marini 27. 7. Navarro 24. 8. Bastianini 21. 9. Lowes 19. 10. Binder 14. 11. Locatelli 14. 12. Lecuona 13.

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